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Digitalisierung unter Druck: Warum Stadtwerke jetzt handeln müssen

Trotz erkanntem Handlungsdruck bleibt die Investitionsbereitschaft in der Energiewirtschaft gering. Warum das so ist und welche Wege aus der digitalen Sackgasse führen könnten.
06.05.2025

Die digitale Transformation sei kein Selbstzweck – sie ist überlebenswichtig.

Von Stephanie Gust

Die Digitalisierung in der Energiewirtschaft hat deutlich an Tempo verloren. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen der Utility-4.0.-Studie nennen Zeitmangel, Fachkräftemangel und fehlendes digitales Know-how als zentrale Hürden. Obwohl die Herausforderungen klar benannt sind, fehlt es in vielen Stadtwerken an der Konsequenz, die Transformation strategisch voranzutreiben. Automatisierung, Outsourcing oder Plattformlösungen spielen in vielen Häusern noch keine entscheidende Rolle – obwohl sie gerade in Zeiten knapper Ressourcen entscheidend sein könnten.

Große wie kleine EVU kämpfen mit denselben Problemen

Überraschend ist: Große Stadtwerke und kleinere Versorger bewerten den Stand ihrer Digitalisierung nahezu gleich. Das widerspricht dem gängigen Bild, wonach größere Unternehmen durch mehr Ressourcen einen Vorsprung hätten. Doch die Realität ist komplexer. Zwar verfügen größere Stadtwerke oft über größere Budgets, müssen sich aber auch mit aufwendigeren IT-Strukturen, strengeren regulatorischen Vorgaben und langwierigen Entscheidungsprozessen auseinandersetzen. Kleinere Versorger kämpfen oft mit personellen und finanziellen Problemen.

Auffällig ist zudem, dass kleinere Unternehmen ihre Prozessmanagementstrukturen deutlich schlechter bewerten als größere – ein klarer Hinweis auf strukturellen Aufholbedarf. Insgesamt stehen Unternehmensgruppen vor sehr ähnlichen Herausforderungen: Fachkräftemangel, fehlendes Know-how und chronischer Zeitdruck.

IT-Investitionen auf Sparflamme: Ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit

Ein zentrales Problem bleibt die geringe Investitionsbereitschaft in digitale Infrastruktur. Besonders alarmierend: 40 Prozent der befragten KMU geben an, lediglich ein Prozent oder weniger ihres Umsatzes in die IT zu investieren – ein Rückgang um zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Auch bei den großen EVU liegt der Anteil nur bei 13 Prozent.

"Unternehmen, die weniger als zwei Prozent ihres Umsatzes in die digitale Transformation investieren, können ihren Digitalisierungsgrad bestenfalls halten – oder verlieren langfristig im Wettbewerb“, sagt Simone Kiefer, Fachbereichsleiterin Marketing und Projektleiterin der Studie. Echter Fortschritt bleibe so unerreichbar. Die Ursachen für diese Zurückhaltung sind laut Studie vielfältig: wirtschaftliche Unsicherheit, ausgeschöpfte Budgets nach größeren Digitalisierungsprojekten, fehlendes Fachpersonal, Schwächen im Prozessmanagement sowie zunehmende regulatorische Belastung.

Plattformen und Partnerschaften als Hebel

Trotz allem zeigt die Studie auch Perspektiven: Knapp 90 Prozent der Befragten halten energiewirtschaftliche IT-Plattformen für wichtig oder sehr wichtig. Sie ermöglichen nicht nur die Automatisierung und Optimierung zentraler Prozesse, sondern helfen auch, Kosten zu senken – ein entscheidender Faktor angesichts des Fachkräftemangels. Auch Kooperationen mit Hochschulen, Dienstleistern und anderen EVU gewinnen an Bedeutung. "Wer vernetzt denkt und auf strategische Partnerschaften setzt, kann Know-how gezielt aufbauen und von erprobten Best Practices profitieren“, ergänzt Lena Trunzler, Marketing Managerin bei Prego Services.

Künstliche Intelligenz: Chance mit Verantwortung

Ein weiterer Zukunftsbaustein ist der gezielte Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Ob bei der Analyse großer Datenmengen, der Prognose von Lastverläufen oder der Automatisierung von Routineaufgaben – KI kann Stadtwerke entscheidend entlasten. Voraussetzung ist allerdings eine sorgfältige Einführung unter Einbeziehung von Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen, insbesondere im KRITIS-Umfeld.
Stadtwerke sollten den Weg der digitalen Transformation mit einer klaren Vision, einer durchdachten Planung und einer proaktiven Risikomanagementstrategie gehen. "Nur so kann die Technologie ihr volles Potenzial entfalten, ohne ‘unerwünschte Nebenwirkungen’ hervorzurufen", rät Simone Kiefer.

Der richtige Dienstleister: Branchenkenntnis und Flexibilität gefragt

Die Studie zeigt zudem eine gewisse Unzufriedenheit mit bestehenden Dienstleistern. Zu langsam, zu unflexibel – so lauten die Vorwürfe vieler Befragter. "Was Stadtwerke heute brauchen, sind Partner mit tiefem Branchenverständnis, hoher Anpassungsfähigkeit und einem proaktiven Kommunikationsstil. Nur so lassen sich die komplexen regulatorischen Anforderungen und die operativen Herausforderungen effizient bewältigen", sagt Simone Kiefer.

Fazit: Nicht das "Ob", sondern das "Wie" entscheidet

Die digitale Transformation sei kein Selbstzweck – sie ist überlebenswichtig. Stadtwerke, die heute strategisch investieren, Plattformlösungen einsetzen und auf verlässliche Partnerschaften setzen, sichern ihre Wettbewerbsfähigkeit von morgen. "Die Zusammenarbeit mit anderen Energieversorgungsunternehmen, Hochschulen und spezialisierten Dienstleistern kann dabei von großem Vorteil sein", rät Lena Trunzler. Sie empfiehlt aufgrund des begrenzten internen Know-hows und der knappen Ressourcen, externe Beratungs- und Umsetzungsleistungen in Anspruch zu nehmen. 

"Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für Stadtwerke entscheidend, verstärkt in digitale Technologien und Prozesse zu investieren. Nur mit strategischer Planung und der Bereitschaft, in innovative Lösungen zu investieren, kann die digitale Transformation gelingen."