Wärmewende: CO₂-Preis könnte deutlich stärker steigen als erwartet

Der CO₂-Preis für Gebäude und Verkehr könnte drastisch steigen.
Von Hanna Bolte
Der CO2-Preis könnte im geplanten europäischen Emissionshandelssystem für den Gebäude- und Verkehrssektor ab 2027 deutlich höher liegen als von der EU-Kommission angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI).
Die Analyse "Auswirkungen und Preispfade des EU ETS2" zeigt, dass die CO2-Preise im neuen Emissionshandelssystem auf mehr als 160 Euro pro Tonne steigen könnten. Damit wächst der Druck auf Haushalte und in Form von Verteilungseffekten auch auf Volkswirtschaften, in klimaneutrale Technologien zu investieren.
Deutlich höhere Emissionsbepreisung als bisher angenommen
Um eine Einschätzung zu den Entwicklungen treffen zu können, hat das Institut mittels eines numerischen Energiesystemmodells und eines Modells des Emissionshandelssystems einen möglichen CO2-Preispfad simuliert. Dieser beruht auf vereinfachenden Annahmen und ist als Szenario zu verstehen, das als Ausgangspunkt für weitergehende Untersuchungen dienen kann.
Der ermittelte CO2-Preispfad steigt im betrachteten Szenario von 2027 bis 2035 von rund 120 Euro pro Tonne auf über 200 Euro pro Tonne an. Die Emissionsbepreisung läge damit nicht nur oberhalb der Zielmarke der EU-Kommission von 45 Euro pro Tonne CO2, sondern auch deutlich höher als der aktuelle Preis im deutschen, nationalen Emissionshandelssystem (EHS) von 55 Euro pro Tonne CO2.
Notwendige Investitionen
Als Ursache werden vor allem die investiven Grenzvermeidungskosten in den Endverbrauchssektoren genannt. Darunter versteht man Kosten, die entstehen, um den Ausstoß zusätzlicher Emissionen zu vermeiden.
"Besonders im europäischen Gebäudesektor sind die kurzfristigen Reduktionspotenziale begrenzt", sagt Philipp Artur Kienscherf, Projektleiter der Studie. "Investitionen, etwa in Wärmepumpen oder Gebäudesanierungen, sind zur Erreichung der Klimaziele notwendig, aber kostenintensiv – und sie verlaufen schleppend." Auch im Verkehrssektor würde deutlich mehr in klimaneutrale Fahrzeuge investiert werden als bisher.
Zusätzliche Kosten von 20 Milliarden Euro
Sicher ist, dass es eine Vielzahl von sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen geben wird. Instrumente wie der Klima- und Sozialfonds (KSF) sollen diese abmildern, aber es ist unklar, ob sie die Folgen des Übergangs vom derzeitigen nationalen Emissionshandelssystem zum neuen europaweiten System kompensieren können. So werden beispielsweise für die deutschen Privathaushalte bis 2032 zusätzliche Kosten von über 20 Milliarden Euro erwartet, denen keine öffentlichen Einnahmen gegenüberstehen.
Klar ist, dass die Akzeptanz für weitere CO2-Preissteigerungen derzeit gering ist. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag des Stromanbieters Lekker Energie gaben jüngst 47 Prozent der Befragten an, eine weitere Erhöhung völlig abzulehnen. Nur sechs Prozent würden einer weiteren Erhöhung zustimmen.
Im Wahlkampf versprachen mehrere Parteien, CO2-Preissteigerungen mit einem Klimageld abfedern zu wollen. Seit Mittwoch steht jedoch fest, dass ein klassischer Rückzahlungsmechanismus der CO2-Einnahmen an Verbraucher unter einer voraussichtlichen Koalition von Union und SPD nicht kommen wird. Im Koalitionsvertrag steht lediglich, dass unbürokratische und sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität auf den Weg gebracht werden sollen, "damit niemand überfordert wird". Die Linke nannte das Klimageld-Aus einen "Verrat am Klimaschutz".