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Stromio unter Druck: Ex-Kunden mit guten Chancen auf Schadensersatz

Die Klage der Legal-Tech-Firma Veneko habe "grundsätzlich Aussicht auf Erfolg", schreibt ein Gericht. Auch die Verbraucherzentrale Hessen äußert sich zuversichtlich. Und was wurde aus der EnBW-Klage?
12.09.2022

Blick auf das Gebäude, in dem sich die Räume des Stromversorgers Stromio befinden.

Handelten die Energieanbieter Stromio und Gas.de rechtswidrig, als sie vergangenen Dezember die Lieferungen für wohl hunderttausende Kunden einstellten? Die Unternehmen haben dies bislang immer bestritten. Verbraucherschutzvertreter sind dagegen zunehmend optimistisch, dass Gerichte ihnen Recht geben und Kunden in der Folge auch Anspruch auf Schadensersatz haben.

Sie verweisen auf eine Mitteilung des Landgerichts Düsseldorf zu einem laufenden Verfahren gegen Gas.de. Demnach dürfte eine entsprechende Klage "nach derzeitigem Sach- und Streitstadt […] in der Sache grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben." Das Dokument liegt der ZfK vor.

Stromio-Klage: "Erster Etappensieg"

Stromio und Gas.de hatten den Lieferstopp mit einem unvorhersehbaren, extremen Anstieg der Großhandelspreise für Strom und Gas begründet. Nach ZfK-Informationen hat bis heute keines der beiden personell und strukturell miteinander verbundenen Unternehmen Insolvenz angemeldet.

Kläger im eingangs genannten Fall ist die Berliner Legal-Tech-Firma Veneko. Mit einem Urteil wird erst im Dezember gerechnet. "Für uns ist die Stellungnahme des Landgerichts aber ein erster Etappensieg", sagt Geschäftsführer Tobias Hirt.

Verbraucherzentrale Hessen zuversichtlich

Auch die Verbraucherzentrale Hessen zeigt sich zuversichtlich, dass Stromio vor Gericht verlieren wird. Sie verweist auf eine jüngst ergangene einstweilige Verfügung gegen den Energiediscounter Extraenergie.

Demnach kann sich die Firma nicht auf gestiegene Einkaufspreise im Zuge des Ukrainekriegs berufen, um Preisgarantien in Festpreisverträgen zu brechen. (Die ZfK berichtete.)

1850 Anmeldungen im Klageregister

Die Verbraucherzentrale Hessen geht selbst gegen Stromio und Gas.de in einer sogenannten Musterfeststellungsklage vor. Betroffene Kunden können sich seit Ende Juli in das Klageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen.

Derzeit sei noch kein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, teilt die Verbraucherzentrale auf ZfK-Anfrage mit. Entsprechend hätten Betroffene für einen Eintrag in das Klageregister noch ausreichend Zeit. Bis zum 5. September hätten sich 1850 Personen zur Musterfeststellungsklage angemeldet.

Auch Ex-Gewerbekunden von Stromio dabei

Veneko begann schon im Januar, Schadensersatzforderungen von Ex-Kunden der Anbieter zu bündeln, berechnen und vor Gericht zu bringen. Diesen Service bietet die Firma weiter an. Sie arbeitet dabei mit dem Portal Verbraucherhilfe Stromanbieter und der Kanzlei Recht Energisch zusammen.

Nach eigenen Angaben verwaltet Veneko inzwischen rund 3000 Fälle. Beim Großteil handelt es sich um Privatkunden. Bis zu zehn Prozent der Schadensersatzansprüche stammen jedoch auch von Unternehmen.

"Auf Stromio und Co. könnte Milliardensumme zukommen"

"Der entstandene Schaden lässt sich nur grob beziffern, weil viele der Stromio- und Gas.de-Verträge theoretisch jetzt noch laufen würden", sagt Hirt. "Stand jetzt gehen wir aber allein bei dieser Gruppe von einem mindestens siebenstelligen Eurobetrag aus. Wenn nahezu alle Kunden Schadensersatz verlangen, könnte am Ende eine Milliardensumme auf die Anbieter zukommen."

Dabei droht Stromio nicht nur von Endkunden Ungemach, sondern auch von Grundversorgerseite. Energiekonzern EnBW, der infolge des Lieferstopps 40.000 Neukunden in der Ersatzversorgung aufnehmen musste,  verlangt Aufwendungsersatz.

Neues von EnBW-Klage

Auch mit diesem Fall befasst sich das Landgericht Düsseldorf. Die Kammer scheine die Auffassung der EnBW zu teilen, dass Stromio den Mehraufwand für die ersatzversorgten Kunden erstatten müsse, teilt das Karlsruher Unternehmen auf ZfK-Anfrage mit.

"Die Kammer betont [in einem verkündeten Hinweisbeschluss] insbesondere, dass Stromio weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Recht zur außerordentlichen Kündigung ihrer Kunden zusteht", teilt ein EnBW-Sprecher weiter mit. "Ansonsten werden die prozessualen Details bis Ende des Jahres von den Parteien abgearbeitet." (aba)