Strom

Im richtigen Takt: Inselnetzbetrieb allein mit Erneuerbaren – und vielen Haushalten

An einem bundesweit bislang einzigartigen Inselnetzversuch der LEW-Netztochter nahmen über 1100 Haushalte teil. Projektleiter Georg Kerber schildert der ZfK detailreich, den Ablauf und die Klippen, die dabei umschifft wurden.
25.03.2018

Das Wasserkraftwerk Feldheim war in alle Versuchsphasen eingebunden.

Die Lechwerke, deren Versorgungsgebiet in Bayerisch-Schwaben ist, haben eine Vielzahl von Ökostromanlagen: Insgesamt sind dort fast 73 000 EEG-Anlagen angeschlossen, die etwa 5,7 Mrd. Kilowattstunden Strom ins Netz der Augsburger einspeisen.

Ideale Testbedingungen also, um zu erproben, wies sich im Falle eines großflächigen Stromausfalls eine lokale und stabile Stromversorgung durch erneuerbare Energien vor Ort realisieren lässt. Das Projekt LINDA der Netztochter LEW Verteilnetz GmbH (LVN) untersucht genau dies. Zusammen mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie hat der Netzbetreiber vergangene Woche den dritten und anspruchsvollsten Feldversuch gestartet. Konkret nahmen 1100 Haushalte, 185 PV-Anlagen sowie zwei Wasserkraftwerke und eine Biogasanlage teil. Eine weitere Besonderheit war, dass die PV-Anlagen technisch nicht nachgerüstet werden mussten, so dass sich das Projekt auch gut auf andere übertragen lässt.

LINDA läuft schon seit zwei Jahren

Begonnen hatte die Forschungspartner im September 2016 mit einem ersten Feldversuch. Dort wurden im Ortsteil Feldheim in der Gemeinde Niederschönenfeld, Landkreis Donau-Ries, zwischen dem dortigen Wasserkraftwerk und einer Biogasanlage im Ort ein funktionsfähiges Inselnetz aufgebaut. Im zweiten Schritt im vergangenen Jahr weiteten die Projektpartner den Versuch auf fast alle Ortsnetzstationen in der Gemeinde und die dort angeschlossenen Photovoltaik(PV)-Anlagen aus.

Ein wichtiger Schritt, wie Projektleiter Georg Kerber von den LVN unterstreicht: "Der Feldversuch war nur aufgrund der Erfahrung der vorhergehenden zwei in diesem Umfang möglich". Für so einen Versuch müsse man die Generatoren und deren Verhalten, aber auch das der PV-Anlagen und Verbraucher sehr gut kennen, unterstreicht Kerber.

Der dritte Feldversuch ging über sechs Stunden und ist der umfassendste Inselnetzversuch in Deutschland auf Basis von erneuerbaren Energien, heben die LVN hervor. Das Projektteam umfasste rund 60 Personen an verschiedenen Standorten, der Versuch selbst war in zwei Phasen eingeteilt:

Der Ablauf

Gegen 8 Uhr startete die erste Phase: Die LEW-Leitstelle übergab die Betriebsführung für die Ortsnetze von Niederschönenfeld, Feldheim sowie einem Teil der Stadt Rain am Lech an das Projektteam. Dann baute die Netztochter die Inselversorgung auf.

Das heißt zunächst musste eine ausgeglichene Leistungsbilanz zwischen der Erzeugung der Wasserkraftwerks in Feldheim und der PV-Anlage in den Ortschaften sowie dem Verbrauch der Haushalte erzielt werden. Eine halbe Stunde später entkoppelte das Projektteam das Inselnetz vom regionalen Verteilnetz. – die angeschlossenen Haushalte merkten davon nichts. Das Inselnetz wurde zudem von zwei Standorten aus gemeinsam geführt.

Erste Phase mit der Stadt Rain und deren Wasserkraftwerk

Anschließend setzten die Partner mehr als 100 Schritte des umfassenden Versuchsplans um. So wurde in verschiedenen Konstellationen untersucht, wie sich das Inselnetz auf die angeschlossenen Erzeugungsanlagen bei Veränderungen der Stromlast verhalten. Dazu wurden sogenannte Lastbänke eingesetzt, die verschieden hohe Lasten im Stromnetz simulierten.

Um 9:45 Uhr weitete das Projektteam den Inselnetzbetrieb auf das Wasserkraftwerk Rain aus und führte weitere Versuche mit verschiedenen Lastkonstellationen durch. Um halb Eins war die erste Phase geschafft: Das Inselnetz wurde unterbrechungsfrei wieder mit dem Verbundnetz synchronisiert und verbunden.

Zweiter Feldtest – diesmal mit Biogas-Anlage

Am Mittag ging der Feldtest in die zweite Phase: Um 13:10 schaltete das Projektteam die Ortsnetze wieder in den Inselnetzbetrieb. Nun speiste neben den beiden Wasserkraftwerken und den rund 185 PV-Anlagen in den Ortschaften auch eine Biogasanlage in das Netz. Bei den anschließenden Untersuchungen lag der Fokus auf dem Verhalten der Biogasanlage und ihrem Zusammenspiel mit den anderen Einspeisern. "Wenn genügend Erzeugungsleistung aus einer Biogasanlage zur Verfügung steht, könnte diese prinzipiell die Rolle des Führungskraftwerks im Stromnetz übernehmen. Das hat sich im Versuch bestätigt", sagt Projektleiter Kerber. Um halb Drei schließlich war der Feldversuch fertig. In den nächsten drei Monaten sollen die Daten und Erkenntnisse dazu ausgewertet werden.

Ab- und Zurückschalten als größte Herausforderung

"Größte Herausforderung war das Schalten in den Inselnetzbetrieb und die Rücksynchronisierung mit dem Verbundnetz", erzählt  Kerber. Der Versuch habe jedoch gezeigt, dass dies überraschend leicht möglich war. In der ersten Phase kam zudem eine einfachere Methode der  Resynchronisation zum Einsatz, die sogenannte Festfrequenzregelung. "Hier haben wir uns über die steigende PV-Leistung bei langsam steigender Frequenz im genau richtigen Moment ans Verbundnetz gekoppelt", so Kerber.

Erste Planungen hatte man dem Projektleiter zufolge schon im Oktober begonnen. Einen Monat später gab es  im Wasserkraftwerk Rain einen Probelauf, um die richtigen Parameter für die Synchronisierungseinrichtungen festzustellen und evelltuelle Fehlsynchronisationen auszuschließen. Von Januar an "haben wier uns fast ausschließlich mit der Vorbereitung des Versuchs beschäftigt", sagt Kerber.

Anfängliche Probleme

Zu Beginn haben man etwa die Verbraucherlast im hinzukommenden Ortsteil von Rain unterschätzt. "Hier mussten wir kurzfristig die Generatorenkennlinie adaptieren", sagt Kerber. Aufgrund der vorher gemachten Erfahrungen und dem Know-how der Partner – sowohl in Theorie als auch in Umsetzung – habe man dies aber binnen weniger Minuten korrigieren können.

"Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf des Feldversuchs und erleichtert, dass alles so geklappt hat, wie wir es berechnet und geplant hatten", sagt Kerber. Dies sei nur Dank eines starken Teams und kompetenten Partnern möglich gewesen, ebenso die Bereitschaft vieler, die dem Projekt offen gegenübergestanden hätten. (sg)