Berlin kämpft mit Wachstumsschmerzen im Nahverkehr

Bei den Berliner Bussen zeigt die neue Stabilitätsstrategie schon Erfolge.
Bild: © BVG
Von Jürgen Walk
Die Rückschau der Berliner Verkehrsbetriebe BVG auf 2024 ist zwiespältig. Zwar belegt sie eine hohe Nachfrage nach Bussen und Bahnen: Mehr als 1,1 Milliarden Fahrgastfahrten bedeuten ein Plus gegenüber dem Vorjahr von rund 4 Prozent. Auch die Abozahlen sind gestiegen. Doch zur Bilanz gehöre auch ein ehrlicher Blick auf die betrieblichen Kennzahlen. Und die zeigen deutliche Schlagseite bei der Zuverlässigkeit. Zudem ist das Jahresergebnis von einer schwarzen Null im Jahr 2023 auf ein Minus von 57 Millionen Euro 2024 abgerutscht. Erwartet hatte die BVG einen Verlust von 58,3 Millionen Euro.
Nach Jahren des starken Wachstums sei das Unternehmen an Grenzen gestoßen, die es nun zu managen gilt, heißt es in Berlin. Größtes Sorgenkind bleibt natürlich die U-Bahn mit ihren vergleichsweise alten Fahrzeugen. Auch bei Straßenbahnen und Bussen gibt es bei der Zuverlässigkeit Luft nach oben. Doch zumindest bei den Bussen seien schon erste Erfolge der neuen Strategie sichtbar, die mehr auf Stabilität als auf Wachstum setzt. In den Jahren 2025 bis 2027 werde es vorrangiges Unternehmensziel sein, das System zu konsolidieren, damit das danach angestrebte Wachstum auf solider Grundlage erfolgt.
Bald kommen die ersten neuen U-Bahnen
Im Jahresdurchschnitt 2024 sanken die Zuverlässigkeitswerte bei Berlins wichtigstem Nahverkehrsmittel U-Bahn auf 93,8 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es noch 97,5 Prozent. Bei der Straßenbahn stehen 96,5 Prozent zu Buche, ebenfalls ein Rückgang um gut einen Prozentpunkt. Beim Bus hingegen zeigen die schon 2023 initiierten Stabilisierungsmaßnahmen einen deutlichen Effekt: Die Zuverlässigkeit gegenüber dem Vorjahr stieg merklich von 95,5 auf 98,2 Prozent. Die Kennzahl Zuverlässigkeit misst das Verhältnis erbrachter Fahrten zu den geplanten Fahrten.
Franziska Giffey, BVG-Aufsichtsratsvorsitzende und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe: "Das vergangene Jahr war für die BVG, für ihre Beschäftigen und für ihre Kundinnen und Kunden kein einfaches Jahr. Die vom BVG-Vorstand eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation müssen auch in diesem Jahr konsequent fortgeführt werden, um die Verlässlichkeit und Qualität des Angebots zu sichern. Der Aufsichtsrat unterstützt daher ausdrücklich eine Strategie, die auf Stabilität vor Wachstum setzt, um Deutschlands größtes ÖPNV-Unternehmen wieder ganz auf Spur zu bringen."
Wichtige Kernpunkte wie die Erneuerung der U-Bahn-Flotte haben bereits Fahrt aufgenommen, heißt es in Berlin. Nach den Sommerferien sollen die ersten neuen U-Bahnwagen in den Fahrgastbetrieb gehen. Auch bei der Straßenbahn kommen neue Züge. Die "Urbanliner" sind besonders lang und können ein Viertel mehr Fahrgäste befördern als die bisherigen Fahrzeuge. Die Umstellung der Busflotte auf emissionsfreie Antriebstechnik komme weiter voran. Der Bau neuer Betriebshöfe habe zuletzt wichtige Hürden genommen. In seiner jüngsten Sitzung gab der Aufsichtsrat der BVG auch die nächste große E-Bus-Bestellung frei. 270 Gelenkbusse aus dem Rahmenvertrag mit dem Hersteller Solaris können jetzt abgerufen werden.
Und trotz der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmark kann die BVG als attraktive Arbeitgeberin bestehen, teilt das Unternehmen mit. In Summe stieg die Mitarbeitendenzahl im Konzern zum Jahreswechsel auf nun 16.588. Die operativen Bereiche, wo wichtige Fachkräfte am dringendsten gefragt sind, wuchsen gegenüber dem Jahr 2023 um 210 Mitarbeitende.