WärmeZfK Wärmewende

"Geothermie ist kein Plug and Play"

Über die Wärmewende in Schwerin sprach die ZfK mit dem zu Ende März scheidenden Geschäftsführer der Stadtwerke Schwerin (SWS) Josef Wolf und SWS-Geschäftsführer Hanno Nispel.
24.03.2025

Hanno Nispel (li.) und Josef Wolf führen die Stadtwerke Schwerin.

Herr Wolf, die Wärmeversorgung in Deutschland soll klimaneutral werden. Wie steht es um die Wärmewende und die kommunale Wärmeplanung in Schwerin?
Wolf: Das ist eine Mammutaufgabe und – wie wir meinen – eine Gemeinschaftsaufgabe. Die Landeshauptstadt Schwerin, Stadtverwaltung und Stadtwerk haben die Verpflichtung dazu, den Bürgerinnen und Bürgern eine Lösung anzubieten. Wir haben uns dazu schon 2023 mit der Stadt als unserer Gesellschafterin abgestimmt. Schwerin hat die kommunale Wärmeplanung im Februar offiziell gestartet. Den Großteil der Bestands- und Potenzialanalyse haben wir als Stadtwerk bereits erarbeitet. Wir haben bereits seit dem Jahr 2010 ein übergreifendes Energiekataster und schauen auch auf die Entwicklungspotenziale, zum Beispiel durch Unternehmen wie Nestlé.

Herr Nispel, wie weit sind Sie mit der Transformation und wie grün ist Ihre Wärme aktuell?
Nispel: Heute wird in Schwerin bereits zu 45 Prozent mit Fernwärme, zu 52 Prozent mit Erdgas und zu drei Prozent mit Öl geheizt. Wir erzeugen die Fernwärme zum größten Teil über unsere Kraftwerke, aber auch mit Erdgas. Die Transformationsaufgabe ist für uns mit diesem hohen Fernwärmeanteil umso größer. Insgesamt kommen wir auf eine Wärmemenge von circa 420 Gigawatt pro Jahr und maximal 160 Megawatt Leistung zu Spitzenzeiten, die wir abdecken müssen. Die Wärme erzeugen wir mit zwei Gaskraftwerken in Kraft-Wärme-Kopplung, einer Biogasanlage und zum Teil schon mit Geothermie. Aktuell beträgt der Anteil grüner Fernwärme circa 15 Prozent.

"Herausforderung für alle Stadtwerke"

Diesen Anteil bis zum Jahr 2040 auf 80 Prozent zu erhöhen, ist eine Herausforderung für alle Stadtwerke. Man muss sich intern zunächst organisieren und die notwendigen Prozessabläufe schaffen. Bei dem Thema Transformationsplanung bearbeiten wir bis zu 30 Projekte gleichzeitig. Wir haben bereits sämtliche Wärmebedarfsdichten ermittelt und betrachten jetzt gemeinsam mit der Stadt die einzelnen Quartiere. Dabei verfolgen wir, neben der technischen Machbarkeit, eine Art volkswirtschaftlichen Ansatz und wägen ab, welche Wärmeversorgung letztlich gesamtwirtschaftlich am sinnvollsten ist: Fernwärme, Quartierslösungen oder aber Wärmepumpen. Der Transformationsplan soll in einer ersten Stufe Mitte 2026 stehen.

Welchen Stellenwert messen Sie der Fernwärme bei und wie viele Haushalte sind bereits an das Netz angeschlossen?
Wolf: Aktuell sind rund 64 Prozent der Haushalte an das 240 Kilometer lange Netz angebunden. Langfristig, das heißt bis zum Jahr 2035, sollen 80 Prozent der Schweriner Haushalte mit Fernwärme versorgt werden können. Alle Neubauten der vergangenen Jahre wurden im Prinzip schon an das Fernwärmenetz angeschlossen. Fernwärme ist also unser Mittel der Wahl, besonders im innerstädtischen Bereich, mit seinen hohen Wärmedichten. Klar ist gleichzeitig auch: Sie ist nicht überall einsetzbar. So setzen wir in den Randbezirken auf Quartierslösungen beziehungsweise Luftwärmepumpen.

Wie reagieren potenzielle Kundinnen und Kunden auf den Fernwärmeausbau?
Nispel: Wir sind bisher noch nicht aktiv in die Kommunikation gegangen. Ein Grund ist, dass die Landeshauptstadt ein Jahr auf Fördermittel aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze warten musste und erst jetzt richtig loslegen kann. Wir haben die Zeit natürlich intern genutzt. Am Ende ist es als Stadtwerk unsere Aufgabe, den Bürgerinnen und Bürgern effiziente Lösungen anzubieten.

