ZfK WärmewendeUnternehmen

Kommunaler Wärmeplan als Schlüssel für klimaneutrales München

Mit dem kommunalen Wärmeplan setzt München auf Geothermie, Sanierungen und klare Regeln. Ziel ist eine bezahlbare und klimaneutrale Wärme für alle. Wie die Stadt mit Wärmeplan, Fernwärme und Sanierungen bis 2045 CO₂-frei werden will
28.08.2025

Die Stadt München will die drohenden Konflikte bei der Wärmeplanung mit klaren Regeln vermeiden.

Von Frank Urbansky

Die Stadt München will bis spätestens 2045 klimaneutral sein. Eine zentrale Säule dieser Strategie ist der kommunale Wärmeplan, den die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken München (SWM) entwickelt hat. Lesen Sie im vierten Teil unserer Serie, wie die Wärmeversorgung in München langfristig klimaneutral, wirtschaftlich tragfähig und sozial ausgewogen gestaltet werden kann.

Der Wärmesektor ist in München einer der größten Verursacher von Treibhausgasen, rund ein Drittel der städtischen CO₂-Emissionen geht auf das Konto von Heizung und Warmwasser. Derzeit ist die Versorgung noch stark von Erdgas abhängig. Um dies zu ändern, bündelt der Wärmeplan detaillierte Daten zu Gebäuden, deren Wärmeverbrauch sowie zu vorhandenen oder potenziell nutzbaren Wärmequellen, -technologien und -infrastrukturen und definiert darauf basierend konkrete Versorgungsstrategien – abgestimmt auf die spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Stadtteile und Quartiere.

In Zukunft 62 Prozent Fernwärme

Nach Angaben der Stadt München spielt der Ausbau der Fernwärme eine zentrale Rolle: Bis 2045 soll das bestehende Fernwärmenetz von heute rund 1.000 Kilometern auf etwa 1.600 Kilometer erweitert werden. Fernwärme soll künftig etwa 62 Prozent des – trotz Bevölkerungszunahme abnehmenden – Münchner Wärmebedarfs decken. Damit diese Versorgung klimaneutral wird, setzen die SWM vorrangig auf Tiefengeothermie. Dank der geologischen Gegebenheiten im Großraum München kann heißes Thermalwasser in mehr als zwei Kilometern Tiefe als Energiequelle genutzt werden. Ergänzend sollen Großwärmepumpen, Abwärme aus der Abfallverbrennung, Biomasse und gegebenenfalls industrielle oder gewerbliche Abwärme eingebunden werden.

Der sogenannte Transformationsplan Fernwärme wurde parallel zur kommunalen Wärmeplanung im Mai 2024 vom Stadtrat beschlossen. Er beschreibt im Detail, wie Dekarbonisierung, Netzausbau und Verdichtung technisch und zeitlich umgesetzt werden sollen

Dezentral dort, wo zentral nicht funktioniert

In Quartieren, die nicht wirtschaftlich an das Fernwärmenetz angebunden werden können, kommen dezentrale Lösungen zum Einsatz – vorwiegend Luft- und Grundwasser –, Wärmepumpen als Einzellösungen oder unter Einbindung in (kalte) Nahwärmenetze; vereinzelt eigenen sich auch weitere Technologien wie Biomasseanlagen oder Solarthermie. Nach Angaben der Stadt München basiert die Entscheidung, ob zentrale oder dezentrale Systeme eingesetzt werden, auf sogenannten Eignungsgebieten. Diese werden anhand technischer Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und örtlicher Strukturen festgelegt. Die entsprechenden Versorgungsgebiete sind öffentlich über das Geoportal München einsehbar, sodass Gebäudeeigentümer nachvollziehen können, welche Optionen an ihrem Standort vorgesehen sind.

Die energetische Sanierung des Gebäudebestands ist ein weiterer zentraler Hebel. Der Wärmeplan weist Gebiete aus, in denen Sanierung besonders dringlich ist, weil der aktuelle und auch der künftig sinkende Wärmebedarf absehbar nicht durch die vorhandenen Wärmequellen gedeckt werden kann. Ein zentrales Steuerungsinstrument ist die digitale Wärmekarte, die gebäudescharf im Geoportal abrufbar ist. Sie dient Eigentümern als Entscheidungsgrundlage für Sanierungen, Heizungstausch oder Förderanträge. Die Umsetzung der Maßnahmen wird laut Stadt regelmäßig überprüft und anhand der städtischen Klimaziele bewertet.

Klare Rollenverteilung zwischen Stadt und Stadtwerken

Ein häufig diskutierter Punkt im Zusammenhang mit der kommunalen Wärmewende in München ist die Doppelrolle der SWM. Die sind nicht nur Betreiber des Fernwärmenetzes und des lokalen Gasnetzes, sondern auch aktiv an der Planung und Umsetzung der Wärmeversorgung beteiligt. Zudem beraten sie Eigentümer und Unternehmen zu Versorgungsoptionen. Daraus können potenziell Interessenkonflikte entstehen – etwa dann, wenn wirtschaftliche Interessen der SWM im Widerspruch zu einer technologieoffenen oder sozial ausgewogenen Wärmeplanung stehen.

