"Wir wissen noch nicht, ob wir einen oder zwei Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen"
Die Stadtwerke Norderstedt in Schleswig-Holstein werden ab 2026 berichtspflichtig und müssen dann erstmals verpflichtend für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Seit 2019 veröffentlichen die Stadtwerke Nachhaltigkeitsberichte auf freiwilliger Basis nach dem Berichtsstandard des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK).
Im Interview spricht Nachhaltigkeitsmanagerin Angelika Maupilé über noch offene regulatorische Fragen und die prozessualen Herausforderungen bei der Umsetzung der CSRD-Novelle. Das Thema betrifft Dutzende kommunaler Unternehmen. Die Umsetzung der CSRD-Novelle ist auch Fokusthema bei der diesjährigen ZfK-Nachhaltigkeitskonferenz am 17. Juni in Berlin. Dort werden wir erstmals auch vertiefende Workshops zur konkreten Umsetzung und zum Datenmanagement anbieten. Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht es hier.
"Wir müssen momentan mit diesem Schwebezustand leben und uns darauf einstellen, dass wir eventuell für zwei Gesellschaften berichtspflichtig werden."
Frau Maupilé, für welche Gesellschaften der Stadtwerke Norderstedt müssen Sie ab 2026 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen?
Angelika Maupilé: Definitiv für unsere Telekommunikationsgesellschaft "wilhelm.tel GmbH", wahrscheinlich aber auch für die Stadtwerke. Letztere haben die Rechtsform eines Eigenbetriebs, erfüllen aber zwei der von der EU vorgegebenen Größenkriterien. Ob die Stadtwerke als Eigenbetrieb die Vorgaben erfüllen müssen, ist noch nicht klar.
Es gibt mittlerweile zwar einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, aber noch keine finale Entscheidung. Diese unsichere Lage ist ungünstig. Letztlich wissen wir nicht, ob wir für zwei Unternehmen einen Bericht anfertigen müssen oder aber, ob wir die Daten für alle Gesellschaften in einem Bericht konsolidieren können. Das ist auch die Einschätzung unseres Wirtschaftsprüfers und unserer Rechtsabteilung. Wir müssen momentan mit diesem Schwebezustand leben und uns darauf einstellen, dass eventuell die "wilhelm.tel GmbH" und die Stadtwerke berichtspflichtig werden könnten.
Welche neuen Berichtspflichten kommen genau auf die Stadtwerke Norderstedt zu?
Wir gehen davon aus, dass wir künftig sowohl die Vorgaben der CSRD als auch der EU-Taxonomie erfüllen müssen. Da geht es um die Herleitung von zwei völlig unterschiedlichen Zahlen. Bei der EU-Taxonomie geht es um Kennzahlen zu Umsatzerlösen, Investitionen, Betriebsausgaben von anhand der Taxonomie-Verordnung geprüften Wirtschaftsaktivitäten quasi darum, wie viele der Geldströme im Unternehmen nachhaltig sind.
Grundlage für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts sind hingegen die ESRS-Sets der EFRAG. Hier geht es um sämtliche Nachhaltigkeitsthemen, die ein Unternehmen für sich als wesentlich identifiziert hat. Diese Datenanforderungen der CSRD betreffen das ganze Unternehmen, die Daten für die EU-Taxonomie kommen vor allem aus dem Controlling und der Finanzbuchhaltung. Beides ist eine große Herausforderung.
"Meine Aufgabe ist es auch, die Notwendigkeit für
diese Datenbereitstellung in das Gesamtunternehmen zu tragen."
Künftig muss der Nachhaltigkeitsbericht von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Was kommt da auf Sie zu?
Der Nachhaltigkeitsbericht ist künftig Teil des Lageberichts, beides wird vom Wirtschaftsprüfer geprüft. Dadurch entsteht eine andere Verbindlichkeit als früher bei den freiwilligen Nachhaltigkeitsberichten,. Bisher wurden die Daten für den Bericht nach DNK-Standard nicht nachgeprüft. Künftig muss hier eine Transparenz gewährleistet werden und die finalen Daten und Fakten müssen rückverfolgt werden können. Diese Rückverfolgbarkeit der Daten und Prozesse sicherzustellen, ist eine Mammutaufgabe.
Einige Daten haben wir noch nicht vorliegen. Meine Aufgabe ist es, die Notwendigkeit für diese Datenbereitstellung in das Gesamtunternehmen zu tragen und hier eine entsprechende Sensibilisierung und Bereitschaft im Unternehmen zu erreichen. Der personelle Aufwand wird groß sein. Für die Datenaufbereitung im Rahmen der CSRD werden wir eine Software einführen müssen, die die Daten so abbildet, wie der Wirtschaftsprüfer sie benötigt.