Welche sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bis zur Klimaneutralität?
Nispel: Eine der größten ist der Finanzbedarf. Die Verbände VKU und BDEW beziffern die Kosten auf circa 740 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. Woher soll dieses Geld kommen? 2030 ist in fünf Jahren. Und selbst wenn wir es hätten, ist da noch die Umsetzung. Denn dabei hilft uns auch keine künstliche Intelligenz, sondern wir brauchen am Ende den Baggerfahrer, der die Leitungen unter die Erde bringt, sowie die Akzeptanz der Bevölkerung.

"Wir haben Erfahrungen gesammelt"

Wie schätzen Sie das Potenzial der Geothermie ein und wie steht es um Ihre Geothermieanlage in Schwerin-Lankow?
Wolf: Erste Überlegungen zur geothermischen Nutzung bei uns gab es bereits im Jahr 2000. Schon zu DDR-Zeiten wurde viel gebohrt, da jedoch mit der Hoffnung, Gas zu finden. Wir waren überrascht, dass es in der Nähe von Schwerin mehrere Tiefenbohrungen gab. Baustart unserer Anlage in Lankow mit einer Wärmeleistung von sieben Megawatt war schließlich im Jahr 2018. Unser großes Ziel ist es, sie ganzjährig zu betreiben. Wir mussten leider feststellen, dass Geothermie alles andere als Plug and Play ist. Wir haben also unsere Erfahrungen gesammelt. Aber am Ende auch festgestellt, dass man die Probleme in den Griff bekommt. In unserem Fall finden sich lose Sande und Tonspuren im Untergrund, die wir herausfiltern müssen. Wir sind soweit, dass die Anlage läuft. Denn wir haben eine gute Lösung gefunden, die wir jetzt umsetzen werden.

Planen Sie weitere Anlagen?
Nispel: Unsere Aufgabe ist es, die Bürgerinnen und Bürger mit der günstigsten grünen Wärme zu versorgen. Und dafür bildet die Geothermie einen Baustein, der auch im Vergleich zu anderen Optionen konkurrenzfähig sein kann. Wir möchten die geologischen Gegebenheiten in Schwerin und im Umland noch intensiver erkunden. Nach dem, was wir schon wissen, haben wir gute Voraussetzungen, um Schwerin über die bestehende Anlage hinaus mit Wärme aus dem Aquifer versorgen zu können.

Welche Rolle wird bei Ihnen Wasserstoff spielen?
Wolf: Wir haben uns bereits früh mit dem Thema Wasserstoff beschäftigt; auch wegen des Schweriner Industrieparks Göhrener Tannen. Dort finden sich auf 300 Hektar auch energieintensive Unternehmen. Der Nestlé-Konzern etwa verarbeitet dort zum Beispiel Kaffee. Unsere Kraftwerke sind wasserstoff-ready, darauf haben wir bei dem Kauf der neuen Gasturbinen geachtet. Für die Anlagen wäre eine Anbindung an das Wasserstoffnetz auch eine Art Lebensversicherung.

"Im Moment gibt es noch Unsicherheiten"

Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung?
Wolf: Wir wollen dekarbonisieren. Aber natürlich ist der Ausbau von Geothermie zunächst mit erheblichen Investitionen verbunden. Im Moment gibt es noch Unsicherheiten, wie diese Investitionen oder andere Mehrkosten in den Fernwärmepreisen abgebildet werden dürfen. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld und wir fordern hier mehr Planungssicherheit. Wir begrüßen daher das geplante Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern. Selbstverständlich müssen dabei das Thema Trinkwasser und der Ressourcenschutz beachtet werden. Allerdings benötigen Unternehmen transparente Prozesse.

Nispel: Wir können aber nicht nur abwarten, bis ein Gesetz durch Bundestag und Bundesrat genehmigt worden ist. Wir verfolgen diese Gesetzgebungsverfahren, die gerade für uns als mittelgroßes Stadtwerk immanent wichtig sind. Wir haben aber auch schon heute eine Reihe von Hausaufgaben und arbeiten diese ab. Mit gesicherter Planung und einer gesicherten Kapitalausstattung für die Stadtwerke werden wir die Wärmewende umsetzen. Das ist unsere Aufgabe als lokales Unternehmen und unsere Verpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

Ein gutes Schlusswort! Ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Daniel Zugehör