Deutschland

Streit um Hambacher Forst überschattet Arbeit der Kohlekommission

Die Zeit für einen Kompromiss zwischen Klimaschützern und Wirtschaft ist knapp. Die Debatte bestimmt aber ein Wald in NRW, der gar nicht auf der Tagesordnung steht.
29.08.2018

Polizisten tragen in einem Aktivistencamp von Braunkohlegegnern am Hambacher Forst bei Morschenich einen Aktivisten zur Personalienfeststellung.

Begleitet von Demonstrationen hat am Mittwoch in Berlin zum vierten Mal die Kommission für die Vorbereitung des Kohleausstiegs getagt. Schon im Oktober sollen erste Ergebnisse vorliegen – aber der erbitterte Streit um die Rodung des Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen belastet die Verhandlungen über einen Weg aus der Kohlestrom-Produktion und den Strukturwandel in den betroffenen Regionen. Wie es aus Teilnehmerkreisen hieß, waren die vom Energiekonzern RWE angekündigten Baumfällarbeiten in der vierten Sitzung des Gremiums jedoch kein großes Thema, die Umweltverbände brachten es aber kurz zur Sprache.

Zum Auftakt der Sitzung hatte die Initiative Campact Proteste gegen die geplante Abholzung vor dem Bundeswirtschaftsministerium angekündigt. Der Hambacher Wald gilt als Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle. RWE will im Herbst mehr als die Hälfte des übrig gebliebenen Waldes roden, um weiter Kohle baggern zu können. Dagegen gibt es massive und teils gewalttätige Proteste.

"Schnauze voll von Gewalt"

Vor dem Berliner Ministerium demonstrierte auch die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Ihre Versammlung unter dem Motto «Schnauze voll von Gewalt» richtete sich gegen gewalttätige Auseinandersetzungen um den Hambacher Wald. Wie das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwochabend mitteilte, beschäftigte sich die Kommission in der Sitzung ausführlich mit Fragen der Wertschöpfung in der Energieerzeugung in den deutschen Braunkohlerevieren. Gehört wurden dazu unter anderem RWE-Finanzvorstand Markus Krebber, Mibrag-Chef Armin Eichholz sowie Leag-Vorstandschef Helmar Rendez. Am Nachmittag stand das Thema Versorgungssicherheit auf dem Programm. Neben Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann wurden dazu 50Hertz-Chef Boris Schucht und Klaus Kleinekorte, Mitglied der Geschäftsführung von Amprion befragt.

Die nächste Sitzung der Kommission findet am 18. September in Berlin statt. Am 24. September wird die Kommission zu ihrer ersten auswärtigen Sitzung nach Halle reisen. Dort würden regionale Vertreter wie Landräte und Bürgermeister sowie Vertreter von Umweltverbänden, Gewerkschaften und Arbeitgebern angehört, kündigte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Mittwoch an. Die Kohlekommission soll im Herbst ein Konzept dazu vorlegen, wie die Wirtschaft in den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen und Ostdeutschland so umgebaut werden kann, dass der Kohleausstieg nicht zu Strukturbrüchen führt. Bis Ende des Jahres soll außerdem ein Plan für den Abschied von der Kohle inklusive eines Enddatums vorliegen.

RWE sieht Notwendigkeit der Rodung

RWE sieht in der – bereits genehmigten – Rodung im Hambacher Forst eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die Umweltverbände dagegen eine Provokation, die die Arbeit der Kommission gefährde.

Ähnlich hatte sich auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geäußert – und bekommt dafür nun Ärger von der Bergbaugewerkschaft IG BCE. Die Gewerkschaft habe «mit großer Verwunderung» zur Kenntnis genommen, dass Schulze sich die Forderung eines Rodungs-Aufschubs im Hambacher Forst zu Eigen gemacht habe, heißt es in einem Schreiben von IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis an die Ministerin. «Auch die Kolleginnen und Kollegen im Rheinischen Revier hat diese Aussage sehr irritiert.» Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

BUND will aus Kommission aussteigen

Der Umweltverband BUND hatte wegen der angekündigten Baumfällarbeiten mit einem Ausstieg aus der Kommission «Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung» gedroht, damit wäre das Konzept eines breiten gesellschaftlichen Kompromisses gefährdet. Schulze hatte den RWE-Konzern am vergangenen Freitag aufgefordert, während der Arbeit der Kohlekommission auf die Rodungen zu verzichten. «Wenn ein gesellschaftlicher Konsens organisiert werden soll, dann dürfen während einer solchen Phase keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden», hatte sie gesagt.

Vassiliadis schrieb nun an Schulze, die «Schlichtung tagespolitischer Auseinandersetzungen» gehöre nicht zu den Aufgaben der Kommission. Wer die Arbeit der Mitglieder mit derartigen Diskussionen belaste, erschwere die Suche nach einem gemeinsamen Ergebnis.

Anschlagswerkzeug war laut Aktivisten Brotmesser, Hammer und Benzinkanister

Bei der Durchsuchung eines Aktivistencamps am Hambacher Wald hatte die Polizei am Dienstag Pyrotechnik, Zwillen, Stichwaffen und Material für Brennsätze sichergestellt. 21 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, weil sich ihre Identität vor Ort nicht feststellen ließ. Drei Personen wurden festgenommen, unter anderem weil sie nach Angaben der Polizei Widerstand leisteten.

Die Aktivisten werfen nun der Polizei Willkür vor. «Wir sprechen von Willkür, weil sich die Polizei auf Befehl der Landesregierung zum Erfüllungsgehilfen von RWE macht», sagte Daniel Hofinger von der Aktion Unterholz am Mittwoch. Hofinger präzisierte auch, was die Polizei gefunden habe. «Da hat die Polizei gestern ein Brotmesser, einen Hammer und einen Benzinkanister gefunden. Und auf einmal ist das Material zum Bau von Molotowcocktails und anderen Vorrichtungen. Dafür waren die Gegenstände nie geplant», sagte der Aktivist.

Grüne werfen Merkel fehlende Entschlossenheit vor

Die Grünen warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fehlende Entschlossenheit beim Klimaschutz vor. «Wer nicht bereit ist, das EU-Klimaziel nachzubessern, hat den Pariser Klimavertrag nicht verstanden», sagte Parteichefin Annalena Baerbock mit Blick auf Merkels ablehnende Haltung zu ehrgeizigeren EU-Klimazielen. Anders sei das Klimaabkommen nicht zu erfüllen. Merkel hatte sich gegen Pläne der EU-Kommission für ehrgeizigere Klimaschutzziele gewandt. (dpa/al/hil)