Strom

"Atmosphärisches Phänomen" mögliche Ursache für Blackout in Spanien

Die Suche nach der Ursache des Blackouts in Spanien geht weiter. Portugals Übertragungsnetzbetreiber sieht die Schuld beim Nachbarland. Möglicherweise ist Solarstrom ausgefallen.
29.04.2025

In Spanien waren Millionen Menschen am Montag stundenlang ohne Strom.

Hinweis: Der Artikel wurde mehrmals aktualisiert. Diese Version stammt von Dienstag, 29.4.2025, 17:03 Uhr.

Von Julian Korb

Rund 50 Millionen Menschen in Spanien und Portugal waren am Montag stundenlang ohne Strom. Gegen 12:30 Uhr war die Stromversorgung abrupt zusammengebrochen. Es ist einer der größten Stromausfälle auf dem europäischen Festland der letzten Jahre und ein beispielloser Vorfall für das Stromsystem in Spanien. Die Auswirkungen waren demnach bis nach Südfrankreich und Marokko zu spüren. Am Dienstag war die Stromversorgung nahezu vollständig wiederhergestellt.

Die Ursache des Vorfalls lässt sich jedoch weiterhin nicht mit Sicherheit bestimmen. Laut dem spanischen Netzbetreiber Red Eléctrica (REE) führte eine extreme Schwankung im Stromfluss dazu, dass sich Spanien vom europäischen Netz abkoppelte. Das iberische Stromnetz wurde so schlagartig zur Insel.

Störungen im Verbundnetz

In der Folge kam es zu einem kaskadenartigen Ausfall: Schutzrelais schalteten weite Bereiche vom Netz ab und Sicherungen im ganzen Land brannten durch. REE bescheinigte einen "totalen Stromausfall auf dem Festland". Inseln wie die Balearen waren hingegen nicht betroffen.

Eduardo Prieto, Direktor für Systembetrieb bei REE, bestätigte am Dienstagmittag gegenüber Medien, die Trennung der europäischen Stromverbindung in Frankreich sei für den Zusammenbruch auf der iberischen Halbinsel verantwortlich gewesen. Was zu dieser Trennung führte, sei laut Prieto weiter unklar.

Wie die spanische Zeitung "El Pais" unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, seien um 12.33 Uhr plötzlich und bislang ohne erkennbaren Grund 15 Gigawatt aus dem Stromnetz verschwunden. Zu diesem Zeitpunkt entsprach das rund 60 Prozent des im gesamten Land verbrauchten Stroms.

Extreme Temperaturschwankungen

Im Nachbarland Portugal kursierte am Dienstag bereits eine Erklärung: Die Probleme seien durch eine auf ein "seltenes atmosphärisches Phänomen" zurückzuführende Störung im spanischen Stromnetz verursacht worden, berichteten RTP und der britische Sender Sky News unter Berufung auf den portugiesischen Netzbetreiber REN. Auf Deutsch übersetzt teilte ein Sprecher von REN demnach mit: "Aufgrund extremer Temperaturschwankungen im Landesinneren Spaniens kam es zu anomalen Schwingungen in den Höchstspannungsleitungen (400 kV)."

Das Phänomen sei auch als "induzierte atmosphärische Vibration" bekannt. Die Schwingungen führten demnach zu Synchronisationsfehlern zwischen den elektrischen Systemen und daraufhin zu aufeinanderfolgenden Störungen im europäischen Verbundnetz. Der Betrieb werde schrittweise wiederhergestellt, die vollständige Normalisierung des Netzes könne "aufgrund der Komplexität des Phänomens" aber eine Woche dauern.

Möglicher Ausfall bei Solarstrom

Die Staatliche Meteorologische Agentur (Aemet) in Spanien schloss ein seltenes atmosphärisches oder Wetterereignis als Ursache jedoch wenig später aus. Auch der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica wies diese Theorie in einer Pressekonferenz am Dienstagmittag zurück.

Der Direktor für Netzbetriebsdienste bei REE, Prieto, sprach laut "El País" von "zwei aufeinanderfolgenden Erzeugungsausfällen", die um 12.32 Uhr mit einem Zeitabstand von nur eineinhalb Sekunden aufgetreten seien. Das System habe sich vom ersten Ereignis erholen können, nicht aber vom zweiten, das schließlich die gesamte Versorgung auf dem spanischen Festland lahm legte.

Demnach habe der Stromausfall im Südwesten Spaniens seinen Ursprung. Es sei "sehr gut möglich", dass es sich bei der betroffenen ausgefallenen Erzeugung um Solarstrom handele. Extremadura ist eine der Regionen mit der höchsten installierten Photovoltaikkapazität in Spanien. Zur Zeit des Stromausfalls sollten rund drei Viertel des spanischen Strombedarfes durch Solar- und Windenergie gedeckt werden – der weit überwiegende Teil davon aus Photovoltaik-Anlagen.

Simón Martín, Professor am Fachbereich Elektrotechnik der Universität León, sagte gegenüber "ntv" Wind- und Solarkraft seien in Spanien die wichtigsten erneuerbaren Technologien, gefolgt von Wasserkraft. Diese Technologien böten, anders als thermische Kraftwerke, "keinen Puffer", wenn es zu Schwankungen im Netz komme. Eine zeitgleiche "Entkopplung von Solar- und Windkraftanlagen" hätte demnach den Zusammenbruch des Systems begünstigen können.

Keine Hinweise auf Cyberangriff

Für eine andere mögliche Ursache fehlen derweil Belege. Spaniens nationales Institut für Cybersicherheit hatte laut der Zeitung "El País" mitgeteilt, es untersuche, ob ein Hackerangriff hinter dem Stromausfall stecken könnte. Nach Angaben des portugiesischen EU-Ratspräsidenten António Costa gibt es derzeit aber keinen Hinweis auf eine solche Cyberattacke.

