Wasserwerke am Bodensee kämpfen gegen Quagga-Muschel
Die Gegnerin von Remo Schnyder, Brunnenmeister beim Schweizer Versorger Regio Energie Amriswil (REA) am Bodensee, ist klein und hartnäckig: die Quagga-Muschel. Eingeschleppt wurde die etwa vier Zentimeter lange Muschel Experten zufolge vor rund zehn Jahren aus dem Schwarzmeerraum durch Boote, an denen sie sich festgesetzt hatte. Seitdem breitet sie sich explosionsartig aus – auch in Leitungen der Wasserwerke, die Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen.
Schnyders Mittel im Kampf gegen die Muschel heißt «Molchen». Dabei werde ein Schaumstoffstöpsel – ein sogenannter Molch – durch die Wasserleitungen geschickt, sagt der Brunnenmeister im Wasserwerk des Schweizer Bodenseeortes Keswill in der Nähe von Romanshorn. Er nehme die Muscheln mit.
Keine Lösung „von der Stange“
Der «Molch» wird mit Wasser vorangetrieben. «Damit er aus dem Werk durch die Leitungen in den See geschossen wird, braucht man 400 Kubikliter Wasser. Das ist eine relativ anständige Menge.» Für das «Molchen» werde eine Schleuse entleert. Dann werde der «Molch» in das Rohr eingesetzt und später durch das Fluten der Schleuse durch die 1400 Meter lange Leitung geschossen.
Es sei ähnlich wie bei einem Torpedorohr in einem U-Boot, erklärt Schnyder. «Da gibt es ja zig Filme. Von da hatte ich die Idee.» Es sei sehr viel Tüftelarbeit gewesen, bis es geklappt habe. Von der Stange gebe es so eine Anlage nicht. Der «Molch» werde nach dem Vorgang im See wieder eingefangen.
Wasserleitungen mit größerem Durchmesser
«Wir waren extrem im Zugzwang», erklärt Schnyder. «Wir haben das Wasser nicht mehr aus dem See in das Werk bekommen.» Die Muscheln hätten die Leitungen verstopft, dadurch habe das Werk nicht mehr genug Wasser aufbereiten können. Die alten Leitungen hatten einen Durchmesser von 40 Zentimetern. «Deswegen haben wir jetzt zwei 60-Zentimeter-Leitungen.» Das Kesswiler Wasserwerk versorgt Schnyder zufolge mehr als 20.000 Menschen mit Wasser.
Auch andere Wasserwerke rund um den Bodensee kämpfen gegen die Quagga-Muschel. In Romanshorn und Friedrichshafen etwa komme das «Molchen» ebenfalls zum Einsatz. «Wir waren quasi die Versuchskaninchen dafür.» Sipplingen will zudem auf Ultrafiltrationsanlagen an Uferstandorten setzen, die die kleinen Larven der Quagga-Muschel aus den technischen Anlagen und Aufbereitungsstufen fernhalten sollen.
Studie prognostiziert teure Schäden
Laut einer Studie der Universität Konstanz könnte die invasive Muschel Schäden in Millionenhöhe verursachen. Auch am Genfer See und am Bielersee sei sie schon angekommen. Der Zürichsee hingegen sei noch frei von der Quagga-Muschel. Mit Flyern werden Bootsbesitzer rund um Zürich darauf hingewiesen, Boote vor einem Einsatz im Zürichsee zu reinigen, um die Muschel nicht einzuschleppen.
Der Studie zufolge wird die Quagga-Muschel-Masse pro Quadratmeter im Bodensee, Genfer See und Bielersee in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich um das Neun- bis Zwanzigfache zunehmen, verursacht vor allem durch eine stärkere Besiedlung der tieferen Bereiche der Seen. Dies könne zu großen Veränderungen im Ökosystem führen.
Noch ein langer Kampf
Die Bodensee-Wasserversorgung schätzt, man könnte am Bodensee etwa 15 Jahre von der Situation am US-amerikanischen Lake Michigan entfernt sein. Dort habe sich die Muschel, die auch an Stegen und Booten wächst, so stark verbreitet, dass sie nun 90 Prozent der Biomasse ausmache. Der Verlauf der Ausbreitung sei in beiden Seen bisher vergleichbar.
«In bereits betroffenen Seen kann die Dynamik aufgrund der Invasivität der Muscheln nicht mehr aufgehalten werden», erklärt der Schweizer Quagga-Muschel-Experte Piet Spaak, der an der Konstanzer Studie beteiligt war. Der Kampf der Wasserwerke dürfte also noch lange weitergehen. (dpa/hp)