Negativpreise und dynamische Tarife: Kunden erhalten erstmals Geld zurück

Wer einen dynamischen Tarif nutzt, durfte sich am Sonntag erstmals über Netto-Negativpreise freuen. (Symbolbild)
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Von Julian Korb
Wer am Sonntagmittag im Großhandel Strom verkaufen wollte, musste ordentlich draufzahlen. Für die Stunde zwischen 13 und 14 Uhr rutschte der Börsenstrompreis in der Day-Ahead-Auktion auf minus 250 Euro pro Megawattstunde (MWh). Insgesamt sieben Stunden lang gab es Negativpreise.
Erst ab 18 Uhr erholten sich die Preise wieder, mit einem Höchstpreis von rund 130 Euro pro Megawattstunde um 20 Uhr. Für Endkunden, die einen dynamischen Stromtarif nutzen, führte das zu einem Novum in diesem Jahr: Erstmals erhielten sie auch netto – also nach Steuern, Umlagen und Netzentgelten – Geld dafür, wenn sie Strom verbrauchten.
Mehr als 7 Cent pro Kilowattstunde
Seit Jahresanfang 2025 sind alle Stromanbieter mit mehr als 100.000 Kunden verpflichtet, einen solchen dynamischen Tarif anzubieten. Seitdem gab es bereits mehr als hundert Stunden mit negativen Preisen an der Strombörse. Warum erhielten Endkunden also erstmals in diesem Jahr auch Geld zurück?
Zwar werden bei einem dynamischen Tarif die Börsenstrompreise direkt an die Kunden durchgereicht. Auf diesen Preis kommen allerdings noch Netzentgelte, Steuern und Abgaben hinzu. Steuern, Abgaben und Umlagen allein machten im März 2025 laut Angaben der Bundesnetzagentur und des Branchenverbandes BDEW insgesamt 32 Prozent des Strompreises aus. Netzentgelte – genauer gesagt Netznutzungsentgelte – haben einen Anteil von knapp 28 Prozent am Endkundenpreis.
Insofern reichen leicht negative Börsenstrompreise nicht aus, um auch netto für Erstattungen zu sorgen. Ein Großhandelspreis von in der Spitze minus 250 Euro pro MWh, beziehungsweise 25 Cent pro Kilowattstunde (kWh), reichte dafür aber aus. Je nach örtlichem Netzentgelt gab es eine Auszahlung zwischen 7 und 11 Cent je verbrauchter kWh.
Rekorde bei negativen Strompreisen
Für die negativen Preise an der Börse sorgte vor allem ein Überschuss an Solarstrom. Es steht zu erwarten, dass es im Jahresverlauf zu weiteren Netto-Negativpreisen kommt. Denn die solarstarke Zeit hat erst begonnen.
Merlin Lauenburg, Chef des Stromanbieters Tibber, wagte deshalb eine Prognose. "Es sieht danach aus, dass dieser Sommer erneut alle Rekorde bei negativen Strompreisen bricht." Im vergangenen Jahr lagen die Preise an der Strombörse an 457 Stunden im negativen Bereich, eine Steigerung um 50 Prozent gegenüber 2023.
Im Jahr 2024 wurden nochmal 17,5 Gigawatt (GW) an Photovoltaik-Leistung zugebaut. Eine erneute, kräftige Steigerung halten viele Branchenexperten daher für wahrscheinlich.
Steigende Kosten im EEG-Konto
Teure Folgen haben die zahlreichen Negativpreise hingegen für den Steuerzahler. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert vielen Solarstromanlagen selbst dann noch eine fixe Vergütung, wenn der Strom an der Börse längst wertlos geworden ist. Ein neues Stromspitzengesetz, das die alte Bundesregierung noch mit Stimmen der Union durchsetzte, gilt nur für neu zugebaute Anlagen.
So wird die Differenz zwischen versprochener Vergütung und dem aktuellen Marktwert des Solarstroms weiterhin aus dem Bundeshaushalt beglichen. Heißt: Kunden von dynamischen Tarifen, die zu negativen Preisen Strom verbrauchen oder diesen einspeichern, bekommen ihre Energie tatsächlich vom Steuerzahler subventioniert. Zusätzlich muss Deutschland immer mehr überschüssigen Strom ins Ausland exportieren – und dabei ebenfalls draufzahlen. Allerdings haben auch andere Länder, wie etwa Frankreich, dieses Problem.
Aber auch für Solaranlagen, die direkt an der Börse vermarktet werden, sind die zunehmenden Negativpreise ein Problem. So sank der Marktwert von Solarstrom im Jahreslauf bislang steil. Im April lag er nur noch bei 39 Prozent dessen, was Strom im Mittel kostet. Konkret: 3 Cent pro Kilowattstunde. Ohne die staatliche Förderung wären viele neue Solarprojekte daher derzeit kaum wirtschaftlich.