Deutschland

Gemeinsam und koordiniert in die Unabhängigkeit von russischer Energie

Angesichts des Angriffskrieges auf die Ukraine fordern vielerorts Initiativen, den Bezug von Energie aus Russland zu beenden. Der VKU und die kommunalen Spitzenverbände haben dazu ein Positionspapier veröffentlicht. Es ruft zu geschlossenem Handeln auf und zeigt, welchen Beitrag die kommunale Energiewirtschaft leisten kann.
06.03.2022

Viele Menschen haben erneut gegen den russischen Angriff auf die Ukraine demonstriert. Hier in Frankfurt am Main.

"Die kommunalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen haben größtes Verständnis, dass sich BürgerInnen und Bürger vor Ort für dieses Anliegen engagieren und die Sanktionen gegen Russland lokal unterstützen wollen", heißt es in dem gemeinsamen Papier der Verbände.

Die Städte, Landkreise, Gemeinden und kommunalen Unternehmen sehen sich daher in der Verpflichtung, dieser großen Solidarität für die Ukraine zusammen mit der Bundesregierung und den europäischen Partnern Verantwortung in der aktuellen Situation zu übernehmen.

Abhängigkeit von russischen Energielieferungen reduzieren – Versorgungssicherheit in Deutschland aufrecht erhalten

Derzeit bestehe eine hohe Abhängigkeit von fossilen russischen Energielieferungen. "Sie muss auch angesichts der neuen politischen Lage so schnell wie möglich reduziert werden. Dieses Ziel muss Vorrang auch vor betriebswirtschaftlichen Erwägungen haben", positionieren sich die Verbände.

Man unterstütze daher die europäische Sanktionspolitik vorbehaltlos. Damit diese im Interesse der Ukraine hilft, die Kampfmaßnahmen zu beenden, komme es allerdings entscheidend darauf an, gemeinsam und abgestimmt die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Dabei komme auch der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa hohe Priorität zu. Sie bilde eine wesentliche Grundlage für die geschlossene europäische Antwort auf die russische Aggression und ist Voraussetzung für zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen humanitärer und ökonomischer Art für die Ukraine, heißt es in dem Papier.

"Unkoordinierte, dezentrale Vorgehensweise gefährdet Versorgung in Deutschland und Europa"

Die Verbände sind überzeugt, dass eine wirksame Reaktion auf die russische Aggression nur in enger Abstimmung zwischen den nationalen und europäischen Partnern erreicht werden kann. "Keine Kommune in Deutschland und kein Stadtwerk kann unabhängig für sich agieren."

Die meisten kommunalen Energieversorger unterhalten keine direkten Vertragsbeziehungen zu russischen Unternehmen, heißt es weiter. Die Gasbeschaffung auf den internationalen Handelsmärkten findet zu einem großen Teil über mehrere Stufen mit verschiedenen Vorlieferanten oder auch ohne direkten Bezug zum Verkäufer über die Energiebörse statt.

Getrennt vom Handel sei zusätzlich der Gastransport zu betrachten. "Vielfach ist praktisch nicht feststellbar, ob es sich um Erdgas russischer Herkunft handelt. Auch sind bei laufenden Verträgen, die zumeist inländische Partner betreffen, vertragliche Obliegenheiten zu berücksichtigen. Zudem ist die Energiewirtschaft stark vernetzt. Eine unkoordinierte, dezentrale Vorgehensweise könnte die Versorgung in Deutschland und Europa gefährden."

Vor allem aber müsse im Interesse einer glaubwürdigen und effektiven Antwort des Westens jeder Anschein von Uneinigkeit und unterschiedlichen Vorgehensweisen vermieden werden, plädieren die Verbende. Umso mehr komme es gerade auch in der Energiepolitik darauf an, dass man weiterhin gemeinsam und geschlossen agiere.

Der Beitrag der kommunalen Energiewirtschaft

Das Positionspapier schläg daher folgende Punkte als Beitrag der kommunalen Energiewirtschaft vor:

  • Transparenz – Die kommunale Energiewirtschaft hat bereits damit begonnen zu untersuchen, wo und in welchem Maße Abhängigkeiten von russischer Energie bestehen und in welchen Zeiträumen Energielieferungen ersetzt werden können. Auf dieser Basis können und müssen schnell Alternativen entwickelt werden, die sich in die nationale und europäische Strategie einbetten.
     
  • Langfristige Sicherheit – Neben dem Verzicht auf russische Energieträger wie Gas, Kohle und Öl geht es auch um die Sicherstellung der Versorgung insbesondere im nächsten Winter. Hierfür werden Umstellungen im Energieverbrauch und bei den Bezugsquellen und ihrer Logistik nötig, was erhebliche, auch preiswirksame Herausforderungen beinhaltet. Die Verbände bringen sich daher bereits jetzt aktiv in die Diskussion über den Aufbau von Reserven für Kohle und Erdgas sowie über den Ersatz und die Diversifizierung der Herkunftsmärkte ein.
     
  • Wechselwirkungen beachten – Kein Energieträger kann isoliert betrachtet werden. Kohle kann in Teilen Erdgas in der Stromerzeugung ersetzen, doch nicht jedes Kraftwerk kann von heute auf morgen andere Kohle einsetzen. Wärme wird vielfach hocheffizient gekoppelt zusammen mit Strom erzeugt, weswegen lokal oft beide zusammen betrachtet werden müssen. Der verminderte Einsatz eines Brennstoffes kann den Aufbau von Lagerbeständen vor dem Winter unterstützen. Mancher Industrieverbraucher kann teilweise auf Öl ausweichen. Die kommunale Energiewirtschaft bringt ihr Know-how ein, um die Bundesregierung bei der Suche nach einem Weg zu unterstützen, um möglichst schnell und flexibel die Abhängigkeit von russischen Energiequellen abzubauen und die Versorgungsicherheit der Menschen vor Ort zu gewährleisten.
     
  • Lastenteilung vornehmen – Um die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu vermindern, ist es notwendig, den Energieeinsatz insgesamt im Sinne einer höheren Versorgungsicherheit zu verändern. Mögliche preisliche Effekte und rechtliche Herausforderungen daraus sollten nicht auf einzelne Unternehmen und deren Kunden verlagert werden. Zugleich muss beachtet werden, dass Ersatzlieferungen derzeit nicht nur zu deutlich höheren Kosten organisiert werden müssen, sondern es stellt sich die Frage, ob sie überhaupt verfügbar sind.
     
  • Lokale Aktion fördern – viele Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen fragen sich aktuell, wie sie einen Beitrag leisten oder wie sie sich auch langfristig vorbereiten können auf mögliche Folgen der Krise. Hierbei können auch lokale Effizienzinitiativen und entsprechende Netzwerke, wie die Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke einen wichtigen Beitrag auch im Interesse des Klimaschutzes leisten. (sg)