„Headhunter“kosten sind Teil des unternehmerischen Risikos

Das BAG hat entschieden: Eine Erstattungsklausel im Arbeitsvertrag ist kein rechtlich zulässiges Mittel für eine Mitarbeiterbindung.
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Nicole Elert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin bei PricewaterhouseCoopers.
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Ein Gastbeitrag von Nicole Elert und Anne Werschmann von PwC
Im Recruitingprozess fallen nicht selten Kosten für Dienstleister der Personalvermittlung an. Ebenso häufig versuchen Unternehmen, eine Bleibefrist zu vereinbaren und unter dem Aspekt der Reduzierung der Fluktuation die neu eingestellten Arbeitnehmer:innen an diesen Kosten bei einem aus ihrer Sicht zu vorzeitigen Ausscheiden zu beteiligen. So musste auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) sich mit der Frage befassen, wie weit „Retention Management“, also Mitarbeiterbindung, eigentlich gehen darf.
Das BAG entschied in diesem Zusammenhang, dass eine arbeitsvertragliche Klausel unwirksam sei, nach der ein Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, dem Arbeitgeber eine für das Zustandekommen seines Arbeitsvertrags an einen Dritten – zum Beispiel einen Headhunter – gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer vereinbarten Bleibefrist durch Eigenkündigung beende.
Anne Werschmann, Senior Associate, Rechtsanwältin, PricewaterhouseCoopers Legal.
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Die Entscheidung
Der Arbeitgeber wand für die Vermittlung des Arbeitnehmers knapp 6700 Euro für den Headhunter auf, wovon er zwei Drittel von dem Arbeitnehmer nach dessen Eigenkündigung ersetzt verlangte. Das BAG urteilte, dass der Arbeitgeber die an den Headhunter gezahlte Provision nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen könne.
Dies gelte selbst dann, wenn dieser nach Vertragsschluss innerhalb kurzer Zeit wieder kündige. Eine solche vertragliche Vereinbarung würde den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne des § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch unangemessen benachteiligen.
Erstattungspflicht unwirksam
Dabei ließ das BAG offen, ob die im Arbeitsvertrag geregelte Erstattungspflicht insgesamt unwirksam sei. Es entschied, dass der Arbeitgeber sich jedenfalls dann nicht auf die vertragliche Klausel berufen könne, wenn diese eine Zahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall vorsehe, dass dieser aus von ihm „zu vertretenden Gründen“ gekündigt habe. Das setze nicht notwendigerweise eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus.
Ein „zu vertretender Grund“ liege bereits dann vor, wenn der Auslöser für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitnehmers stamme. Diese Voraussetzungen seien beispielsweise schon erfüllt, wenn der Arbeitnehmer sich aus freien Stücken entscheide, das Arbeitsverhältnis vor der vereinbarten Bleibedauer zu kündigen.
Entscheidende Aspekte
Das BAG berücksichtigte im Rahmen seiner Interessenabwägung die folgenden Punkte:
Durch den mit der Zahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck werde die durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt.
Diese Beeinträchtigung werde auch nicht durch das Interesse des Arbeitgebers aufgewogen, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für eine bestimmte Zeit in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung nachträglich nicht „lohnen“.
Schließlich stelle die Vermittlung des Arbeitsverhältnisses als solche keinen Vorteil dar, der eine Bindung hieran ausgleichen könnte. Anders als etwa bei einer beruflichen Fortbildung erhalte der Arbeitnehmer keinen vom Bestand seines Arbeitsverhältnisses unabhängigen Ausgleich, von dem er auch in einem späteren Arbeitsverhältnis profitieren könne.
Praxishinweise
Welche rechtlichen Möglichkeiten Arbeitgebern vor diesem Hintergrund als wirksames Mittel gegen den Fachkräftemangel und im Zusammenhang mit einem erfolgreichen Retention Management verbleiben, hat das BAG in seiner Entscheidung selbst noch einmal abschließend zusammengefasst:
Um qualifiziertes Personal zu einer längeren Betriebsdauer anzuhalten, könne im Rahmen des im Einzelfall jeweils Zulässigen das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen, die Kündigungsfrist für solche Kündigungen verlängert oder ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, der nicht nach § 15 Abs. 4 TzBfG der ordentlichen Kündigung unterliegt.
Um sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig beendet, ließe sich auch die Zahlung einer Vertragsstrafe vereinbaren.
Mitarbeiterbindung durch Attraktivität des Arbeitgebers
Neben vertraglichen Bindungsmöglichkeiten sollten Unternehmen jedoch stets auch auf umfassende, auf Personalwesen orientierte Prozesse setzen, um die Mitarbeiterzufriedenheit nachhaltig zu steigern. Insbesondere eine marktgerechte Vergütungsstruktur, flexible Arbeitszeitmodelle und individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten tragen zu einer starken Mitarbeiterbindung bei und erhöhen die Attraktivität des Arbeitgebers am Arbeitsmarkt. (hb)