Mehr Klarheit im Digitalisierungs-Dschungel: ein Marktplatz für Städte und Gemeinden
Von: Stephanie Gust
Städte und Gemeinden, vor allem, wenn es sich um kleinere und mittlere handelt, sehen aktuell großen Verbesserungsbedarf, wenn es darum geht, die geeigneten Tools für die Digitalisierung ihrer Kommune auszuwählen und zu beschaffen. Das ist die Erfahrung von Steffen Heß. Er leitet die Hauptabteilung Digital Innovation & Smart City am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.
"Oftmals werden die Produkte mit vielversprechenden Texten beworben. Aber ob sie das halten, was sie vorgeben, weiß man oftmals nicht“, so seine Erfahrung. Allgemein sei es sehr schwer für kommunale Mitarbeitende, überhaupt einen Überblick über Technologien und über das, was am Markt verfügbar sei, zu erhalten. "Die Mitarbeitenden werden quasi tagtäglich von Anbietern angerufen, die Smart-City-Apps, einen Chatbot oder eine urbane Datenplattform verkaufen wollen.“
Rahmen für digitale Lösungen für das Gemeinwohl
Für eine bessere Orientierung hat das Fraunhofer IESE daher einen Marktplatz (https://marktplatz.landkreise.digital/ ) im Rahmen des Modellvorhabens "Smarte.Land.Regionen“ entwickelt. Das Modellvorhaben wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert und unterstützt die Digitalisierung im ländlichen Räumen. Der Marktplatz wiederum ist Teil des Stufenplans „Smart Städte und Regionen“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Beide Initiativen kooperieren, um die Digitalisierung von Städten und Regionen vorabzutreiben.
Ziel des Stufenplans ist es, einen Rahmen zu schaffen, der es allen Kommunen ermöglicht, unabhängig von ihren Voraussetzungen digitale Lösungen zu implementieren, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind.
Direkter Kundennutzen im Fokus
Auf der Website des Marktplatzes, die aussieht wie bei App Stores oder Amazon, finden sich Lösungen und Beratungsleistungen zur digitalen Daseinsvorsorge unterschiedlichster Akteure und können dort auch verglichen werden. Zudem ist auch eine einfache Kontaktaufnahme zu den Anbietern möglich. Heß betont, dass dort nur Software abgebildet wird, die auch direkt von den Kommunen genutzt werden kann. "Viele brauchen etwas, was aus der Box funktioniert und bei dem sie sich nicht noch Gedanken machen müssen, wie betreiben wir das jetzt mit unserer IT oder was sind die technischen Voraussetzungen“, sagt er.
Auf der Seite kann man auch Preise einsehen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, welches Budget nötig ist. Zudem durchlaufen alle Angebote ein dreistufiges Bewertungsverfahren, damit die Qualität größtmöglich gesichert werden kann.
Mehrstufiges Prüf-Verfahren
In der ersten Stufe geben die Anbietenden an, ob ihr Angebot barrierefrei ist, ob sie den Grundschutz nach dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik einhalten, ob es Open-Source ist und welche Vertragsmodalitäten es gibt.
In der zweiten Stufe prüft bei Open Source Software ein KI-Check fünf unterschiedliche Kriterien: Usability, Community, Dokumentation, Architektur, Code und Qualität.
KI-Checkup für automatisiertes Prüfverfahren
Heß erklärt, wie das zu verstehen ist: Stellt ein Anbieter zum Beispiel keine Screenshots zur Verfügung, wird das negativ bei der Usability bewertet. Auch die Dokumentation wird vom KI-Checkup überprüft, nämlich ob sie vollständig ist und eine sinnvolle Struktur hat. Bei der Architektur lassen sich Rückschlüsse auf Wartbarkeit und Modularität schließen. Und bei der Code-Qualität wird geprüft, ob die Kommune mit Dienstleistern die Lösung eigenständig erweitern kann.
Aktuell ist der KI-Checkup noch nicht freigeschaltet, läuft aber bereits auf der Seite. „Wir befinden uns noch im Überprüfungsmodus und vergleichen die Ergebnisse mit Einschätzungen von Fachleuten. Zum aktuellen Zeitpunkt sind die Ergebnisse sehr, sehr nah zusammen.“
Und als dritte Stufe sollen dann noch Bewertungen der Kommunen hinzu kommen. Hierbei ist vorgesehen, dass zu den einzelnen Bewertungen auch die jeweiligen Ansprechpartner hinterlegt werden, damit die Mitarbeitenden der Kommunen direkt Nachfragen bei diesen stellen können.
Weitere Infos zum Marktplatz
Aktuell sind schon 78 Lösungen auf dem Marktplatz vertreten. 85 Kommunen haben einen Zugang. Die Dunkelziffer sei jedoch deutlich höher, weil die meisten Informationen auch ohne Login zu sehen sind. Hier gebe man auch zunehmend Informationen frei.
Zudem ist der Markplatz zumindest die nächsten zwei Jahre kostenfrei, da es ein vom Bund gefördertes Projekt ist und das BMEL die Anschubfinanzierung übernimmt. Wer anschließend die Kosten übernimmt, ist laut Steffen Heß noch nicht klar – "aber es ist auch nicht der Plan, den Marktplatz in ein rein kommerzielles Betriebsmodell zu überführen“. Man könne sich aber überlegen, bestimmte Module wie zum Beispiel Tipps zur Verbesserung des Produkts mit einer kleinen Gebühr zu belegen.
Heß lobt die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren bei dem Projekt ausdrücklich: "Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von vielen, von den beiden Ministerien, den kommunalen Spitzenverbänden und von den Ländern.“ Und weiter: "So ein Projekt kann schließlich nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen“, erklärt der Wissenschaftler.