Smart City / Energy

IVU: Rollout droht zu scheitern

Die Ausstattung Deutschlands mit intelligenten Messsystemen lässt noch immer auf sich warten – da wagt sich Julian Stenzel, Geschäftsführer der IVU-Informationssysteme, mit einer düsteren Prognose vor. Die energiewirtschaftliche Marktkommunikation verzerre im Übrigen den Wettbewerb.
19.09.2019

Julian Stenzel ist Geschäftsführer der IVU Informationssysteme sowie von Meterpan und von Tremondi.

Das "Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende" ist seit Anfang 2016 in Kraft, und noch immer lässt sich kein einziges zertifiziertes intelligentes Messsystem (iMSys) einbauen, weil erst eines, das von PPC, den gesamten Genehmigungsprozess durchlaufen hat. Aber was ist, wenn der Rollout, die flächendeckende Ausstattung mit einer Auswahl aus mehreren Anbietern, tatsächlich in diesem oder im nächsten Jahr beginnt?

Der Geschäftsführer des IT-Beratungsunternehmens und -Entwicklers IVU, Julian Stenzel, wagte sich nun vergangenen Donnerstag auf einem Erfahrungsaustausch kommunaler Energiehandelskooperationen in München, der von der LBD-Beratungsgesellschaft organisiert wurde, mit einer düsteren Prognose vor: "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass der Rollout scheitern wird. Ich befürchte das, aber es ist auch eine Chance."

"Rollout-Teilnehmer jahrelang behindert"

Diese Einschätzung begründete er damit, dass die Teilnehmer am Rollout mit immer neuen Standards und Anforderungen der PTB und anderen in einem überlangen Zulassungsverfahren behindert würden – dieser Aufwand für ein paar tausend Pflichteinbauten im Startjahr. Dies sei eine staatliche Wettbewerbsbehinderung gegenüber Anbietern von Prosumerlösungen oder künftigen Tech-Start-ups, die – mit oder ohne die Transaktionsregister-Technologie Blockchain – für den Prosumer nicht nur alles rund um den Messstellenbetrieb (Metering) vorhalten würden, sondern auch Hard- und Software sowie Dienstleistungen "Behind the Meter" (BTM) – zum Beispiel smarte Verbrauchsgeräte und Photovoltaik-Systeme sowie "Handel & Verkauf" von Strom.

Für daten- und plattformgetriebene Geschäftsmodelle fehle einzelnen Stadtwerken, so Stenzel, die Größe und Verbreitung: "Technologisch wird uns das von hinten überrollen. Daher empfehlen wir, sich zusammenzuschließen und gemeinsame Digitalisierungsbemühungen und entsprechende BTM-Geschäftsmodelle zu entwickeln."

"Mako wird digitaler Zukunft nicht gerecht"

Eine "Ökonomisierung der Energiewende" und der Aufbau neuer nationaler Datenplattformen tut Stenzel zufolge Not. Doch ein mangelnder regulatorischer Rahmen verhindere neue Geschäftsmodelle. Auch die energiewirtschaftliche Marktkommunikation (Mako) – also die standardisierte elektronische Kommunikation zwischen den verschiedenen Marktrollen in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, die von der Bundesnetzagentur vorgegeben und geändert wird – wird nach Stenzels Ansicht "in ihrer heutigen technischen Form der künftigen digitalisierten Energiewirtschaft nicht gerecht: Sie verunmöglicht multilaterale Systeme wie bei Sonnen", sagte der IVU-Geschäftsführer, "weil sie ausschließlich bilaterale Kommunikation vorschreibt". Die digitale Energiewelt der Zukunft setze aber eine multilaterale Kommunikation voraus.

Der Aufstieg der Blockchain-Technologie schaffe darüber hinaus auch in der Energiebranche datengetriebene Geschäftsmodelle auf Basis neuartiger Plattformen, bei denen der Energieversorger als Drehscheibe "obsolet wird", so Stenzel weiter. Das Geschäftsmodell der klassischen Energieversorger und Querverbundunternehmen sei – neben der physikalischen Bereitstellung von Energie und anderem – darauf aufgebaut, dass die Zahlungsflüsse durch das Unternehmen geroutet werden – wie der Geldverkehr durch Banken. Blockchain kommen aber ohne zentrale Vertrauens- und Verifizierungsinstanzen aus. Stenzel bekannte, er sei explizit "kein Fan von Blockchain", zog aber mit Bezug auf die Energiebranche das Fazit: "Wir brauchen die Blockchain noch nicht, weil wir noch am Routing der Daten verdienen."

Wie IVU am Smart Metering beteiligt ist

IVU aus Norderstedt bei Hamburg berät unter anderem über 100 Stadtwerke zu allen kaufmännischen IT-Prozessen (außer Energiehandel) und arbeitet für verschiedene Software-Anwendungen jeweils exklusiv mit branchenbezogenen Softwareschmieden zusammen, etwa mit Wilken und Kisters. Zusammen mit ihrer Beteiligung Meterpan betreibt das Unternehmen sämtliche Softwaresysteme für die Messdienstleistung 2.0, die Geräteverwaltung und die Smart-Meter-Gateway-Administration (GWA). Sie verwendet eine GWA-Software von Tremondi, einem jungen Gemeinschaftsunternehmen mit Wilken. (geo)