Strom

Tennet wirft grenzüberschreitenden Blick auf Stromnetz 2045

Der Übertragungsnetzbetreiber will mit dem „Target Grid“ erstmals das Bild eines integrierten, grenzüberschreitenden und klimaneutralen Höchstspannungsnetz für das Jahr 2045 zeichnen.
13.04.2023

„Target Grid“ zeigt ein Höchstspannungsnetz, das den Anforderungen einer EU-weiten Klimaneutralität bis 2050 genügen will.

Das Szenario auf deutscher Seite ist dabei identisch mit den Berechnungen zum ersten Entwurf des Ende März veröffentlichten Netzentwicklungsplans 2037/2045 (2023). 

Zudem soll „Target Grid“ die niederländischen Berechnungen für Netzausbaumaßnahmen bis zum Jahr 2050 berücksichtigen. Die beiden nationalen Planungen werden von Tennet anschließend zu einem gemeinsamen Ausblick zusammengefügt: „Target Grid“ – TenneTs Vision eines klimaneutralen Stromnetzes.

 

 

Hintergrund

„Target Grid“ basiert auf den höchsten Elektrifizierungsszenarien des niederländischen II3050 (Integrale Infrastructuurverkenning 2030-2050) und dem ersten Entwurf des deutschen Netzentwicklungsplans 2037/2045 (2023). Im II3050 entwerfen die niederländischen Übertragung- und Verteilnetzbetreiber der Gas- und Strombranche mehrere Szenarien für ein klimaneutrales Energiesystem im Jahr 2050. Die Studie hat keinen rechtlichen Status, ist aber weithin politisch akzeptiert. Die erste Version erschien 2019, eine erste Neufassung 2021. Ende 2023 wird eine aktualisierte Version veröffentlicht.

Mit „Target Grid“ schlägt Tennet ein Netz von Gleichstromautobahnen und Energieknotenpunkten vor. Ein solches HGÜ-Netz (Hochspannungsgleichstromübertragung) könnte große Mengen erneuerbaren Stroms über große Entfernungen von der Nordsee zu Verbrauchern und Indus-trie transportieren. Dieses vermaschte HGÜ-Netz (einschließlich der Knotenpunkte) wird sowohl Offshore als auch Onshore geplant und wird vondem Übertragungsnetzbetreiber auf der Grundlage standardisierter 2-Gigawatt-HGÜ-Verbindungssysteme entwickelt. Neben einem vermaschten HGÜ-Netz stützt sich das „Target Grid“ auch auf eine stark ausgebaute Wechselstrom-Infrastruktur an Land.

Anforderungen an Klimaneutralität

„Target Grid“ soll ein Höchstspannungsnetz zeigen, das den Anforderungen einer EU-weiten Klimaneutralität bis 2050 (in Deutschland bis 2045) und einem deutlich steigenden Strombedarf entspricht.

Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden wird mit einer Verdoppelung des gegenwärtigen Stromverbrauchs bis 2045 gerechnet. Zudem gehen die zugrunde gelegten Berechnungen von einer Verfünffachung bis Verzehnfachung der installierten Leistung aus Erneuerbaren Energien aus. 

Nordsee als Energiequelle

Tim Meyerjürgens, COO von Tennet erklärte zu den Plänen: „Eine zentrale Rolle spielt dabei die Nordsee als Energiequelle für eine größere Energieunabhängigkeit in der gesamten nordwesteuropäischen Region."

Ziel ist, die Nordsee so effizient und effektiv wie möglich als grünes Kraftwerk Nordwesteuropas zu erschließen. Hier steht „Target Grid“ laut Tennet im Einklang mit der Esbjerg-Erklärung aus dem Mai 2022, in der die Nordsee-Anrainer Deutschland, Niederlande, Dänemark und Belgien eine Steigerung der Offshore-Windenergie auf 65 Gigawatt (GW) im Jahr 2030 bzw. 150 GW im Jahr 2050 vereinbart haben. 

Fünf Prinzipien

"Target Grid" will hier als grenzüberschreitendes Energiesystem-Design seinen Beitrag leisten. Man wolle es gleichzeitig als Ausgangspunkt für einen offenen Dialog mit den wichtigsten Stakeholdern aus Politik, Industrie und Energiewirtschaft sowie mit den Übertragungsnetzbetreibern in Europa nutzen, um die künftige Entwicklung des europäischen Höchstspannungsnetzes gemeinsam zu gestalten, so der ÜNB.

Fünf Prinzipien seien dabei von grundlegender Bedeutung. Erstens die Entwicklung einer eindeutigen Nordsee-Länderstrategie 2050 mit klaren Vereinbarungen zwischen den Nordseeländern. Außerdem sei eine zusätzliche Standortpolitik erforderlich, um die Nachfragezentren für Energie an den richtigen Standorten zu entwickeln. Hinzu komme eine rechtzeitige Genehmigung für die Entwicklung der Energiekorridore, die Tennet im „Target Grid“ aufgenommen hat.

Darüber hinaus werde eine Anpassung des Strommarktmodells empfohlen, um den grenzüberschreitenden Austausch von Strom aus Offshore-Windenergie zu erleichtern und die Kosten dafür angemessen zu verteilen. Schließlich sieht Tennet die Versorgungskette für kritische Infrastrukturkomponenten unter Druck geraten, da die Off-shore-Windkraft weltweit sehr ambitioniert sei und das Angebot an kritischen Komponenten, die Verfügbarkeit von (Werft-)Anlagen, Installationsschiffen und Arbeitskräften begrenzt sei.

Tennet empfiehlt eine (europäische) koordinierte Strategie, um ausreichende und über Jahre hinweg stabile Kapazitäten in der Lieferkette zu gewährleisten. (sg)