Deutschland

Bundestag zieht Stromtrassen vor ‒ Netzentgelte steigen um 80 Euro

Die beiden Trassen sollen Grünstrom in den Osten und Süden Deutschlands transportieren. Dadurch steigen auch die Netzentgelte.
05.07.2024

Die Bundesregierung will Stromtrassen schneller ausbauen. (Symbolbild)

Der Bundestag hat beschlossen, dass zwei neue Höchstspannungsleitungen schneller gebaut werden können. Damit soll überschüssiger grüner Strom besser transportiert werden. Zum einen geht es um den Nord-Ost-Link, der Strom von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern bringt; zum anderen um den Rhein-Main-Link. Dieser soll dabei helfen, Strom aus Niedersachsen in den Süden zu leiten.

Dazu werden beide Vorhaben in das sogenannte Bundesbedarfsplanungsgesetz aufgenommen. Die Ampel-Fraktionen hatten beschlossen, die Abstimmung über die beiden Stromtrassen vorzuziehen. Die Begründung: Die Vorhabenträger könnten so schnellstmöglich einen Antrag auf Planfeststellung stellen. Wann genau der Bau starten kann, hängt allerdings von den Plänen der Bundesnetzagentur und den Übertragungsnetzbetreibern ab.

Rund 47 Mrd. Euro

Der Ausbau der Leitungen soll laut Gesetzentwurf rund 47 Mrd. Euro kosten. Außerdem könnten dadurch die Stromkosten für Verbraucher steigen. Dem Entwurf zufolge steigen die Netzentgelte, die auf alle Stromkunden umgelegt werden, durch die Investitionen um etwa 80 Euro netto jährlich.

Die Grünen-Politikerin Ingrid Nestle sieht diesen Effekt aber durch Kostensenkungen an anderer Stelle ausgeglichen. "Von dem Netzausbau werden wir alle stark profitieren", sagte Nestle. Die Mehrkosten durch Netzentgelte stünden zudem Einsparungen entgegen, da es durch die neuen Leitungen zu weniger Energieengpässen komme und der Einsatz "teurer fossiler Kraftwerke" begrenzt werde. Die meisten Haushalte – gerade jene mit geringem Einkommen – werde die Erhöhung nicht betreffen, versicherte sie.

Auch der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Netzausbau für eine sichere Stromversorgung langfristig "zu günstigen Preisen" führen werde.

Machtwort des Kanzlers

Die beiden Stromtrassen werden als Erdkabel-Leitungen geplant. Dies führte zu hitzigen Diskussionen im Bundestag. Energiepolitikerin Nestle wies darauf hin, dass es in der Debatte um Freileitungen ein Machtwort des Bundeskanzlers gebe. Die Debatte sei abgeräumt.

Andreas Jung (Union) warf der Ampel vor, sie wolle den Erdkabel-Vorrang "durchprügeln". "Augen zu und durch ist aber der falsche Weg", so der Fachpolitiker. Zudem müsse der Trassenbau und der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes zusammengedacht werden. "Das führt sonst zu Spaltung."

Frage der Finanzierbarkeit

Dass die Ampel sich auch in diesem Punkt uneinig ist, zeigte der Beitrag von Michael Kruse (FDP). "Wenn wir die Meinung vieler Landwirte und die Frage der Finanzierbarkeit ernstnehmen, dann sollten wir für schnellere und günstigere Freileitungen setzen."

Markus Hümpfer von der SPD-Bundesfraktion sagt mit Blick auf die Debatte: "Wir ziehen heute lediglich zwei Stromtrassen im Bundesbedarfsplanungsgesetz vor." Für diese sei es nicht mehr möglich, auf Freileitungen umzustellen, weil die Projekte bereits zu weit fortgeschritten seien.

Am Ende beschloss der Bundestag die Änderung des Bundesbedarfsplanungsgesetzes mit den Stimmen der Ampel-Fraktion. Union, AfD und die Linke stimmten dagegen.

Vertagung bei EU-Richtlinie

Neben den neuen Stromtrassen sollte sich der Bundestag am Freitag ursprünglich noch mit weiteren Gesetzesänderungen zum Ausbau erneuerbarer Energien befassen. So sollte über Regelungen zur Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie in nationales Recht beraten werden. Diese Befassung ist nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums aber auf einen "späteren Zeitpunkt" vertagt worden.

Das neue Gesetz sieht etwa schnellere Genehmigungen für Offshore-Windräder vor. Insgesamt sollen alle Projekte, die Strom aus erneuerbaren Energien liefern, künftig Priorität haben und schneller umgesetzt werden als bisher. (jk mit dpa)