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Speicher der Zukunft: Welche Technologien sind aktuell in Sicht?

Der Speichermarkt steht vor einem Umbruch. Branchenvertreter diskutieren beim Handelsblatt kontrovers über Kosten und Resilienz. Ein Überblick.
09.10.2025

Diskutierten bei der Handelsblatt-Tagung "Energiespeicher 2025" am Dienstag: Constantin Eis (Mitte), CEO des Speicherherstellers CMBlu Energy, und Alexander Michaelis, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS.

Von Julian Korb

Der Speichermarkt steht vor einem technologischen Umbruch. Bislang dominieren weltweit und auch in Deutschland Lithium-Ionen-Speicher. Ob das so bleibt, ist fraglich.

Branchenvertreter diskutierten am Montag und Dienstag beim Energiespeicher-Kongress des Handelsblatts über Kostenvorteile, Rohstoffsicherheit und Skalierbarkeit – und machen deutlich: Es gibt nicht die eine Zukunftstechnologie, sondern ein Fragment aus verschiedenen Ansätzen, die je nach Anwendungsfall unterschiedliche Stärken zeigen. Hier ein kompakter Überblick über die jüngsten Einschätzungen aus Expertenkreisen.

Natrium als preiswerte Alternative

Natriumchlorid als Rohstoff ist weltweit reichlich vorhanden und preiswert. Für Natrium-Ionen-Batterien sprechen Sicherheitskennzahlen und Temperaturstabilität; für stationäre Anwendungen könnten diese Vorteile besonders relevant sein. In der Mobilität bleibt die Energiedichte von Natrium-Ionen derzeit hinter Lithium-Ionen zurück.

Laut dem Fraunhofer-IKTS-Vertreter Alexander Michaelis sei der Schritt hin zu "massiver Produktion" bereits sichtbar, finde bislang jedoch überwiegend in China statt. Deutschland könnte durch gezielte industrielle Bündnisse und Fertigungskapazitäten nachziehen. Dafür müsse die Politik aber schnell handeln, bevor sich das Zeitfenster schließe.

So hat etwa der chinesische Zellhersteller CATL unlängst angekündigt, bereits 2026 mit der Massenproduktion von Natrium-Ionen Akkus zu beginnen. Diese nutzen gewöhnliches Kochsalz statt Lithium. Sie erreichen zwar eine geringere Energiedichte als Lithium-Ionen-Speicher, sollen aber bis 2030 auch um bis zu 60 Prozent günstiger produziert werden können.

Max Kory vom schweizerischen Speicherhersteller Phenogy betonte, dass es nicht die eine Natrium- oder Lithium-Ionen-Technologie gebe, sondern verschiedene Varianten. Insgesamt sei die Rohstoffverfügbarkeit bei Natrium besser, und auch die Temperaturstabilität sei vorteilhaft.

Lukrative Zink- und Flüssigsysteme

Flüssigbatterien, darunter Zink-Bromid, stoßen in der Praxis zunehmend auf offene Ohren bei Investoren, insbesondere Batterien für längere Speicherzeiten. Beispiele aus den USA zeigen, dass Zink-Bromid-Konzeptionen potenzielle wirtschaftliche Vorteile bieten können.

Einen Technologiesprung etwa verspricht die kürzlich in den USA vorgestellte Zink-Polyiodid-Redox-Flow-Batterie des Unternehmens BESSt Company. Die Energiedichte soll bei dem System das bis zu 20-Fache herkömmlicher Vanadium-Redox-Flow-Systeme betragen. Die Batterie nutzt einen Elektrolyten auf Zink-Iodid-Basis, ist ungiftig und nicht brennbar. Die Markteinführung ist ab 2028 geplant – auch für europäische Märkte.

Redox-Flow-Batterien (RFB) standen auch im Zentrum der Diskussion beim Handelsblatt – speziell organische Varianten als Alternative zu Vanadium-Redox-Flow. Constantin Eis vom Hersteller CMBlu Energy unterstrich, dass Redox-Flow für Skalierbarkeit und Recyclingpotenzial stünde, die vollständige Massenfertigung jedoch eine zentrale Hürde darstelle. Deutschland besitzt eine lange Kompetenzbasis in diesem Feld, während Australien nach Covid verstärkt in Flüssigbatterien investiert habe.

Jens Noack vom Fraunhofer ICT verwies darauf, dass Deutschland eine traditionsreiche Kompetenzbasis in Redox-Flow habe – seit den 1950er Jahren. Internationale Entwicklungen zeigen zunehmendes Interesse, vornehmlich in Australien und China, wo die größten Batterien der Welt in RFB-Konzepten diskutiert würden. Ein zentrales Argument dabei: RFBs trennen Leistung und Energie, was die Skalierbarkeit erleichtert. Organische Redox-Flow-Varianten zielen zudem darauf ab, Rohstoffabhängigkeiten zu verringern. Denn diese gibt es auch beim Metall Vanadium.

Festkörperbatterien brauchen Zeit

Festkörperchemie verspricht zwar eine deutlich höhere Energiedichte und potenziell bessere Sicherheit, Branchenvertreter sehen Festkörperbatterien aber als Schlüsseltechnologie, deren breiter Markteintritt noch an Skalierungs- und Materialfragen scheitert. Gegenwärtig bleibt der Übergang zu einer dominierenden Festkörperlösung offen. Ein Marktdurchbruch ist frühestens gegen Ende des Jahrzehnts zu erwarten.

Lithium-Dominanz hält an

Nickel- und Lithium-Ionen-Batterien genießen nach vier Jahrzehnten Entwicklung robuste Produktionskapazitäten, etablierte Lieferketten und gut ausgebaute Recyclingpfade. Michael Sterner, Hochschulprofessor an der OTH Regensburg, plädierte dafür, Zellen importieren und Bundles in Deutschland mit heimischen Wechselrichtern zusammensetzen zu lassen, um die Wertschöpfung im Inland zu behalten.

Gleichzeitig betonte der Wissenschaftler, dass die komplette Ablösung von Lithium-Ionen nicht kurzfristig zu erwarten sei. Natrium-Ionen und Redox-Flow böten je nach Anwendungsfall aber klare Vorteile, insbesondere hinsichtlich Kosten, bei Rohstoffabhängigkeiten und spezifischer Langzeitstabilität.

Rohstoffe rücken in den Mittelpunkt

Die Diskussion kreiste dabei um Lieferkettenrisiken, vorwiegend in China. Die Frage nach regionaler Wertschöpfung, lokaler Produktion und Recyclingfähigkeit werde drängender, waren sich die Diskutanten einig. Auch das Potenzial für längere Speicherzeiten in bestimmten Technologien, wie etwa Flüssigbatterien, war ein Thema.

Eine Mischstrategie dürfte für Deutschland daher sinnvoll sein. Lithium-Ionen bleiben die robuste Basistechnologie mit etablierter Infrastruktur, zuverlässigen Lieferketten und gut entwickeltem Recycling. Gleichzeitig bieten Natrium-Ionen, Redox-Flow-Systeme und potenziell auch Zink-Luft- sowie Zink-Bromid-Lösungen klare Vorteile in spezifischen Anwendungsfeldern — etwa bei stationären Großspeichern, langfristigen Speicherzeiten oder regionaler Wertschöpfung.

Außerdem lässt sich festhalten: Der Speichermarkt bewegt sich nicht auf eine einzige Lösung zu. Vielmehr gewinnen Projekte an Relevanz, in denen je nach Anwendungsfall unterschiedliche Speichertechnologien koexistieren und sich gegenseitig ergänzen.

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