Kann der Hitzesommer kommen?

In Städten macht sich Sommerhitze besonders stark bemerkbar: Sie speichern Wärme tagsüber und geben sie nachts nur langsam ab.
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Die VKU-Landesgruppe Bayern ist Teil des unter dem EU-Programm "Horizon 2020“ geförderten Projekts Arsinoe. Dieses zählt zu einer Reihe von Förderinitiativen zur Umsetzung des europäischen Green Deal und wird mit über 15 Millionen Euro von der Europäischen Union unterstützt.
Im Rahmen von Arsinoe untersuchen 41 Projektpartner aus ganz Europa über einen Zeitraum von vier Jahren, wie die Anpassung an den Klimawandel gelingen kann. Im bayerischen Maingebiet entwickeln der VKU und die Ludwig-Maximilians-Universität München gemeinsam eine Fallstudie zu einer Region, die zunehmend unter Hitze und Trockenheit leidet.
Marion Zilker aus dem Projektteam sprach beim letzten Webinar des VKU-Personalnetzwerks über das Thema Hitzeschutz für Mitarbeitende – mit vielen Anmeldungen von Personalverantwortlichen.
Marion Zilker ist Referentin
der VKU Landesgruppe Bayern.
Bild: @ VKU/ LG Bayern
Frau Zilker, das Projekt Arsinoe läuft mittlerweile im vierten Jahr. Vor zwei Jahren hatte eine Umfrage unter kommunalen Unternehmen bereits gezeigt, dass viele mit zunehmenden Belastungen durch den Klimawandel konfrontiert sind. Wie war die Stimmung damals – und heute?
Viele kommunale Unternehmen im Freistaat sehen laut der Umfrage die Klimaanpassung als eines der zentralen Themen der nächsten Jahre. Dabei sind sie spartenübergreifend betroffen – beispielsweise, weil das Risiko von wetterbedingten Schäden an Infrastruktur steigt. Hinzu kommen spartenspezifische Klimarisiken, wie ein verändertes Wasserdargebot für die öffentliche Wasserversorgung, zunehmende Belastungen der Abwasserinfrastruktur durch Starkregen oder Veränderungen der Energienachfrage für das Heizen und Kühlen von Gebäuden. Fokus unserer Arbeit in Arsinoe ist der Umgang mit klimabedingten Veränderungen des Wasserhaushalts.
Trotzdem wurden im Laufe des Projekts immer wieder neue Themen an uns herangetragen – so auch der Hitzeschutz von Mitarbeitenden. Das unterstreicht, wie ernst kommunale Unternehmen Klimarisiken nehmen und wie groß der Bedarf an praktischen Lösungen ist.
Das Umweltbundesamt prognostiziert eine weiter steigende Zahl an Hitzetagen. Auf welche weiteren Daten oder Analysen sind Sie im Rahmen von Arsinoe gestoßen, die diese Entwicklung stützen?
Ja, der Klimawandel bringt steigende Durchschnittstemperaturen mit sich – und auch eine Zunahme der heißen Tage. Das sind die Tage, an denen das Thermometer auf 30 Grad und mehr steigt. Auch länger anhaltende Hitzewellen werden häufiger. In Städten macht sich diese Veränderung besonders stark bemerkbar: Sie speichern Wärme tagsüber und geben sie nachts nur langsam ab. Die Auswirkungen dieser Hitze spüren wir alle in zunehmendem Maß.
Im Projekt wurde das Thema "Hitzeschutz“ immer wieder an uns herangetragen. Man selbst, Ältere, Kinder und Mitarbeitende – vor allem auf dem Bau – erfahren die Hitze in den letzten Jahren regelmäßig am eigenen Leib. Eine Untersuchung der DAK kam im letzten Jahr zu dem Schluss, dass ein Großteil der Beschäftigten in Deutschland die Hitzebelastung am Arbeitsplatz spürt. Mit der Hitze gehen den Autorinnen zufolge auch vermehrte Krankschreibungen und ein höheres Risiko von Arbeitsunfällen einher.
Welche konkreten Auswirkungen haben zunehmende Hitzeereignisse auf die Mitarbeitenden kommunaler Unternehmen und welche Berufsgruppen sind besonders betroffen?
Die Hitze kann dafür sorgen, dass sich Mitarbeitende schlechter konzentrieren können. Wer wegen der hohen Temperaturen schlecht schläft, kommt am nächsten Tag müde zur Arbeit und ist weniger produktiv. Darüber hinaus gibt es aber auch ernste Gesundheitsrisiken – etwa Kreislaufbeschwerden oder die Verschlechterung bestehender Erkrankungen. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit bietet einen Überblick über die gesundheitlichen Risiken.
Auch der bundesweite Hitzeaktionstag am 4. Juni stellt die durch extreme Temperaturen entstehenden Gesundheitsgefahren ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Insbesondere im Freien arbeitende Menschen gelten als stark betroffen – aber auch ältere Personen oder Menschen mit Vorerkrankungen sind bei Hitze besonderen Risiken ausgesetzt. Wer sich die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten bei kommunalen Unternehmen ansieht, findet schnell Beschäftigte, die zu einer oder mehrerer dieser Gruppen gehören.
