Abwasser

Polioviren im Abwasser von immer mehr Städten

Seit den ersten Funden Ende November wird der Erreger mittlerweile in den Klärwerken von vielen deutschen Großstädten nachgewiesen. Auch andere EU-Länder sind betroffen. Die Herkunft ist nach wie vor unklar.
27.01.2025

Bei den Erregern handelt es sich um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen.

 

Nach dem Fund von Polioviren in München, Bonn, Köln, Hamburg, Dresden, Düsseldorf und Mainz sind die Erreger in Proben aus weiteren deutschen Städten nachgewiesen worden. Positive Tests gab es nun auch aus Klärwerken in Stuttgart und Berlin, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) mitteilte.

Die zwei Städte seien zusammen mit Frankfurt am Main neu in die Testungen aufgenommen worden. Die Nachweise stammen aus dem Zeitraum zwischen Anfang November (Berlin) und Anfang Dezember 2024 (Stuttgart). In Frankfurt wurden keine Erreger festgestellt.

Bei den Erregern handelt es sich demnach nicht um den Wildtyp des Poliovirus, sondern um Viren, die auf die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern zurückgehen.

Die abgeschwächten Impfviren können von Geimpften bis zu sechs Wochen lang ausgeschieden und weiterverbreitet werden. Sie haben sich so verändert, dass sie unzureichend geimpfte Menschen potenziell krank machen können. Die Schluckimpfung wird in Deutschland nicht mehr genutzt.

Geringe Wahrscheinlichkeit für Ansteckung

Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion sei jedoch äußerst gering und die Konsequenz einer Infektion – sofern man geimpft ist – vernachlässigbar, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten der Deutschen Presse-Agentur kürzlich. Spezielle Vorsichtsmaßnahmen seien daher nicht notwendig – allerdings solle man seinen Impfschutz prüfen oder vom Hausarzt prüfen lassen.

Wie das RKI erklärte, ist es nach wie vor unklar, ob die gefundenen Viren aus dem Ausland eingeschleppt wurden oder ob in Deutschland bereits eine Übertragung stattgefunden hat. Ausgeschlossen sei eine solche Übertragung nicht. Verdachtsfälle auf die Krankheit seien bisher aber weder in Deutschland noch in anderen betroffenen Ländern in Europa bekannt.

Positive Proben in vielen europäischen Ländern

In Spanien, Polen, Großbritannien und Finnland wurden kürzlich ebenfalls Polioviren in Abwasserproben entdeckt, wie in der Fachzeitschrift "Eurosurveillance" berichtet wurde. "Es ist unklar, wie viele Länder Europas betroffen sind, da Abwassertestungen auf Polioviren nur in 23 der 53 Länder der Europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt werden", so das RKI.

In Deutschland hatte das RKI am 28. November 2024 erstmals über Nachweise von Schluckimpfstoff-abgeleiteten Polioviren im Abwasser berichtet. Die deutschlandweit letzten positiven Proben wurden den Experten zufolge Mitte Dezember in Köln, Bonn und Düsseldorf entdeckt. Allerdings stünden die Ergebnisse von Proben, die über den Jahreswechsel genommen worden seien, noch aus. (hp/dpa)