WärmeZfK Wärmewende

"Geothermie ist unser unterschätzter Wärmeschatz"

Das geothermische Potenzial in Deutschland ist groß und es zu bergen, risikoreich. Sorgfältige Planung ist für Kommunen und Stadtwerke unerlässlich.
09.04.2025

Meusel: "Das Bohrrisiko ist je nach Technologie kalkulierbar."

Geothermie kann eine tragende Säule der kommunalen Wärmeplanung sein – wenn sie richtig eingesetzt wird. Sadko Meusel, Geschäftsführer des Planungsbüros R2S-Geotherm aus Freiberg (Sachsen), spricht im Interview über wirtschaftliche Aspekte, technologische Entwicklungen und die Chancen für kleinere Versorger. R2S-Geotherm gehört zu dem Ingenieurdienstleister Transflow.

Herr Meusel, Sie haben sich auf geothermische Potenzialanalysen für Kommunen und Stadtwerken spezialisiert. Wie groß ist das Potenzial in Deutschland – auch vor dem Hintergrund von kommunaler Wärmeplanung und Wärmewende?

Tatsächlich ist das geothermische Potential in Deutschland enorm. Wenn die Technologie richtig ausgelegt wird, ist Erdwärme die einzige nahezu CO2-neutrale und grundlastfähige Wärmequelle, welche wir in Deutschland zur Verfügung haben. Nahezu bedeutet hier, dass je nach Technologie mal mehr oder weniger Energie für Zirkulationsprozesse oder Wärmepumpen bereitgestellt werden muss, welche bekanntlich nicht immer CO2-neutral ist. Bis 400 Meter Tiefe wird von oberflächennaher, durch die Sonne indizierte Geothermie gesprochen. Darunter spricht man von tiefer Geothermie aus dem Erdinneren. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung sehen wir Geothermie als einen elementaren Baustein. Je niedriger die Netztemperaturen sind, desto einfacher wird es, geothermisches Potential wirtschaftlich zu heben. In unseren Gutachten erarbeiten wir zusammen mit den Kunden den Ist- und den Sollzustand und spielen die möglichen Szenarien durch, um die optimale Lösung für den jeweiligen Kunden herauszuarbeiten.

Geothermieprojekte sind teuer und risikoreich. Kann sich die Technologie dennoch auch für kleinere Versorger lohnen?

Teuer ist relativ, und genau genommen müsste sich die Frage auf eine konkrete Technologie beziehen. Letztlich gilt es, immer das Optimum zwischen Investitions- und Betriebskosten zu ermitteln. Aktuell finden wir es sehr spannend, oberflächennahe und tiefe Systeme gegenüberzustellen. Ein Sondenfeld mit 1 Megawatt (MW) Leistung bei 40° Celsius Vorlauf kostet mit Wärmepumpe schnell 4 Millionen Euro, bei Betriebskosten von 500.000 Euro. Eine Vakuumkoaxialsonde für tiefe Geothermie kostet deutlich mehr, aber die Betriebskosten liegen bei 100.000 Euro. Zum Schluss ist entscheidend, was kostet die Megawattstunde (MWh) auf 25 oder 50 Jahre gerechnet. Wir müssen uns aber nichts vormachen. Die Rahmenbedingungen sind nicht ideal. Eine Förderung kann schnell zu einer Verteuerung führen. Regularien behindern ausländische Unternehmen der Tiefbohrtechnik beim Markteintritt, damit fehlt schlichtweg wichtiger Wettbewerb und Innovation. Das Bohrrisiko ist je nach Technologie kalkulierbar. Hier ist eine gute ingenieurgeologische Betreuung wichtig.

Ihr Unternehmen kann nach eigenen Angaben unterschiedliche Anwendungsfälle modellieren – wie ist die Resonanz der Kundinnen und Kunden?

Tatsächlich ist die Resonanz auf unsere Studien durchweg positiv. Für kleinere Stadtwerke und Kommunen ist es nur schwer möglich, sich mit der Vielzahl an Technologien am Markt auseinanderzusetzen, diese zu bewerten und als ein Baustein im Rahmen einer Wärmeplanung sinnvoll anzuwenden. Hier punktet unser interdisziplinäres Team aus Ingenieuren. Dazu kommt unsere eigene referenzierte Software, entwickelt von Frieder Häfner an der TU Bergakademie Freiberg. Sobald eine neue Technologie am Markt auftaucht, zum Beispiel zuletzt die Multi-U-Rohr- oder Splitsonde im Bereich oberflächennaher Geothermie oder das "EavorLoop"- oder "DualVac"-Verfahren im Bereich tiefer Geothermie, erfassen wir die konstruktive Ausführung und bilden diese in unseren Simulationen nach. Abgerundet wird die technische Bewertung mit einer quantitativen Investitions- und Betriebskostenabschätzung, die wir zusammen mit Simon Glöser-Chahoud von der Bergakademie entwickelt haben.