Reiches Strompreis-Entlastungen: Überblick und Zeitplan mit Grafiken

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)
Bild: © Fabian Strauch/dpa
Von Andreas Baumer
Nach wochenlangen Verhandlungen ist das schwarz-rote Strompreis-Senkungspaket für 2026 komplett. Zumindest, wenn man den ebenfalls versprochenen Industriestrompreis mal außen vor lässt. Doch was plant die schwarz-rote Bundesregierung nun genau und wie geht es weiter? Hier ein Überblick mit Grafiken.
1. Stromsteuersenkung
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD als Sofortmaßnahme eine Stromsteuersenkung für alle auf das europäische Mindestmaß versprochen. Die Koalitionsspitzen Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) kassierten das aus Budgetgründen teilweise wieder ein. Nunmehr soll die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe dauerhaft gesenkt werden. Damit wird eine begrenzte Stromsteuerdämpfung aus der Ampelzeit fortgeführt.
2. Übertragungsnetzentgelte ja, netzbezogene Umlagen nein
Schon länger war bekannt, dass die Bundesregierung 6,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr für eine Entlastung der Übertragungsnetzkosten bereitstellen will. Unklar war bis Donnerstag, ob damit ausschließlich die Übertragungsnetzentgelte gesenkt werden sollten oder auch sogenannte netzbezogene Umlagen wie die Offshore-Umlage. Offenbar führten europarechtliche Bedenken dazu, dass sich Finanzministerium und Wirtschaftsministerium für einen reinen Zuschuss zu Übertragungsnetzentgelten entschieden.
Möglicherweise hätte die Senkung von strombezogenen Umlagen zuerst von der EU-Kommission genehmigt werden müssen. Das hätte zusätzliche Zeit gekostet. Zeit, die die Bundesregierung für eine rechtzeitige Umsetzung der Strompreisentlastung nicht mehr hat. Bereits zum 1. Oktober müssen die Übertragungsnetzbetreiber ihre vorläufigen Entgelte veröffentlichen. Bis zum 15. Oktober sind dann die Verteilnetzbetreiber dran. Nur wenn dieser Rhythmus eingehalten wird, kann eine fristgerechte Umsetzung der Netzentgeltdämpfung zum Jahreswechsel einigermaßen zuverlässig gewährleistet werden.
Der nun gewählte Mechanismus bringt einen erheblichen Nachteil mit sich. Die Entlastung fällt nämlich je nach Netzregion und Kundengruppe sehr unterschiedlich aus. Vor allem stromintensive Industriebetriebe profitieren, ordnet der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ein, der für eine Kombination aus Umlagen- und Netzentgeltsenkung plädiert. "Durch diesen Fokus auf die Übertragungsnetze drohen mittelständische Unternehmen und private Haushalte in vielen Regionen leer auszugehen. Von den Zuschüssen werden sie nicht oder kaum profitieren."
Der Bundesregierung ist dies übrigens wohl bewusst. So könnte sich der Mechanismus ab 2027 auch ändern. Auch in den folgenden Jahren soll es eine Entlastung mit einem Volumen von 6,5 Milliarden Euro für die Stromkunden geben, hieß es aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums. Dies werde möglicherweise auch anteilig über andere Umlagen erfolgen.
3. EEG-Kosten und Strompreiskompensation
Dass der Bund die EEG-Kosten übernimmt, wird in der Energiebranche als selbstverständlich angesehen. Tatsächlich ist dies erst seit wenigen Jahren der Fall. Für das kommende Jahr hat die Bundesregierung 17,2 Milliarden Euro an EEG-Zuschüssen vorgesehen. Dazu kommen drei Milliarden Euro für die sogenannte Strompreiskompensation. Davon profitieren stromintensive Unternehmen etwa aus der Stahlindustrie, die im internationalen Wettbewerb stehen und einer Verlagerungsgefahr ins außereuropäische Ausland ausgesetzt sind.
4. Mögliche Risiken
Es mag hin und wieder in Vergessenheit geraten, dass nicht die Bundesregierung Gesetze beschließt, sondern Bundestag und Bundesrat. Oft wird dabei der Spruch bemüht, dass "kein Gesetz aus dem Parlament so herauskommt, wie es eingebracht worden ist".
Der Bundestag wird voraussichtlich erst im Dezember final über den Haushalt 2026 entscheiden. Auch die Begleitgesetze zur Stromsteuer und zu den Netzentgelten werden nicht vor Oktober beschlossen werden. Der Energieverband BDEW pocht darauf, dass "allerspätestens" zum 10. Oktober der Beschluss des Bundestags vorliegt. "Andernfalls sind die Netzbetreiber bei der Kalkulation ihrer Netzentgelte erheblichen rechtlichen Risiken ausgeliefert, da unklar ist, ob die (vorläufigen) Netzentgelte später noch korrigiert werden müssen", heißt es.
Sollte bis Anfang Oktober 2025 keine Rechtssicherheit hergestellt sein, müssten zudem Lieferanten entscheiden, ob sie die Entlastung in die Preiskalkulation aufnehmen würden, mahnt der BDEW. Alternativ könnten sie diese erst nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung und endgültigen Festlegung der Netzentgelte an Kunden weitergeben. "Hier wären sehr unterschiedliche unternehmensindividuelle Vorgehensweisen zu erwarten."
Zumindest bei der Stromsteuer haben Teile von Schwarz-Rot durchaus noch Redebedarf. Sollte auch der Mechanismus zur Auszahlung der Netzentgeltzuschüsse noch einmal angepasst werden, könnte das die Umsetzung der Strompreisentlastung erschweren.
In der Vergangenheit hat die Energiebranche durchaus schlechte Erfahrungen mit kurzfristigen Gesetzesänderungen im parlamentarischen Verfahren gemacht. So wurden beispielsweise im November 2023 die Ablaufdaten für die Energiepreisbremsen und die verminderte Umsatzsteuer für Gas- und Wärmelieferungen kurzerhand geändert – und zwar auf eine Weise, dass dies für Vertriebe erheblichen Mehraufwand bedeutet hätte. Wenige Tage machte ein Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts die Planungen zur Makulatur.
Und jetzt? Bei einem Umsteuern bei Stromsteuer, Netzentgelten und netzbezogenen Umlagen kurz vor Weihnachten würde der Bundespolitik der Frust der Energiebranche jedenfalls gewiss sein.

