Abwasser

Wasser 4.0: Ein „digitaler Zwilling“ für Pumpstationen

Die Berliner Wasserwerke sind Partner in einem Forschungsprojekt, bei dem Pumpstationen digital abgebildet werden. Ziel ist die Entwicklung einer intelligenten Anlage.
24.07.2020

Dem Original zum Verwechseln ähnlich: So sieht das virtuelle Abbild einer Pumpstation aus.

Das intelligente Management und die sichere Behandlung von Wasser und Abwasser sind ingenieurtechnische Höchstleistungen, gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Urbanisierung und des Klimawandels. Um in großen Städten die entsprechenden Infrastrukturen effizienter und besser beherrschbar zu machen, entwickeln Wissenschaftler der TU Berlin zusammen mit den Berliner Wasserwerken und Siemens innovative, intelligente Konzepte und Strategien und untersuchen sie in einer realistischen Umgebung.

Ausgangspunkt ist der „digitale Zwilling“ einer Pumpstation. Mit seiner Hilfe wird es künftig möglich sein, virtuell Probleme im Abwassersystem aufzudecken sowie dieses mit smarter Technik vorausschauend zu betreiben und funktionsfähig zu halten.

Selbstständige Fehlerbehebung

„Der digitale Zwilling ist ein echter Meilenstein auf dem Weg zu Wasser 4.0“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Paul-Uwe Thamsen, der das Fachgebiet Fluidsystemdynamik am Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik der TU Berlin leitet. „Allein Berlin ist in den vergangenen 20 Jahren um 300.000 Menschen gewachsen“, so Thamsen. „Lange Trocken- und Hitzeperioden nehmen zu, ebenso Starkregenereignisse. Das macht insbesondere unseren Abwassersystemen sehr zu schaffen.“

Als Forschungspartner der TU Berlin hat Siemens rund 500.000 Euro investiert, um die Pumpenversuchsanlage der TU-Forscher mit der neuesten Technologie auszustatten, die die Anlage nun Schritt für Schritt um einen digitalen Anlagenzwilling erweitert, so dass schließlich alle Informationen des Versuchsstandes in einer digitalen Umgebung vorliegen: Planungsunterlagen, technische Daten, Einstellparameter, Betriebs- und Wartungsinformationen bis hin zur Fehlerdiagnose mit selbstständiger Reaktion zur Fehlerbehebung.

Millioneninvestitionen werden überflüssig

Für die Berliner Wasserbetriebe ist ein weiterer Aspekt besonders interessant, den der digitale Anlagenzwilling verspricht. „Durch die intelligente Vernetzung von vorhandenen Wasser- und Abwasser-Rückhalteeinrichtungen und die vorausschauende Betriebsweise von Abwasser-Pumpstationen werden Niederschlagsereignisse besser beherrschbar und energetische Einsparungen gegenüber dem regulären Betrieb möglich“, so Thamsen. „Das kann auch den Bau neuer Anlagen ersparen, der oft mit Millioneninvestitionen verbunden ist. Die Digitalisierung des Systems unterstützt also eine effiziente und ökonomische Wasserwirtschaft.“

Ein großes Problem im städtischen Abwassersystem sind zum Beispiel die sogenannten „Verzopfungen“. Das sind meterlange, stinkende und schleimige dicke Materialklumpen, die sich regelmäßig tief unter der Erde der summenden Metropole im Abwasserstrom ineinander verdrehen und schließlich die riesigen Abwasserpumpen blockieren. Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe müssen diese dann von Hand aus der Pumpstation zerren, damit die Berliner Straßen nicht zur Kloake werden.

Weiterentwicklung der Pumpstation

Hauptverursacher sind feuchte Baby- oder Hygienetücher, die achtlos in die Toilette geworfen werden, denn sie lösen sich im Abwasser nicht auf. „Mit dem digitalen Zwilling kann man die Gefahr solcher Verzopfungen frühzeitig erkennen und die Pumpen rückwärts laufen lassen, um sie zu reinigen“, so Thamsen. „Alles in allem hilft uns die Digitalisierung, unsere Infrastrukturen optimal zu verstehen und zu nutzen.“

Mit der neuen Versuchsanlage der „quasi realen Pumpstation“ plus dem digitalen Zwilling steht der TU Berlin eine experimentelle Grundausstattung zur Verfügung, an der zahlreiche innovative Lösungen für intelligente Pumpstationen entwickelt werden. Diese können auf beliebige Abwasser-Netzstrukturen unterschiedlichster Städte angewandt werden. (hp)