"Jetzt kommt es darauf an, den Hochlauf von Wasserstoff zu organisieren"

Sieht sein Unternehmen gut aufgestellt für die aktuellen und langfristigen Herausforderungen bei der Transformation der Energiewirtschaft in Deutschland: Avacon-CEO Marten Bunnemann.
Bild: © Avacon AG
Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erfordert laut Marten Bunnemann, dem Geschäftsführer des mehrheitlich zum Eon-Konzern gehörenden Regionalversorgers Avacon, eine Neupriorisierung der politischen Ziele für die Energieversorgung in Deutschland. Er geht von einem massiven Schub beim Ausbau erneuerbarer Energien und damit einhergehend dem Ausbau der Stromnetze aus. Auch der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft müsse jetzt eine andere Dimension bekommen als noch vor Jahren gedacht, sagte Bunnemann bei der Hauptversammlung des Unternehmens.
Für diese Herausforderungen sieht er Avacon strategisch gut positioniert. Der neue Fokus auf die zwei Geschäftssäulen Ausbau und Digitalisierung der Energienetze und regionale Energielösungen habe sich schon in den zwei Jahren der Corona-Krise bewährt, so Bunnemann.
Avacon hat trotz Coronapandemie und hoher Investitionen im Geschäftsjahr 2021 einen Jahresüberschuss von 106 Mio. Euro (2020: 113 Mio. Euro). Erneut wird "eine erhöhte Dividende" von 131 Mio. Euro ausgeschüttet. Gut 60 Prozent der Geschäftsanteile entfallen auf den Eon-Konzern, knapp 40 Prozent auf Landkreise und Kommunen. Die Investitionen der Unternehmensgruppe lagen bei 345 Mio. Euro (2020: 352 Mio. Euro) auf einem weiterhin hohen Niveau, sie sollen in den Folgejahren weiter steigen. Im Fokus steht dabei vor allem der weitere Ausbau der Stromnetze und ihre Digitalisierung.
Großes Netz-Digitalisierungsprojekt in der Smart Energy Region Lüneburg
Um die Digitalisierung der Mittel- und Niederspannungsnetze voranzubringen, wird Avacon in den nächsten drei Jahren unter anderem über 1.000 digitale Ortsnetzstationen verbauen.
Mit einem Pilotprojekt in Twistringen testet Avacon seit letztem Jahr erfolgreich eine digitale Energieplattform, in der Energieerzeuger, -verbraucher und Speicher intelligent miteinander verbunden werden. Ein weiteres, deutlich größeres Digitalisierungsprojekt startete Avacon Ende April im nördlichen Niedersachsen: Die Smart Energy Region Lüneburg. In Stadt und Umland wird Avacon in den nächsten zwei Jahren 40 Mio. Euro in die Digitalisierung der Stromnetze investieren.
Mit dem Aufbau von 400 digitalen Ortsnetzstationen und der Installation von 5.000 intelligenten Messsystemen im Verteilnetz sowie dem Neubau eines smarten Umspannwerks werden soll dort das modernste Stromverteilnetz in Deutschland entstehen.
Avacon ist beteiligt beim Bau des Netzanschlusses für Giga-Fabrik von Intel in Magdeburg
Die Digitalisierung bringt Avacon auch indirekt mit voran: Das Unternehmen wird gemeinsam mit Partnern, unter anderem den Städtischen Werken Magdeburg, für den Netzanschluss der in Magdeburg geplanten Computerchip-Giga-Fabrik des amerikanischen Herstellers Intel sorgen.
Im April hat Avacon eine strategische Partnerschaft mit dem Windenergieexperten SAB WindTeam geschlossen, die ein Investitionsvolumen von über 500 Mio. Euro umfasst. Zunächst ist die gemeinsame Entwicklung von fünf Windparks mit einer Leistung von 410 Megawatt im östlichen Niedersachsen geplant. Zusätzlich soll gemeinsam eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit einer Leistung von 20 MW errichtet werden.
Avacon sieht Schwerpunkt im Aufbau der Wasserstoffwirtschaft
Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Energieinfrastruktur rückt laut Einschätzung des Regionalversorgers mehr denn je die Entwicklung einer – perspektivisch „grünen“ – Wasserstoffwirtschaft in Deutschland in den Fokus. „Wasserstoff kann Erdgas in der Industrie ersetzen, er kann den Schwerlastverkehr emissionsfrei machen, er kann dem Heizgas beigemischt werden oder es sogar ersetzen. Nun kommt es darauf an, den Hochlauf zu organisieren“, erklärt der Avacon-CEO.
Das bestehende Gas-Verteilnetz und insbesondere die Hochdruckgasnetze der Avacon könnten dabei eine Schlüsselrolle spielen. Das Unternehmen habe bereits frühzeitig damit begonnen, Erfahrungen im Bereich Wasserstoff zu sammeln, sei es im industriellen Bereich zusammen mit der Salzgitter AG oder bei der Einspeisung von Wasserstoff ins Gasnetz für die Dekarbonisierung des Wärmemarktes wie bei einem Pilotprojekt im Jerichower Land, in dem bis Ende des Jahres bis zu 20 Prozent Wasserstoff ins Gasnetz eingespeist werden sollen.
Um hier noch gezielter und fokussierter voranzukommen, hat Avacon im März eine gemeinsame Gesellschaft für Wasserstoff und erneuerbare Energien mit der Schwestergesellschaft HanseWerk in Quickborn bei Hamburg gegründet. (hoe)