Wie lange laufen die Vorbereitungen zur Umsetzung der neuen Berichtspflichten bei Ihnen bereits?
Vor rund einem Jahr habe ich begonnen, die gesetzlichen Anforderungen für uns zu analysieren und diese Auseinandersetzung und Durchsicht seit Anfang des Jahres mit den finalen ESRS-Sets intensiviert. In die Umsetzung kommen wir eigentlich erst jetzt. Ich habe im Unternehmen ein Projektteam mit dem Controlling und der Finanzbuchhaltung gegründet. Ziel ist es jetzt, ein Netzwerk mit den anderen Fachabteilungen im Unternehmen aufzubauen, damit alle relevanten Bereiche die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben als gemeinsame Aufgabe sehen.
Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit 25 anderen Stadtwerken im Rahmen des ASEW-Netzwerks an einer Branchenlösung zur Wesentlichkeitsanalyse. Diese ist das Herzstück bei der Umsetzung der CSRD. Da geht es im Kern darum, welche Nachhaltigkeitsthemen für uns relevant sind und welche Risiken, Chancen und Auswirkungen unser Handeln beinhaltet. Bereits heute ist klar, dass neben dem verpflichtenden Standard ESRS 2 auch ESRS E1 Klimawandel und ESRS S1 Eigene Belegschaft zu berichten sind. Die weiteren Standards ergeben sich durch die Ergebnisse aus der Wesentlichkeitsanalyse.
"Wenn man die Vorgaben konsequent umsetzt, fordert es die Unternehmen auf,
das Thema Nachhaltigkeit anders zu denken und den Betrieb anders zu steuern."
Teil der Wesentlichkeitsanalyse ist ja eine Befragung der Stakeholder (Bürgerinnen und Bürger, Gesellschafter etc.), welche Nachhaltigkeitsthemen als relevant für das Unternehmen erachtet werden. Wie gehen Sie hier vor?
Bei der Erstellung der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichte waren wir relativ frei in der Befragung zur Wesentlichkeitsanalyse. Wir haben 2019 eine sehr umfangreiche Stakeholderbefragung durchgeführt und dabei unter anderem Bürger:innen, Geschäftspartner:innen, Mitarbeiter:innen und Stadtvertreter:innen mit einbezogen. Die CSRD gibt nun den Rahmen für die Erarbeitung der Wesentlichkeitsanalyse vor.
Künftig werden wir daher die notwendigen Interviews eher mit Fachexpertinnen und Fachexperten führen müssen, weil die Themen zu Teilen der Wertschöpfungsketten komplex sind. Diese sind ohne Vorwissen kaum greifbar. Das ist schade, weil eine möglichst breite Einbeziehung der Stakeholder bei der Befragung aufgrund unserer Erfahrung aus 2019 sinnvoll wäre.
Gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen sind die mit der CSRD-Umsetzung verbundenen großen Aufwände oft ein Thema. Was für Chancen beinhaltet denn das Thema?
Ich freue mich, dass über diese Vorgaben die Transformation hin zu einer nachhaltigen, das heißt ökologischen, sozialen und wirtschaftlich erfolgreichen Wirtschaft in der EU aber auch in unserem Unternehmen sichergestellt werden soll. Wenn man diese Vorgaben konsequent umsetzt, fordert es die Unternehmen auf, das Thema Nachhaltigkeit anders zu denken und den Betrieb anders zu steuern.
Besonders die Transparenz über die eigenen Chancen, Risiken und Auswirkungen entlang der Wertschöpfungsketten und die damit verbundenen Strategien und Zielsetzungen ermöglichen eine große Chance für die Unternehmenssteuerung. Das finde ich sehr positiv. Nachhaltigkeit basierte häufig auf Freiwilligkeit, jetzt werden sich auch die Unternehmensleitungen und die Finanzfachleute damit beschäftigen. Auch die Kontrollgremien werden hier ihren Blick weiter schärfen. So wird gewährleistet, dass die Transformation in den nächsten Jahrzehnten auch vollzogen wird.
(Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren)
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Einen Überblick über die Herausforderungen bei der Umsetzung der CSRD und der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements mit Einschätzungen von vier Nachhaltigkeitsmanager*innen aus kommunalen Unternehmen unterschiedlicher Größe finden Sie in der aktuellen Ausgabe der ZfK, die am 6. Mai erschienen ist. Zum Abo geht es hier.