Gas

Eon dämpft Wasserstoff-Hoffnung – und rechnet dadurch mit Milliardenersparnis

Deutschlands größter Grundversorger hat sein neues Energy Playbook vorgestellt und erläutert dabei, wo Wasserstoff ersetzbar ist – und wo nicht.
06.03.2025

Blick auf die Eon-Konzernzentrale in Essen

Von Hanna Bolte

Wasserstoff gilt als wichtiger Hebel zur Dekarbonisierung der Energieversorgung. Doch wie groß ist dieser wirklich? Einer neuen Studie des Energiekonzerns Eon zufolge verläuft der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft langsamer als ursprünglich geplant. Viele Projekte haben Schwierigkeiten, die Produktionskosten mit der Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden in Einklang zu bringen.

Von Eon ausgewertete Daten zeigen, dass ein großflächiger Einsatz von kohlenstoffarmem Wasserstoff erst später erforderlich sein wird als im EU-Referenzszenario angenommen. Die Nachfrage könnte also bis 2030 deutlich niedriger ausfallen als ursprünglich erwartet.

Einsparungen durch verzögerten Hochlauf

Im Energy-Playbook-Szenario liegt die Wasserstoffnachfrage 2030 bei weniger als 10 Prozent der 20 Millionen Tonnen, die im Repower-EU-Plan vorgesehen waren. Ein signifikantes Wachstum der Wasserstoffnachfrage wird erst ab den 2030er-Jahren erwartet.

Durch den späteren Ausbau des Wasserstoffsektors lassen sich dem Energiekonzern zufolge erhebliche Einsparungen erzielen. Bis 2030 könnten allein bei der Entwicklung von Elektrolyseuren rund 23 Milliarden Euro eingespart werden. Darüber hinaus werden Investitionen in Wasserstoffpipelines und Speicheranlagen hinausgezögert, wodurch sich die Kostenentwicklung in diesem Jahrzehnt abflacht.

Insgesamt reduziert das Modell des Energy Playbooks die Investitionen in Wasserstoffinfrastruktur und Elektrolyseure um 85 Prozent im Vergleich zum EU-Referenzszenario – von ursprünglich 111 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro bis 2030.

Kettenreaktion durch Verzögerungen

Der nachfrageorientierte Hochlauf von Wasserstoff hat weitreichende Folgen. Erstens sinkt der Strombedarf für die Wasserstoffelektrolyse erheblich. Dem Modell zufolge müssten weniger Elektrolyseure in Betrieb genommen werden, wodurch der Strombedarf für Elektrolyse im Jahr 2030 bei 38 Terawattstunden (TWh) läge –75 Prozent unter den bisherigen Prognosen.

Entsprechend müssten weniger erneuerbare Energien am Netz sein, um diesen Strombedarf zu decken. Während das bisherige Referenzszenario bis 2030 von fast 402 Gigawatt (GW) zusätzlicher erneuerbarer Kapazität ausgeht, könnten es nach Eon-Analyse rund 17 Prozent weniger sein.

Das hat wiederum Auswirkungen auf den Netzausbau. Durch die um 20 Prozent geringere installierte erneuerbare Leistung sind auch weniger Investitionen in den Stromnetzausbau notwendig. Dies führt zu Einsparungen bei den netzbezogenen Infrastrukturkosten in Höhe von 30 Milliarden Euro.

Maßnahmenmischung

Laut Eon ergibt sich dadurch die Chance, die Bezahlbarkeit der Energiewende sicherzustellen und alternative Optionen wie eine stärkere Elektrifizierung insbesondere des Wärme- und Mobilitätsbereichs sowie Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2, auch CCS genannt, zu prüfen. CCS und Wasserstoff seien für das Erreichen der Klimaneutralität unverzichtbar, blieben aber kostenintensiv und könnten eine umfassende Elektrifizierung nicht ersetzen, heißt es in der Eon-Studie.

Demnach eignet sich Wasserstoff besonders für Anwendungen, bei denen die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt, zum Beispiel als Ersatz für fossile Rohstoffe in der Industrie, und ist dort einsetzbar, wo CCS keine praktikable Lösung darstellt oder Alternativen fehlen.

CCS sei wiederum in vielen Fällen kostengünstiger als Wasserstoff und ermögliche durch die direkte Abscheidung von CO2 erhebliche Emissionsminderungen, ohne dass größere Änderungen an der Infrastruktur erforderlich seien. Als Beispiele werden die Stahl- und Zementindustrie genannt, aber auch Heizkraftwerke oder Biogasanlagen, die auf Grundlast laufen.

Eon selbst hat übrigens bereits seine Konsequenzen gezogen. Das Essener Unternehmen hatte Ende vergangenen Jahres bestätigt, bei seinen Wasserstoffaktivitäten auf die Bremse zu gehen. Die 2022 gegründete Eon Hydrogen GmbH soll aufgelöst werden. Die Wasserstoffaktivitäten sollen dem Bereich Energy Infrastructure Solutions untergeordnet werden.

Die ganze Studie können Sie hier nachlesen.