Gas

NRW legt gemeinsame Netzplanung für Strom, Gas und Wasserstoff vor

Die Projektpartner sprechen von einer Blaupause für ganz Deutschland. Doch es fehlt der passende regulatorische Rahmen.
08.02.2023

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur will sich auf Bundesebene für einen anderen Rechtsrahmen einsetzen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat gemeinsam mit Open Grid Europe, Thyssengas Amprion und Westnetz eine gemeinsame Netzplanung für Gas, Strom und Wasserstoff vorgelegt. wollen gemeinsam ein Bild des Transformationspfades zur CO2-Neutralität aufzeigen. Ziel des nun abgeschlossenen Projektes „Integrierte Netzplanung NRW“ sei es, die unterschiedlichen Energieinfrastrukturen systemübergreifend zu betrachten, heißt es in einer Pressemitteilung.

Dahinter steht die Überzeugung, dass es für die Klimaneutralität einen kompletten Umbau des Energiesystems braucht. Um so schnell und effizient wie möglich voranzukommen, müssten die Sektoren Strom, Gas, Wärme und Wasserstoff gemeinsam betrachtet werden. Bislang gebe es aber keinen „etablierten Prozess zur Ermittlung des Bedarfs für eine Wasserstoffinfrastruktur“.

Netzplanung als Richtschnur

Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur betont in der Mitteilung, dass die Infrastrukturplanungen für das Energiesystem von morgen bereits heute starten müssten. Das Ziel der Landesregierung: Die „Integrierte Netzplanung NRW“ soll als Richtschnur für den Transformationsprozess hin zur Klimaneutralität dienen.  Klar sei, dass es unterschiedliche Pfade gebe. Mit „robusten Infrastrukturmaßnahmen“ müsse aber umgehend begonnen werden. „Ein solch umfassender Prozess zur Bedarfsermittlung für Energieinfrastrukturen sollte kurzfristig auch auf Bundesebene angestoßen werden. Nur so können wir das Klimaneutralitätsnetz bis 2045 realisieren“, gibt Neubaur zu bedenken.

Auch Hendrik Neumann, Technischer Geschäftsführer von Amprion, fordert eine Verzahnung der verschiedenen Sektoren. „Das Ziel muss sein, in einem gemeinsamen Szenariorahmen die Leitplanken für die nachfolgenden Netzplanungsprozesse zu setzen. Die Integration der entstehenden Wasserstoffinfrastruktur mit Elektrolyseuren muss dabei von Anfang an sowohl an den Erfordernissen der Industrie als auch des Stromnetzes ausgerichtet werden.“ Zugleich kündigt er an, dass Amprion seine Investitionen in NRW kurz- und mittelfristig deutlich steigern werde.  

Gößmann fordert mehr Tempo

Thomas Gößmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Thyssengas GmbH, führt aus, dass die Realisierung eines Wasserstoff-Startnetzes zeitkritisch sei. Die Fernleitungsnetzbetreiber hätten bereits aufgezeigt, dass sie eine Wasserstoffinfrastruktur effizient aus der bestehenden Erdgasinfrastruktur heraus entwickeln können. Gleichzeitig habe auch der Prozess zur „Integrierten Netzplanung NRW“ belegt, dass Betreiber von Strom- und Gasnetzen für die Bewältigung des erheblichen Anpassungsbedarfs in den verschiedenen Energieinfrastrukturen gut zusammenarbeiten können. „Wir müssen zukünftig das Methantransportnetz gemeinsam mit der zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur betrachten und die Schnittstellen zum Stromsystem einbeziehen. In der Folge müssen wir den Bedarf an Wasserstoffinfrastruktur dann auch von der BNetzA bestätigt bekommen“, macht Gößmann unmissverständlich klar.

Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung von Open Grid Europe, spricht von einem „Pioniergeist an Rhein und Ruhr“. In Nordrhein-Westfalen gebe einen klaren Plan für das Energiesystem der Zukunft. Dabei spiele die Wasserstoffinfrastruktur eine sehr wichtige Rolle für das künftige Klimaneutralitätsnetz. „Damit der hierfür notwendige Aufbau der H2-Infrastruktur schnell und effizient gelingt, wollen wir existierende Erdgasinfrastruktur umstellen und durch einzelne Neubauten ergänzen.“ OGE benötige dafür einen „H2-Infrastruktur-Turbo“ und eine schnellstmögliche bundesseitige Bestätigung durch ein H2-Infrastrukturgesetz für diese No-regret-Maßnahmen in 2023, so Bergmann.

Verteilnetze als Schnittstelle für das Wasserstoff-Startnetz

Patrick Wittenberg, Geschäftsführung Spezialtechnik und Digitalisierung bei Westnetz, ist überzeugt, dass die Strom- und Gasverteilnetze das Rückgrat der Energiewende sind. „Sie sind das Bindeglied zwischen erneuerbaren Energien, Verbraucherinnen und Verbrauchern und überregionalen Netzen. Sie ermöglichen den Anschluss von erneuerbaren Energien und sichern die Versorgung von Millionen Privathaushalten und Unternehmen mit Strom und Gas.“ Zugleich spielen sie eine zentrale Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands und des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen. „Perspektivisch können die Erdgasverteilnetze als Schnittstelle zum Wasserstoff-Startnetz für die Versorgung mit grünen Gasen genutzt werden. Das ist wichtig, denn: 70 Prozent der mittelständischen Industriekunden können ihre Prozesse aus technischen Gründen nicht elektrifizieren. Sie sind auf gasförmige Energieträger wie Wasserstoff angewiesen, um ihre Prozesse zu erhalten und damit verbundene Arbeitsplätze zu sichern.“

„Integrierte Netzplanung NRW“ ist ein gemeinsames Projekt der Gasfernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe und Thyssengas sowie des Übertragungsnetzbetreibers Amprion und des Verteilnetzbetreibers Westnetz und dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Projekt wurde durch das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI), das Forschungszentrum Jülich und das Institut für Elektrische Anlagen und Netze, Digitalisierung und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen wissenschaftlich begleitet.

Erkenntnisse dienen als Vorarbeit

Die „Integrierte Netzplanung NRW“ hat das Ziel die erstmalige Erprobung einer systemübergreifenden Betrachtung der unterschiedlichen Energieinfrastrukturen für das einwohner- und industriestärkste Bundesland mit einem bisher einzigartigen Detailierungsgrad der Untersuchungen und Ergebnisse. Die Erkenntnisse aus dem Prozess zur „Integrierten Netzplanung NRW“ sollen daher auch als Vorarbeit für entsprechende Prozesse auf Bundesebene, beispielsweise die nach der DENA-III Netzstudie von BMWK aufgenommenen Arbeiten für eine Systementwicklungsstrategie, dienen. (amo)