"Bis zum letzten Krümel" – Europäische Woche der Abfallvermeidung
Von Hanna Bolte
Die jährlich stattfindende Europäische Woche der Abfallvermeidung (EWAV) ist die größte Kommunikationskampagne in Europa zum Thema Abfallvermeidung und Wiederverwendung. Sie richtet sich an Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft und hat das Ziel das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu schärfen und Auswege aus der Wegwerfgesellschaft aufzuzeigen.
Die Kampagne wurde im Jahr 2008 auf Initiative der Europäischen Kommission ins Leben gerufen und wird seit 2014 vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) koordiniert und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unterstützt. Das Umweltbundesamt (UBA) fungiert als fachlicher Ansprechpartner.
Diskrepanz zwischen Planung und Realität
Unter dem diesjährigen Motto "Bis zum letzten Krümel: Lebensmittel sorgsam nutzen" nutzten bereits bei der Auftaktveranstaltung zahlreiche Redner:innen die Plattform, um auf die enormen Abfallmengen sowie auf Vermeidungsstrategien und -ansätze aufmerksam zu machen.
Alleine in Deutschland entstehen jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle. Dabei entfallen ganze 60 Prozent auf private Haushalte. Alexander Danzer, Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der Universität Eichstätt, erklärt diese Zahlen unter anderem mit einem verhaltensökonomischem Prinzip: Menschen planen mittels langfristigen Denkens, entscheiden aber oft impulsiv.
Übertragen auf den Lebensmittelkonsum führe dieses Verhalten beispielsweise dazu, dass Menschen eine gesunde Mahlzeit planen und die entsprechenden Zutaten einkaufen. Aufgrund von Zeitmangel, Müdigkeit, Stress und anderen Faktoren entscheiden sie sich dann aber kurzfristig für eine Tiefkühlpizza. Die geplanten und gekauften Produkte verderben und werden schließlich weggeworfen.
Lebensmittelabfälle in Deutschland halbieren
Um solche Verhaltensmuster zu durchbrechen, bedarf es eines breiten Spektrums an Maßnahmen. Dazu gab Anke Niederhaus, Referatsleiterin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), einen Überblick über die Maßnahmen der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Februar 2019 vorgestellt hat.
Das Vorhaben soll Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelkette reduzieren. Ziel des BMEL ist es, die Lebensmittelabfälle in Deutschland bis 2030 zu halbieren und Lebensmittelverluste zu reduzieren.
"Zu gut für die Tonne"
Besonders im Fokus der Ausführungen stand die Initiative "Zu gut für die Tonne". Mit dem Ansatz "Mehr Wertschätzung, weniger Verschwendung" soll die Initiative Verbraucher:innen sowie Verantwortliche für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren und deren Verschwendung reduzieren.
Das Angebot an Informations-, Bildungs- und Werbematerialien, Tipps zur richtigen Lagerung von Lebensmitteln, Rezepten und Anleitungen zur Resteverwertung sowie Veranstaltungen soll für das Thema Wertschätzung von Lebensmitteln sensibilisieren und aufzeigen, wie Lebensmittelabfälle im Alltag reduziert werden können.
Lebensmittelstandards überdenken
Ein weiterer Ansatz, der angesprochen wurde, waren Möglichkeiten, Verschwendung bereits im Vorfeld zu vermeiden. Frederike Balzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundesamt, Fachgebiet Landwirtschaft hielt dazu einen Vortrag über mehr Natürlichkeit im Obst- und Gemüseregal.
Konkret meint Balzer damit die Abkehr von zu hohen Anforderungen an die Produkte, wenn es um Optik und gesundheitlich unbedenkliche Mängel geht. Um die Standards des Handels zu erfüllen, würden oft zusätzliche Ressourcen wie Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel eingesetzt und Lebensmittel, die die entsprechenden Kriterien trotzdem nicht erfüllen, kämen gar nicht erst in den Handel
Digitale Maßnahmen
Im letzten Teil der Veranstaltung wurden digitale Tools zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen vorgestellt. Neben der App zur Initiative "Zu gut für die Tonne" gaben auch die Unternehmen "To Good To Go" und "Foodforecast Technologies" Einblicke in ihre Anwendungen. Sie zeigten, wie bereits heute an verschiedenen Stellen der Verschwendung von Nahrungsmitteln entgegengewirkt werden kann.