Welche Hitzeschutzmaßnahmen werden in kommunalen Unternehmen aktuell bereits umgesetzt?
Klassische Hitzeschutzmaßnahmen in den von uns befragten kommunalen Unternehmen sind die kostenlose Versorgung mit Getränken, Sonnenschutz und Schattenspendern. Auch flexible Arbeitszeitmodelle, die das Arbeiten in den kühleren Morgenstunden ermöglichen, sind sehr beliebt. Vereinzelt wurden in den letzten Jahren auch Pausenplätze umgestaltet und begrünt oder mit Schattenspendern ausgestattet. Mancherorts wurde die Klimatisierung von Gebäuden verbessert.
Alles in allem gibt es einen großen Strauß an technischen, organisatorischen und individuell umsetzbaren Maßnahmen. Hier kann sich jeder Betrieb eine passende Strategie zusammenstellen und dafür sorgen, dass man auch bei Hitze attraktive Arbeitsplätze bietet.
"Wer wegen der hohen Temperaturen schlecht schläft, kommt am nächsten Tag müde zur Arbeit und ist weniger produktiv. Darüber hinaus gibt es aber auch ernste Gesundheitsrisiken – etwa Kreislaufbeschwerden oder die Verschlechterung bestehender Erkrankungen."
Ist das Engagement der Unternehmen auf interne Maßnahmen begrenzt?
Nein. Über den Schutz der eigenen Mitarbeitenden hinaus spielen kommunale Unternehmen eine wichtige Rolle beim Hitzeschutz in der Kommune. Die von der öffentlichen Wasserversorgung geschaffenen Trinkbrunnen im öffentlichen Raum sind oft ein wichtiger Bestandteil kommunaler Hitzeaktionspläne. Sie sorgen dafür, dass alle Menschen an heißen Tagen auf Straßen und Plätzen Zugang zu frischem Trinkwasser haben.
Im Gegenzug profitieren kommunale Unternehmen auch davon, wenn zur Kühlung der Städte mehr grüne und blaue Infrastruktur geschaffen wird. Sie verbessert nämlich den Wasserrückhalt in der Fläche, entlastet die Abwasserinfrastruktur bei Starkregen und trägt zur Grundwasserneubildung bei. Auch die Stromnetze kann dies entlasten, wenn Klimaanlagen ein paar Grad weniger abkühlen müssen.
Was muss in den nächsten Jahren in kommunalen Unternehmen noch passieren, um die Anpassung an den Klimawandel weiter zu verbessern?
Kommunale Unternehmen sind zu Recht stolz auf das von ihnen garantierte hohe Level an Versorgungssicherheit. Wie zentral sie für das tägliche Leben sind und wie zuverlässig, bemerkt man oft erst, wenn es zu Versorgungsstörungen oder gar -unterbrechungen kommt. Mit dem Klimawandel entstehen neue Risiken für die kommunalen Ver- und Entsorgungsleistungen. Es erscheint daher sinnvoll, sich mit der Frage zu befassen, was verschiedene Klimafolgen für Unternehmen bedeuten – und dann zu entscheiden, wie man mit diesen Risiken umgeht.
Beim Hitzeschutz sieht man, dass kommunale Unternehmen sich der veränderten und sich weiter verändernden Rahmenbedingungen bewusst sind. Sie nehmen ihre Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden und deren Gesundheit wahr – und auch gegenüber Bürgerinnen und Bürgern.
Und das braucht gute Rahmenbedingungen?
Genau, eine angemessene Reaktion auf Klimafolgen erfordert auch angemessene Rahmenbedingungen. So müssen kritische Infrastrukturen beispielsweise in Klimaanpassungsstrategien berücksichtigt werden, tagesaktuell in der Novelle der bayerischen Förderprogramme für die Klimaanpassung, und müssen auch kommunalen Unternehmen offenstehen. Außerdem brauchen wir mehr Aufmerksamkeit für Klimafolgen und Wissen über Anpassungsmöglichkeiten.
Entscheidend für den Erfolg bei der Klimaanpassung ist zudem, wie stark sich das Klima wandelt und an welche Klimafolgen wir uns folglich anpassen müssen. Wer Schäden reduzieren und Investitionen in die Klimaanpassung gering halten will, muss das Klima schützen.
Wird das Projekt Arsinoe über die ursprünglich geplante Laufzeit hinaus weitergeführt oder gibt es bereits Anschlussinitiativen?
Die Laufzeit von Arsinoe ist leider begrenzt – das Projekt endet im September. Nichtsdestotrotz ist die Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie der Erfahrungsaustausch zwischen europäischen Regionen sehr wertvoll. Wir haben als Landesgruppe viel gelernt und unser Netzwerk erweitert.
Klar ist: Das Thema Klimaresilienz wird uns als Gesellschaft weiter begleiten. Die Kommunalwirtschaft ist in ihrer Betroffenheit nicht allein. Nicht nur die Mitarbeitenden kommunaler Unternehmen schwitzen im Sommer auf der Baustelle oder im Büro. Nicht nur kommunale Unternehmen sorgen sich über Veränderungen des Wasserhaushalts. Das heißt: Wir können auch mit anderen zusammenarbeiten, um Lösungen zu entwickeln und vom Erfahrungsschatz anderer zu profitieren.
Das Interview führte Boris Schlizio