"Wir planen keinen 'Big Bang', sondern eine Migration in Wellen"

Im Interview (von links): Alexander Haßdenteufel, Geschäftsführer bei Thüga SmartService und Christian Hofmann, Fachbereichsleitung Messwesen und IoT bei Robotron
Bild: © TSG/Robotron
Herr Haßdenteufel, Sie sagen „der Massenrollout wird kommen“. Was macht Sie da so sicher? Bisher läuft es eher schleppend.
Alexander Haßdenteufel, Geschäftsführer bei TSG: Digitalisierung ist ein Dreh- und Angelpunkt der Energiewende. Bestes Beispiel dafür sind aktuell die Stromnetze, die noch nicht auf eine dezentrale und vor allem hoch volatile Erzeugung ausgelegt sind. Um das Netz dafür fit zu machen, brauchen wir intelligente Netze durch Smart Meter. Deswegen ist das Thema auch bei unserer Mutter, der Thüga Aktiengesellschaft, hoch priorisiert und genau deswegen unterstützt sie uns auf allen Ebenen dabei, den künftigen Massenrollout zu stemmen.
Herr Hofmann, dazu hat Thüga SmartService nun Robotron als Technologiepartner an Bord geholt. Worin liegen die Vorteile Ihrer Systemlandschaft?
Christian Hofmann, Fachbereichsleitung Messwesen und IoT, Robotron: Wir haben als führender Anbieter nicht von ungefähr eine große Durchdringung im Markt. Viele zufriedene Kunden vertrauen auf unsere erprobten Softwarelösungen. Das liegt an einer Reihe von Vorteilen, die unsere Systemlandschaft bietet. Dazu zählen unter anderem eine hohe Performance und eine vollumfängliche Abbildung der regulatorisch vorgesehenen Prozesse sowie zahlreicher Mehrwertdienstleistungen. Außerdem überzeugt unsere Lösung mit einer breiten Palette an externen Schnittstellen zu ERP-Systemen, dank derer wir unsere GWA-Lösung leichter und einfacher in die Systemlandschaft der TSG integrieren können und eine optimale Integration in die Geschäftsprozesse der Messstellenbetreiber sicherstellen.
Ganz zentral jedoch: Die skalierbare Architektur ist für einen kommenden Vollrollout ausgelegt und voll belastbar. Denn wir haben alle Prozesse standardisiert und hochgradig automatisiert.
Was waren die Gründe, weshalb sich TSG entschieden hat, ihre Eigenentwicklung aufzugeben?
Haßdenteufel: Wir geben sie nicht auf. Zum einen planen wir keinen "Big Bang", sondern eine Migration in Wellen. Denn so können wir garantieren, dass zu jedem Zeitpunkt der Migration der aktuelle Betrieb bei unseren Kunden weiterläuft, also auch der reibungslose Rollout von Smart Metern. Das ist uns außerordentlich wichtig. Zu diesem Zweck haben wir unsere GWA-Technologieplattform SC7 sogar noch einmal stabilisiert und optimiert. So können alle Kunden bis zur Migration gut und sicher auf SC7 weiterarbeiten. Auch ihre Rolloutplanung wird dadurch nicht ausgebremst. Zum anderen laufen auch nach der Migration auf unserer SC7-Plattform weiter die ZFA, also die Zählerfernauslesung, wie auch EDM, das Energiedatenmanagement, bei dem wir für eine stabile und optimierte Lösung auch Erkenntnisse aus dem TAP-Projekt, also der Thüga Abrechnungsplattform, mit einfließen lassen werden.
Mit dieser Neuausrichtung unserer Plattform und mit der Entscheidung für eine etablierte Softwarelösung aus dem Markt, mit der wir zukünftig weitere Skaleneffekte erzielen wollen, schaffen wir uns Spielraum – und zwar dafür, uns weiter und noch konsequenter auf die konkreten Bedarfe unserer Kunden zu fokussieren und zu konzentrieren. Wir nennen das GWA-Plus-Dienstleistung, die neben den klassischen Aufgaben der Gateway Administration eine hardwarenahe, individuelle Kundenberatung und die Unterstützung bei der Implementierung von zukünftigen Anforderungen umfasst.
Geben Sie uns doch bitte ein konkretes Beispiel zum Thema Automatisierung. Was kann nun durch Automatisierungsprozesse schneller und fehlerfrei laufen?
Haßdenteufel: Ein wesentlicher Prozess ist beispielsweise das zentrale Auftragsmanagement: Das System versucht zuerst, Probleme automatisch zu lösen und erst, wenn dies nicht möglich ist, geht ein Prüfauftrag an den GWA-Operator. So bleiben standardisierte Arbeitsschritte den Maschinen überlassen und die Operatoren können ihre Fachkompetenz dort gezielt einsetzen, wo dies entscheidend ist. Dieser Ansatz ermöglicht uns einen unglaublichen Effizienzgewinn. Denn man sollte im Hinterkopf behalten: Bei einem Vollrollout sprechen wir von einer nicht gerade kleinen Anzahl von Gateways, die tagtäglich administriert werden müssen. Es gäbe dazu noch eine Vielzahl von Beispielen, die den Rahmen hier sprengen würden. Aber dieses Beispiel ist noch interessant, weil es recht häufig vorkommt: Wenn ein Messwert nicht fristgerecht eingelagert wurde, startet das System automatisch eine Nachauslesung. Auch das macht Prozesse effizienter, spart Arbeitsaufwand und schafft den Mitarbeitenden Raum und Zeit, sich um komplexe Aufgaben zu kümmern.
