Strom

Öko-Plattform soll Engpässe in den Stromnetzen reduzieren

Regelmäßig werden Windräder im Norden abgeschaltet. Grund sind Engpässe in den Stromnetzen. Diese Abschaltungen sollen mit einem Projekt aus Schleswig-Holstein deutlich reduziert werden. Das soll nicht nur zu mehr Ökostrom-Verbrauch vor Ort führen, sondern auch Geld sparen.
01.11.2018

Martin Grundmann ist Geschäftsführer der Arge Netz, eines Zusammenschlusses von 352 Betreibern von Grünstrom-Erzeugungsanlagen. Arge Netz agiert vor allem in Schleswig-Holstein.

Mit einer neuen Öko-Plattform wollen Schleswig-Holstein Netz AG und ARGE Netz Netzengpässe bei den erneuerbaren Energien reduzieren und gleichzeitig mehr Ökostrom-Verbrauch vor Ort ermöglichen. «2017 hätten 3000 Mio. KWh mehr an grünem Strom aus Schleswig-Holstein im Norden genutzt werden können», sagte Matthias Boxberger, der Aufsichtsratsvorsitzende der Schleswig-Holstein Netz AG, am Donnerstag bei der Vorstellung des Forschungsprojekts Enko. Mit dieser Energiemenge hätte nach seinen Angaben die gesamte Region Kiel bis Ende 2020 versorgen werden können.

«Die Energiemenge konnte aber nicht genutzt werden, weil wir noch Zeit brauchen für den Netzausbau», sagte Boxberger. Das Forschungsprojekt soll deshalb dafür sorgen, dass künftig weniger Windräder wegen Netzengpässen stillstehen müssen und damit auch weniger Entschädigungen für deren Betreiber anfallen. Daran beteiligen sich zwölf Stromabnehmer, darunter die Stadtwerke Flensburg. Die Teilnehmer melden jeweils ihren flexiblen Mehrverbrauch für den kommenden Tag an. Zum Jahresbeginn soll der Praxistest der Öko-Plattform starten.

Projekt ist interessant für Unternehmen

Wenn sich lokale und flexible Verbraucher der regenerativen Energieerzeugung anpassen, verringern sie nicht nur Netzengpässe, sondern erhalten dafür auch günstigeren Strom, sagte Boxberger. Zunächst richtet sich das Projekt an Unternehmen, beispielsweise Betreiber von Elektro-Tankstellen. Mitmachen können schon jetzt aber auch Privathaushalte. Sie profitieren im Gegensatz zu den Teilnehmern des Forschungsprojekts aber nicht von geringeren Abgaben und Umlagen für den Ökostrom.

«Es ist weder klimapolitisch noch wirtschaftlich sinnvoll, den verfügbaren Strom aus erneuerbaren Energien nicht zu nutzen», sagte Martin Grundmann, Geschäftsführer von ARGE Netz. Allein im Kreis Nordfriesland sind mehr als 2500 MW Windkraft-Leistung installiert. Allzu oft müssen die Räder aber trotz ausreichendem Wind stillstehen. Dafür erhalten deren Betreiber Entschädigungen. Grundmann schätzt, dass bislang fünf bis zehn Prozent des benötigten Stroms flexibel gesteuert werden könnten. Mehr sei aber möglich.

Mehr Tempo bei der Energiewende

Von der Bundesregierung forderten Boxberger und Grundmann mehr Tempo bei der Umsetzung der Energiewende. Wenn sich ein Stromverbraucher dem System der Erneuerbaren anpasse, müsse es sich für ihn lohnen, sagte Grundmann. «Wenn wir heute das Wasser mit Strom erhitzen, dann kostet das etwa 30 Cent je kWh. Wenn man das mit Öl macht, sind es etwa 8 Cent je kWh.» Für Wärme genutzter Strom dürfe nicht teurer sein, wenn es Wettbewerb zwischen den Energieträgern geben soll.

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz appellierte an Firmen im Norden, sich an dem Projekt zu beteiligen. «Ich sehe darin einen sehr guten Ansatz, den Energiemarkt schlanker und schlagkräftiger zu machen, um Energieengpässe zu beseitigen», sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Davon profitierte auch kleinere und mittlere Unternehmen.

Lasten der Verbraucher dienen den Netzbetreibern

Für den Grünen-Energiepolitiker Bernd Voß liegen die Vorteile auf der Hand. Stromverbraucher böten dort Lasten an, die die Netzbetreiber nutzen können, um vor Netzengpässen das Abschalten von Anlagen zu vermeiden. «Die Windräder drehen sich also weiter, speisen den Strom aber nicht ins überregionale Netz ein: Sie leiten ihn vorher an lokale Verbraucher weiter, die Wasserstoff oder Wärme produzieren oder allgemein kurzfristig ihre Leistung zum Beispiel in industriellen Anlagen steigern.»

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Thomas Hölck sagte, «alles was dazu führt, dass regenerativer Strom nutzbar gemacht werden kann, bringt die Energiewende voran». Es sei gut, dass wir immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien produzieren. «Es ist noch besser, wenn dieser dann auch bei den Verbrauchern ankommt.» (dpa/al)