Ähnlich äußerte sich Cybersicherheitsexperte Lukasz Olejnik auf "X". "Es gibt kein eindeutiges Anzeichen, das uns mit Sicherheit sagen lässt, dass dieser Stromausfall durch einen Cyberangriff verursacht wurde." Alle bisherigen Beobachtungen könnten demnach auch durch normale, nicht böswillige Ursachen erklärt werden.

Der spanische Netzbetreiber REE schloss am Dienstagmittag aus, dass der Stromausfall auf einen Cybersicherheitsvorfall zurückzuführen sei. Es habe keinen Eingriff in das Netzkontrollsystem gegeben, so Netze-Chef Prieto. Ob ein menschlicher Fehler aufgetreten sei, könne derzeit noch nicht beurteilt werden.

Dennoch kündigte der Nationale Gerichtshof von Spanien am Dienstagnachmittag eine Untersuchung an, ob ein Cyberangriff hinter dem Stromausfall stecke. Auch eine mögliche Sabotage soll geprüft werden. Das berichtet die französische Nachrichtenagentur "AFP".

Anfällig für Frequenzabweichungen

Bruno Burger, Energieexperte vom Fraunhofer-Institut ISE in Freiburg, verwies gegenüber dem Nachrichtensender "ntv" darauf, dass Spanien und Portugal vergleichsweise schlecht an das europäische Verbundnetz angeschlossen seien. Die Leitungen zwischen Frankreich und Spanien seien sehr schwach, so der Fraunhofer-Professor. "Portugal hat sowieso nur Spanien als direkten Nachbarn", da könne niemand einspringen, wenn es östlich des Landes zum Schadensfall komme.

Nach dem Stromausfall seien Speicherwasser- und Pumpspeicherkraftwerke rasch wieder ans Netz genommen worden. Die ersten Regionen seien nach wenigen Stunden bereits mit Strom versorgt gewesen. Ein größeres Problem seien jedoch klassische Kraftwerke, die den Großteil der Energie liefern. "Die Kernkraftwerke wurden komplett vom Netz genommen und können nach einer Schnellabschaltung erst nach einem Tag wieder Strom erzeugen", so Burger weiter. Erst wenn die Versorgung in einem Gebiet wiederhergestellt sei, könnten sich die Verbraucher zuschalten.

Für Paul Harremann, Chef von Energy Montel Analytics, kam der Vorfall nicht überraschend. "Länder, die am Rande des europäischen Synchronnetzes liegen und stärker von diesem isoliert sind, neigen leichter zu Netzfrequenzabweichungen", heißt es auf der Website des Unternehmens. In Inselsystemen wie Großbritannien und Irland oder Halbsystemen wie Italien und Spanien sei die "synchrone Wechselstromverbindung" mit anderen Ländern viel geringer, was zu einem anfälligeren Netz führe.

Im Gegensatz dazu sei Deutschland "von vielen anderen Ländern umgeben und mit Wechselstromverbindungen verbunden, in denen Anlagen betrieben werden, die die Netzfrequenz stabilisieren", so Harremann weiter. Komme es wegen eines Kraftwerksausfalls zu einer Abweichung, gebe es genügend flexible Kapazitäten, "um die Frequenz abzufangen, bevor sie aus dem Ruder läuft". Das verschaffe Zeit, um andere Erzeugungskapazitäten hochzufahren und "die Lücken zu schließen oder andere Maßnahmen zu ergreifen".

Bundesnetzagentur sieht keine Gefahr

In Deutschland ist ein umfangreicher Stromausfall wie in Spanien und Portugal nach Angaben der Bundesnetzagentur kaum zu befürchten. "Ein großflächiger, langanhaltender Blackout ist in Deutschland unwahrscheinlich", teilte die Behörde in Bonn auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Das deutsche Stromnetz sei redundant ausgelegt. Das bedeute, dass der Ausfall einer Leitung von einer anderen Leitung aufgefangen würde. Sicherungsmechanismen würden zudem kontinuierlich auf ihre Eignung geprüft und bei Bedarf angepasst.

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, erklärte am Montagabend in der "ARD-Tagesschau", dass ein solcher Fall "sehr unwahrscheinlich" sei und in Deutschland so auch noch nicht vorgekommen sei. "Wir haben mehrere Sicherungssysteme im deutschen Stromnetz". Hinzu kämen sogenannte schwarzstartfähige Kraftwerke, die ein Stromnetz nach einem Blackout wieder aufbauen könnten. "Das heißt, Deutschland ist gut vorbereitet", so Müller.

Von einem "ersten Blackout in Europa", spricht Hans-Walter Borries, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen. Sowohl was die Reichweite als auch die Dauer des Stromausfalls angehe, sei der Vorfall einzigartig. Auch auf Deutschland könnten solche Ausfälle Auswirkungen haben, so der Lehrbeauftragte an der Hochschule Magdeburg-Stendal weiter. "Netze in einzelnen europäischen Ländern sind Teil eines großen Wirkungsgefüges und lassen sich bislang nicht an der Landesgrenze abschalten."

Derzeit könne Deutschland dank konventioneller Erzeugungsanlagen auf Frequenzabfälle wie in Spanien reagieren. "Solange wir nicht über ausreichende Speicherkapazitäten verfügen, sind wir auf konventionelle Erzeuger angewiesen, um solche Schwankungen abzufangen", so Borries weiter. Daher brauche es künftig ein regelmäßiges Energiewende-Monitoring, um die Systemsicherheit des deutschen Stromnetzes sicherzustellen. (mit Material der Deutschen Presse-Agentur)