Robotron hat zusammen mit Smartoptimo erst im Frühjahr ein ähnliches Projekt erfolgreich absolviert, bei dem 60 Kunden parallel und im laufenden Betrieb in Ihre Systemwelt wechselten. Auf was kommt es aus Ihrer Sicht an, damit am Ende alles klappt?
Hofmann: Auf drei zentrale Erfolgsfaktoren: Vertrauen, Kompetenz und Kommunikation. Das gegenseitige Grundvertrauen muss einfach da sein. Darüber hinaus spielen auf beiden Seiten ein kompetentes Projektmanagement, Fachkompetenz sowie operative Exzellenz eine zentrale Rolle. Die frühzeitige Einbindung der Dienstleistungskunden in das Projekt ist ebenso von wesentlicher Bedeutung. Bereits gelebte Prozesse müssen dafür analysiert und bei der Schnittstellenanbindung berücksichtigt werden. Ohne Austausch geht das nicht. Die Kommunikation muss immer am Laufen gehalten werden und es muss jederzeit klar sein, wer was wann wissen muss. Auch dann, wenn einmal etwas nicht so funktioniert wie gedacht.
Hat der erfolgreiche Wechsel von Smartoptimo auf ein neues GWA-System auch bei TSG dafür gesorgt, dass Sie jetzt selbst das System wechseln?
Haßdenteufel: Nein, denn Sie können sich vorstellen, dass ein Projekt dieser Größe einiges an Vorlauf bedarf. Lange bevor die Entscheidung für Robotron gefallen ist, haben wir eine intensive und detaillierte Analysephase durchlaufen und die Leistungen aller relevanten GWA-Softwareanbieter genau geprüft. Gleichzeitig haben wir das Smartoptimo-Projekt aufmerksam verfolgt. Und es freut uns, dass das Projekt allem Anschein nach erfolgreich war – auch weil wir hier von zwei Faktoren profitieren können: Erstens von der hohen Marktdurchdringung der Robotron-Technologie, die für sich spricht, und zweitens von der Lernkurve, die Herr Hofmann bereits erwähnte.
Wird die Lösung von Robotron bei der TSG künftig ausschließlich im GWA-Bereich eingesetzt oder auch bei angrenzenden Themen wie CLS?
Hofmann: Wir haben die GWA-CLS-Prozesse in unserem MSB-Portfolio vollumfänglich abgebildet und die Applikation ist in die Robotron-Systemlandschaft nahtlos integriert. Zudem bieten wir externe Schnittstellen für die Anlagensteuerung inklusive Berechtigungsprüfung.
Welche Herausforderungen ergeben sich mit diesem Wechsel?
Haßdenteufel: Die größte Herausforderung ist mit Sicherheit die beschriebene reibungslose Migration. Wir haben mit Robotron jedoch bereits einen Masterplan dafür ausgearbeitet, den wir auf dem „Anwendertag Metering“ im Oktober unseren Kunden in allen Details vorstellen. Ein wesentlicher Vorteil unseres Projekts ist, dass wir beide Zügel immer und in jedem Bereich fest in der Hand halten – also sowohl bei SC7 als auch beim Aufbau der Robotron-Plattform. Damit minimieren wir den Aufwand für unsere Kunden wie auch das Risiko und bieten umgekehrt Sicherheit und Kontinuität. Denn wir bleiben weiterhin der GWA-Dienstleister für unsere Kunden. Es müssen daher beispielsweise auch keine SIM-Karten migriert werden und alle bisherigen Ansprechpartner bleiben gleich.
In den vergangenen Jahren gab es auffällig viele Wechsel in der Geschäftsführung. Hat das auch mit der GWA-Plattform von TSG zu tun?
Haßdenteufel:Nein, das sehe ich nicht so. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind. Und Menschen verfolgen nun mal persönliche Interessen, die in meinen Augen auch gewahrt und von allen akzeptiert werden sollten. Mit der GWA-Plattform hat das nichts zu tun.
Am Start dieses großen Migrationsprojektes und der Partnerschaft mit Robotron werfe ich im Übrigen den Blick nicht zurück, sondern nach vorne. Nach acht Jahren Tätigkeit in führender Position für die TSG bin ich jetzt als Geschäftsführer sehr glücklich darüber, mit meinem Geschäftsführerkollegen Michael Ikonomou die Zukunft, auch und vor allem im GWA-Umfeld, aktiv und tatkräftig mitgestalten zu können. Wir haben das Know-how und die Erfahrung, wir haben den richtigen Partner an unserer Seite und eine klare Positionierung und wir haben vor allem ein kompetentes, schlagkräftiges Team mit den richtigen Kolleginnen und Kollegen an Bord. Darüber bin ich sehr froh, darauf bin ich sehr stolz. Deswegen blicken wir zusammen mit unseren Kunden in die Zukunft – und zwar durchweg optimistisch.
Apropos Zukunft: Wie ist Ihr Zeitplan für die Systemumstellung?
Haßdenteufel: Ehrgeizig, aber realistisch. Bereits im Oktober startet das Migrationsprojekt, und wir wollen es ist bis Ende 2025 abschließen. Im gesamten Zeitraum hat für uns oberste Priorität, dass unsere Kundinnen und Kunden zu jedem Zeitpunkt zum aktuellen Status und zu den nächsten Schritten transparent informiert sind.
Die Fragen stellte Stephanie Gust