KI steuert Abwasserkanal in Jena vollautomatisch

Passgenau im Kanal installierte Verschlussklappen regulieren den Schmutzwasserstrom in Jenas größtem Abwasserkanal. Geöffnet und geschlossen werden sie vollautomatisch von einer künstlichen Intelligenz.
Bild: © Stadtwerke Jena
Von Elwine Happ-Frank
Das Herzstück der Lösung ist eine KI, die kontinuierlich die optimale Einstellung für zwei flexible Absperrklappen im acht Kilometer langen Hauptsammler in Jena zwischen den Stadtteilen Lobeda und Zwätzen ermittelt. Die Technologie nutzt dafür aktuelle Messwerte zu Durchfluss und Sedimentablagerungen, kombiniert diese mit Wetter- und Niederschlagsprognosen sowie Simulationsdaten zum städtischen Kanalnetz und berücksichtigt zugleich betriebliche Anforderungen der zentralen Kläranlage.
"Die digitale Steuerung ist seit Anfang September im laufenden Betrieb", berichtet Robert Köllner, Bereichsleiter Abwasser bei den Stadtwerken Jena. "Von ein paar Anfangsschwierigkeiten abgesehen, sind wir mit der Wirkungsweise sehr zufrieden."
Projekt InSchuKa 4.0
Im Forschungsvorhaben "Kombinierter Infrastruktur- und Umweltschutz durch KI-basierte Kanalnetzbewirtschaftung" (InSchuKa 4.0) arbeitete der Zweckverband JenaWasser seit 2022 mit den Hochschulen Hof und Magdeburg-Stendal zusammen. Beteiligt waren zudem die Unternehmen HST Systemtechnik, Pegasys und Nivus aus den Bereichen Messtechnik, Automatisierung und Digitalisierung. Das Bundesforschungsministerium förderte das Vorhaben mit 650.000 Euro, das Gesamtvolumen für JenaWasser beläuft sich auf 925.000 Euro.
Weitere Informationen: www.stadtwerke-jena.de/inschuka
Vier Funktionen gegen extreme Wetterlagen
Die passgenau angefertigten Klappen können den Schmutzwasserfluss im bis zu drei Meter breiten Hauptsammler stufenlos regulieren oder komplett unterbrechen. Das System ermöglicht einen beschleunigten oder verzögerten Abfluss je nach Wetterlage, nutzt das Kanalvolumen als Rückhalteraum bei Starkregen, erzeugt gezielte Spülwellen zur Entfernung schädlicher Ablagerungen bei Trockenheit und sorgt für einen gleichmäßigen Zufluss zur Kläranlage für effizienteren Betrieb.
"Der Klimawandel stellt die Abwasserwirtschaft gleich vor eine Reihe von sehr unterschiedlichen Herausforderungen", erläutert Köllner. "Bei Starkregen reichen die vorhandenen Kanalkapazitäten oft nicht aus. Bei längeren Trockenphasen fehlt Wasser im Kanal, es kommt zu Ablagerungen, Geruchsbildung und Schäden an der Bausubstanz. Nicht zuletzt hat die stark schwankende Schmutzfracht auch negativen Einfluss auf den Betrieb unserer Kläranlagen."
Digitaler Zwilling als Datengrundlage
Für die KI-gesteuerte Plattform erstellte das Projektteam einen dreidimensionalen digitalen Zwilling des Kanals. Grundlage waren Drohnenaufnahmen und Infrarotmesswerte des Abwasser-Hauptsammlers. Ergänzend wurden zahlreiche Messpunkte für unterschiedlichste Parameter im Kanalnetz verbaut und in das System eingebunden.
Die beiden Klappen befinden sich etwa auf halber Strecke unweit der Innenstadt sowie kurz vor der Zentralkläranlage in Jena-Zwätzen. Sie wurden in Einzelteilen vor Ort installiert und transportieren einen Großteil des städtischen Schmutzwassers zur Kläranlage.
In den kommenden Monaten soll das System seine Leistungsfähigkeit bei extremen Wetterlagen unter Beweis stellen. Die praktischen Erfahrungen werden an das Projektteam sowie weitere interessierte Kommunen weitergegeben, um die Technologie weiterentwickeln und übertragen zu können.
Ausgezeichnetes Engagement
Seit Jahren arbeiten die Stadtwerke Jena und JenaWasser an Lösungen für die Klimawandel-Herausforderungen. Bereits 2018 setzte sich der Bereich Abwasser im Generalentwässerungsplan mit Extremwetterereignissen und Starkregenvorsorge auseinander und erhielt dafür den Thüringer Klimaschutzpreis "Die Blaue Libelle". Für das Projekt InSchuKa 4.0 erhielt JenaWasser 2024 den NachhaltigkeitsAWARD der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK).

