Abfallwirtschaft

Kasselwasser: Detaillierte Machbarkeitsstudie zur Klärschlammverwertung

Zur Erfüllung der zukünftigen gesetzlichen Vorgaben haben mehrere Partner in Nord- und Osthessen unterschiedliche Verfahren – auch hinsichtlich der Kosten – verglichen.
15.06.2021

Die Ergebnisse der Studie zur Klärschlammverwertung werden allen Interessierten in der Region zur Verfügung gestellt.

Die rechtlich vorgegebene Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors ist technologisch und wirtschaftlich in Nord- und Osthessen machbar. Damit stehen Alternativen zur bislang vielfach praktizierten Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft zur Verfügung. Dies ist die Kernaussage einer vom Hessischen Umweltministerium, von Kasselwasser und von weiteren 38 Partnern aus Nord- und Osthessen finanzierten Machbarkeitsstudie.

Kasselwasser hatte hierbei die Federführung. Mit der Studie beauftragt wurde nach öffentlicher Ausschreibung die TransMIT GmbH, Gießen, eine Transfergesellschaft der mittelhessischen Hochschulen. Projektleiter waren Prof. Ulf Theilen und Prof. Harald Weigand von der Technischen Hochschule Mittelhessen sowie Prof. Diedrich Steffens von der Justus-Liebig-Universität in Gießen.

Großes Interesse bei den Betreibern in der Region

Kläranlagen mit mehr als 100.000 Einwohnerwerten sind ab 2029, solche ab 50.000 Einwohnerwerten ab 2032 zum Phosphorrecycling verpflichtet. Aber auch für viele kleinere und mittlere Kläranlagen wird die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung schwieriger, heißt es in einer Pressemitteilung von Kasselwasser. Denn die geforderte Minderung der Nährstoffeinträge in der Landwirtschaft kommt einer Verknappung der Ausbringungsflächen gleich.
 
Die Machbarkeitsstudie wurde aufgelegt, um für den Regierungsbezirk Kassel Konzepte für eine dauerhafte Entsorgungssicherheit aufzuzeigen. Für die Datenerhebung wurden die Betreiber aller 297 Kläranlagen in der Region angeschrieben. 84 Prozent aller Kläranlagenbetreiber zeigten sich interessiert an einer gemeinsamen Entwicklung von Entwertungskapazitäten.

Fünf Szenarien

Das regionale Klärschlammaufkommen beträgt knapp 21.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr; auf jeden angeschlossenen Einwohner entfallen somit jährlich 12,5 Kilogramm trockener Klärschlamm. Die darin enthaltene Phosphormenge beläuft sich auf knapp 550 Tonnen pro Jahr. Anhand der ausgewerteten Analysen entspricht die Mehrzahl der Klärschlämme bezüglich ihrer Schadstoffbelastung den Anforderungen der Düngemittelverordnung.

Ausgehend von einer Typisierung der Kläranlagen wurden im Rahmen der Studie insgesamt fünf Szenarien mit zentralen und dezentralen Lösungsansätzen entwickelt und hinsichtlich ihrer spezifischen Kosten bewertet:
 

  • Die landwirtschaftliche Verwertung von entwässertem Schlamm ergab sich als wirtschaftlichste Variante mit Kosten von ca. 350 Euro pro Tonne Trockenmasse entsprechend ca. 90 Euro pro Tonne entwässertem Klärschlamm, zuzüglich etwaiger Entwässerungskosten von ca. 100 bis 200 Euro pro Tonne Trockenmasse.
  • Deutlich teurer fällt dagegen die bodenbezogene Verwertung von Nassschlamm (785 Euro) aus.
    Beide Wege stehen kleinen Kläranlagen auch weiterhin offen.
  • Die zentrale Verbrennung von entwässertem Schlamm mit Phosphorsäureproduktion aus der Asche weist Behandlungskosten von 370 bis 470 Euro auf. Dies entspricht ca. 100 bis 110 Euro pro Tonne entwässertem Klärschlamm.
  • Eine vorgeschaltete dezentrale Trocknung ist trotz geringerer Transportkosten und niedrigerer Verbrennungspreise für den getrockneten Klärschlamm demgegenüber nicht rentabel.
  • Dezentrale Feuerungsanlagen mit direkter Verwertung der Asche in der Düngemittelindustrie liegen bei 495 bis 515 Euro pro Tonne Trockenmasse und können vor allem dann Sinn ergeben, wenn die regionale Wertschöpfung und die langfristige Unabhängigkeit von größeren Verbrennungsanlagen im Vordergrund stehen.

Nutzung mehrerer Entsorgungskonzepte

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass im Regierungsbezirk Kassel möglicherweise unterschiedliche Konzepte parallel zueinander umgesetzt werden können, heißt es in der Presseerklärung von Kasselwasser. Im Übrigen stellen die Inititatoren der Studie allen Abwasserbeseitigungspflichtigen in Nord- und Osthessen Grundlagendaten zur Verfügung, auf deren Basis die zukünftige Klärschlammentsorgung mit einer ressourcenschonenden Phosphorrückgewinnung neu geordnet werden kann.

Kasselwasser setzt seit 2018 Klärschlamm im Fernwärmekraftwerk an der Dennhäuser Straße ein. Das entspreche einem der entwickelten Szenarien "und trägt gleichzeitig dazu bei, den Ausstieg aus der Kohleverbrennung zu beschleunigen“, stellt der für Kasselwasser zuständige Stadtbaurat Christof Nolda heraus.

Klärschlamm statt Kohle
 
Die Verbrennung von Klärschlamm im Fernwärmekraftwerk Kassel sei ein entscheidender Baustein zur Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung und zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Kassel, heißt es weiter. Aktuell werden in dem Kraftwerk jährlich 100.000 Tonnen Kohle in ressourcenschonender Kraft-Wärme-Kopplung verbrannt.

„Bis zum Jahr 2025 werden wir aber vollständig auf Altholz, vor allem auch Klärschlamm umstellen. Das ist 13 Jahre vor dem von der Kohlekommission festgelegten spätesten Zeitpunkt 2038. CO2-neutrale Brennstoffe werden dann das Rückgrat der Kasseler Fernwärmeerzeugung sein. Kassel ist damit bundesweit Vorreiter in Sachen umweltfreundliche Wärmeerzeugung“, sagt Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle. (hp)