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Energiewende birgt hohe Risiken für kommunale Versorger

Die Energiewende stellt für kommunale Versorger eine enorme Herausforderungen dar, die Digitalisierung sorgt für zusätzlichen Druck. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger macht dies sehr deutlich.
07.05.2018

Ein paar Clicks – und der Stromanbieter ist gewechselt. Kommunale Versorger stehen vor großen Herausforderungen.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat eine aktuelle Studie zu den wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland publiziert, in der auch die Energiebranche mit einem größeren Kapitel bedacht wird. Torsten Henzelmann bescheinigt darin dieser Schlüsselbranche, die von kommunalen und städtischen Unternehmen geprägt ist wie kaum eine andere, dass sie unter erheblichem Anpassungsdruck steht. Die Dezentralisierung, die Dekarbonisierung, die Digitalisierung und nicht zuletzt die Sektorenkopplung sind seine Ansatzpunkte. Kurz- und mittelfristig haben die Dezentralisierung und De­karbonisierung das meiste disruptive Potential, so Henzelmann.

Allein schon die dezentrale Stromerzeugung durch intelligent gesteuerte Anlagen im Solar- und Windkraftbereich stellt die klassischen Kraftwerke, die ihre Effizienz aus der enormen Größe zogen, weitgehend ins Abseits. Zusätzlich wird die Abkehr von fossilen Brennstoffen enorm forciert. Die Energiewende in Deutschland einerseits und die transnati­onale Vereinbarungen wie das Paris-Abkommen andererseits sind hier die Treiber. Die Sektorenkopplung lässt zudem die Margen sinken: Strom und Wärme, Mobilität und Strom oder Telekommunikation und Strom werden häufig kombiniert angeboten, weswegen dann für mehrere Produkte nur einmal der Gewinn anfällt. Der Autor sieht die klassischen Energieversorger durch die Kombination all dieser Effekte – vor allem aber durch die verschärften Ver­einbarungen zu CO2-Emissionen – sogar mit einer "faktischen Enteignung" konfrontiert.

Immer mehr Energieversorger in finanzieller Schieflage

Die Di­gitalisierung, für so viele Prozesse in der Energiebranche sehr hilfreich und nutzbringend, wird außerdem zu einer großen Herausforderung. Die Kunden können mit wenigen Clicks Preise und Leistungen vergleichen, sie reagieren immer höchst preissensitiv. In der Roland-Berger-Studie ist festgehalten, dass dieses Potenzial noch wenig genutzt wird – die Wechselquote liegt demnach bei 25 Prozent. Da aber die Generation der Digital Natives zunehmend auch in die Rolle der Entscheider bei der Gestaltung des Lebensumfeldes hineinwächst und damit über die Wahl des Stromanbieters entscheidet, könnte auch die Wechselbe­reitschaft der Stromkunden weiter steigen.

Sowohl im B2C- wie auch im B2B-Markt steigen die Preise für Akquise ebenso wie die Rabatte. Diese erhöhten Kosten bedeuten immer geringere Margen. Wenn die Luft dann dünn wird, hat das bei kommunalen und städtischen Unternehmen andere Folgen als in der Privatwirtschaft. Eine klassische Insolvenz ist hier keine Option, und so fallen bei defizitären Geschäften zunächst die kommunalen Angebote, die von den örtlichen Energieversorgern quersubventioniert werden, dem Rotstift zum Opfer – ein klassisches Beispiel hierfür sind die Schwimmbäder.

Eigenkapitalquoten teilweise bei unter 30 Prozent

Die Zahlen, die Henzelmann ermittelt hat, sind jedenfalls deutlich: Bewegte sich die EBITDA-Mar­ge der Energieversorger vor zehn Jahren noch bei über 20 Prozent, liegt sie heute nur noch bei sechs Prozent. Der Verschul­dungsgrad vieler Versorger ist mit über 3,5 bereits beun­ruhigend hoch. Die Eigenkapitalquoten der Unterneh­men liegen teilweise bei unter 30 Prozent. Das disruptive Potential der Energiewende ist, wie die neue Studie zeigt, enorm. (sig)