Strom

Rechenzentren: Deutschlands Stromnetze werden zum Problem

Süd- und Nordeuropa holen laut einer Analyse der Denkfabrik Ember im wichtigen KI-Markt auf. Auch, weil der Netzausbau dort schneller vorangeht.
20.06.2025

Rechenzentren gelten als wichtiger Zukunftsmarkt.

Von Julian Korb

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien. Auch deshalb treibt die EU das Thema voran und will, dass sich die Kapazität von Rechenzentren in Europa in den nächsten fünf bis sieben Jahren mindestens verdreifacht. Das Problem: Die für KI so wichtigen Rechenzentren fressen viel Strom und brauchen große Anschlüsse ans Stromnetz.

Das könnte Ländern wie Deutschland zum Verhängnis werden. Denn wie die britische Denkfabrik Ember in einem neuen Bericht schreibt, wächst die Nachfrage nach Rechenzentren derzeit in den nordischen Ländern und Südeuropa derzeit deutlich schneller. Der Grund: Dort sind die Netze weniger überlastet und auch der Netzanschluss gelingt deutlich schneller.

Bis zu 13 Jahre für Netzanschluss

Konkret erwarten die Analysten, dass die Nachfrage nach Rechenzentren in den nordischen Ländern und in den Ländern Südeuropas bis 2030 insgesamt doppelt so schnell wachsen wird wie in den traditionellen Marktführern Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt und bis 2035 die Hälfte der europäischen Rechenzentrumskapazität außerhalb der traditionellen Rechenzentrumsknotenpunkte angesiedelt sein wird, da Entwickler ihre Investitionen auf neue Märkte verlagern.

So würden lange Wartezeiten die Entwickler von Rechenzentren zunehmend abschrecken. In drastischen Fällen könne ein Anschluss bis zu 13 Jahre dauern. Im Schnitt würde es sieben bis zehn Jahre dauern, um ein Rechenzentrum an das Netz anzuschließen, wenn es sich um alte Knotenpunkte handelt.

Geht es nach dem Bericht, gibt es jedoch Möglichkeiten, diese Zeitspanne auf ein Jahr zu verkürzen. So könnten etwa strategische Entscheidungen von Netzbetreibern und Entwicklern selbst dazu beitragen, Netzbeschränkungen zu überwinden, die Einrichtung neuer Anlagen zu beschleunigen und den erforderlichen Ausbau der Infrastruktur zu reduzieren.

Zu den möglichen Lösungen gehören etwa die strategische Standortwahl für Rechenzentren, die Einbeziehung von Flexibilität und die Anwendung intelligenter Netzanschlussvereinbarungen. Letztere könnten angeblich die Zeit in der Warteschlange für den Netzanschluss auf nur ein Jahr verkürzen, heißt es in dem Bericht.

Strombedarf steigt enorm

Laut den Analysten von Ember wird künstliche Intelligenz künftig jedenfalls einen größeren Anteil am Stromverbrauch ausmachen. Der Strombedarf von Rechenzentren in Europa werde voraussichtlich von 96 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2024 auf 168 TWh im Jahr 2030 und 236 TWh im Jahr 2035 steigen, heißt es. Das ist ein Anstieg um fast 150 Prozent in den nächsten zehn Jahren.

In Märkten wie Schweden, Dänemark und Norwegen wird sich die Nachfrage dabei bis 2030 voraussichtlich verdreifachen. Das schnelle Wachstum mache Rechenzentren zu einer der am schnellsten wachsenden Quellen für die Stromnachfrage in Europa, noch vor Elektrofahrzeugen und vergleichbar mit der elektrifizierten Industrie, heißt es.

In Deutschland hatte es zuletzt Debatten darum gegeben, wie stark der Strombedarf in Deutschland in den kommenden Jahren ansteigt. Die Bundesnetzagentur hatte ihre Erwartungen zuletzt spürbar gesenkt. Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen – von einer stark zunehmenden Nachfrage bis hin zu einer Stagnation.
 

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