Um mögliche Zielkonflikte abzumildern, wurde eine klare Governance-Struktur etabliert. Die gesamtstädtische Wärmeplanung – einschließlich der Definition von Eignungsgebieten, der Priorisierung von Quartieren und der Formulierung klimarelevanter Zielvorgaben – liegt in der Verantwortung des Referats für Klima- und Umweltschutz. Es steuert den Gesamtprozess unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen einzelner Akteure und wahrt das öffentliche Interesse.

Die Zusammenarbeit mit den SWM erfolgt mit klar definierten Rollen: Die Stadtwerke München liefern technische Expertise, Daten und Umsetzungskompetenz. Die strategische Steuerung und Entscheidungsbefugnis verbleiben bei der Stadt. So soll sichergestellt werden, dass die Auswahl von Versorgungslösungen nicht allein an wirtschaftlichen Rentabilitätskriterien ausgerichtet wird, sondern an den gesamtgesellschaftlichen Zielen wie Klimaschutz, Versorgungssicherheit und sozialer Ausgewogenheit.

Gleichzeitig ermutigt die Stadt ausdrücklich auch andere Marktakteure – etwa Energiegenossenschaften, Wohnungsunternehmen, Contractoren oder weitere Netzbetreiber –, sich in den Umsetzungsprozess einzubringen. Damit soll Wettbewerb gefördert und eine möglichst große Bandbreite an Lösungen ermöglicht werden, etwa in Form dezentraler Nahwärmeprojekte und quartiersbezogener Wärmenetze

Schutz vor Überlastung von Mietern

Ein zentrales Anliegen der Münchner Wärmeplanung ist es, die sozialverträgliche Umsetzung der Wärmewende sicherzustellen. Gerade Haushalte mit geringem Einkommen dürfen durch notwendige Investitionen in Heizungssysteme oder Gebäudesanierungen nicht finanziell überfordert werden.

Die Stadt München verfolgt deshalb einen mehrstufigen Ansatz: Grundlage ist die Ergänzung bestehender Bundesförderprogramme durch kommunale Fördermittel, insbesondere über das „Münchner Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude“ (FKG). Damit können Gebäudeeigentümer gezielt bei der Umstellung auf klimaneutrale Heizsysteme oder bei energetischen Sanierungen unterstützt werden. Das Programm ist so ausgestaltet, dass es sowohl Vermietern als auch Mietern zugutekommt.

Ein wichtiges Instrument zur Wahrung der sozialen Balance ist die Deckelung der Umlagefähigkeit: Zwar dürfen Vermieter nach wie vor bis zu zehn Prozent der Investitionskosten auf die Miete umlegen. Fördermittel der öffentlichen Hand dürfen jedoch nicht einbezogen werden. Dadurch wird verhindert, dass Mieter doppelt belastet werden. Darüber hinaus führen Effizienzmaßnahmen wie verbesserte Dämmung oder moderne Heiztechnik häufig zu sinkenden Betriebskosten, was insbesondere einkommensschwachen Haushalten zugutekommt

Kooperativer Ansatz und Beteiligung als kontinuierlicher Prozess

Statt auf einen Anschluss- oder Benutzungszwang setzt die Stadt auf einen kooperativen Ansatz: Durch Transparenz, Informationsangebote und Beratung sollen Eigentümer motiviert werden, sinnvolle Entscheidungen im Einklang mit den Vorgaben des Wärmeplans zu treffen. Das betrifft auch die Wohnungswirtschaft, die durch Planungssicherheit, langfristig stabile Energiekosten und gezielte Förderprogramme in ihrer Investitionsfähigkeit gestärkt wird.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit war ein zentrales Element in der Entwicklung des Wärmeplans. Zwischen Juni und Juli 2024 fand eine formale Beteiligungsphase mit Bürgern, Fachakteuren und Organisationen statt. Zahlreiche Veranstaltungen, Infoangebote und eine breit angelegte Kommunikationskampagne begleiteten den Prozess. Nach Angaben der Stadt wurden viele Vorschläge aufgegriffen, einige Sorgen konnten entkräftet werden.

Auch über die formale Beteiligung hinaus setzt die Stadt auf Dialog, insbesondere bei der Umsetzung auf Quartiersebene. Informationsveranstaltungen, Bürgerdialoge und digitale Tools sollen die Akzeptanz erhöhen und eine breite Beteiligung ermöglichen

Zeitplan und Einordnung

Der überarbeitete kommunale Wärmeplan wurde am 27. November 2024 vom Münchner Stadtrat verabschiedet. Er basiert auf umfassenden Analysen, Beteiligungsergebnissen und städtischen Klimabeschlüssen. Das Geoportal der Stadt macht die Inhalte transparent und nutzbar – sowohl für Bürgern als auch für die Wohnungswirtschaft.

Nach Einschätzung von Ratioplan Bayern und dem Landeswirtschaftsministerium hat der Münchner Wärmeplan Vorbildcharakter – er gilt als Blaupause für viele bayerische Kommunen, die jetzt eigene Wärmepläne erarbeiten müssen. Im nächsten Teil der Serie zeigen wir ein Praxisbeispiel, in dem ein KWP von einer Kommune selbst erstellt wurde.

Hier geht es zu den anderen Teilen der Serie rund um die Herausforderungen der kommunalen Wärmeplanung:

Wie ein kommunaler Wärmeplan erstellt wird

Kommunale Wärmepläne mit vielen Unsicherheiten

Wie die Wärmewende finanziert werden kann