Strom

Wasserkraftwerke: Fischschutz hilft kaum

Moderne Wasserkraftwerke schützen Fische nicht grundsätzlich besser als konventionelle. Das ist das Ergebnis einer aufwendigen Studie der TUM. Die detaillierten Erkenntnisse können aber für Optimierungen genutzt werden.
19.10.2020

Die TUM-Forscher untersuchten sieben Wasserkraftanlagen mit vier unterschiedlichen Technologien.

 

Auch moderne Wasserkraftwerke schützen Fische nicht immer besser als konventionelle. Neben der Technologie spielen auch der spezifische Standort des Kraftwerks und die dort vorkommenden Fischarten eine Rolle. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat unterschiedliche Anlagentypen verglichen und systematisch analysiert, welche Wirkungen diese auf Fische und ihren Lebensraum haben.

Jürgen Geist, Prof. für Aquatische Systembiologie an der TUM, untersucht mit seinem Team seit 2014 Wasserkraftanlagen hinsichtlich ihrer Wirkung auf abwärts wandernde Fische sowie deren Auswirkungen auf den Gewässerlebensraum. Sieben Anlagen mit vier unterschiedlichen Kraftwerkstechnologien hat das Forschungsteam bisher in Bayern unter die Lupe genommen. Dabei handelt es sich sowohl um moderne Wasserkraftwerke als auch um konventionelle Anlagen.

Röntgenbilder von Fischen

Um herauszufinden, ob Fische durch die Wasserkraftanlagen zu Schaden kommen, hat das Team von Prof. Geist stromabwärts der Turbinen, Überläufe und Fischpässe Netze aufgestellt, in denen mehr als 70.000 Fische gefangen wurden. Die Forschenden haben untersucht, ob und wie Fische verletzt wurden und ob sie dadurch gestorben sind. Rund 8500 Fische wurden zusätzlich geröntgt, um Hinweise auf innere Verletzungen zu erhalten.

Zudem haben die Forscher auch die Zusammensetzung der aquatischen Lebensgemeinschaft (Fische, Wirbellose, Wasserpflanzen, Algen) und Umweltfaktoren (z.B. Temperatur, gelöster Sauerstoff, pH-Wert) im Ober- und Unterwasser der Wasserkraftanlagen untersucht. „Die Mortalitätsraten an den technisch neueren Anlagen waren nicht immer geringer als an den konventionellen Anlagen“, berichtet Geist über die Ergebnisse seiner umfangreichen Studie.

Turbinentechnik ist nicht entscheidend

Bislang war man davon ausgegangen, dass moderne Anlagen, wie etwa Wasserkraftschnecken oder Kraftwerke mit VLH-Turbinen, Fische besser schützen können. VLH steht für „Very-low-head“ (sehr niedrige Fallhöhe) – die Turbinen sind langsam drehend und gelten daher als „fischverträglich“, da Fische hindurchschwimmen können.

Die Studie zeigt allerdings: Es gibt keine Anlagen- und Turbinentechnik, die per se Fische besser schützt als andere. Vielmehr hängt der Tierschutz davon ab, wie die Technologien eingesetzt werden, welche Arten im Gewässer vorkommen und welche Gegebenheiten an den jeweiligen Standorten vorzufinden sind.

Voll-Last ist besser als Teil-Last

Bei VLH-Turbinen, wie sie am Untersuchungsstandort Au an der Iller verbaut ist, kam es zu „relativ geringen Schäden“, sagt Prof. Geist. Zu beachten sei aber hier, dass bei einer Fallhöhe von vier Metern an einem anderen Untersuchungsstandort auch bei diesem Anlagentyp die Überlebenswahrscheinlichkeit für Fische deutlich sinkt.

Auch der Aspekt, ob die Anlage in Voll-Last oder Teil-Last läuft, wirkt sich auf das Wohl der Fische aus. Die Empirie hat gezeigt, dass Äschen und Bachforellen beim Betrieb der VLH-Turbine mit hoher Last mit einer höheren Wahrscheinlichkeit wohlbehalten das Kraftwerk passieren, als wenn die Anlage mit niedriger Last betrieben wird.

Rechen und Bypässe helfen kaum

Der Großteil des Fischbestands, insbesondere kleine Fische, folgten der Hauptströmung und wurde auch durch Fischschutzrechen nicht davon abgehalten, die Turbinenräume zu passieren. Die an den Kraftwerken angelegten Bypässe, in denen die Fische die Anlagen bei ihrer Wanderung flussaufwärts umschwimmen können, werden von den meisten Tieren für den Abstieg nicht verwendet.

Ein weiteres Ergebnis: Aalrohre werden praktisch nicht genutzt. Zum Aalschutz im natürlichen Verbreitungsgebiet des Aals in Bayern (komplettes Main-Einzugsgebiet) schlagen die Wissenschaftler vor, während der Hauptwanderzeiten in den Nächten im Herbst die Spülklappen, die an Wehren zum Durchlassen von Ästen oder größeren Anschwemmungen vorhanden sind, zehn bis 20 Zentimeter zu öffnen. Dieses Angebot nehmen Aale den Beobachtungen zufolge deutlich lieber wahr.

Diskussionsrunden mit den Betreibern

Auch die Gewässerökologie rund um die Anlage nahmen die Wissenschaftler in den Blick. „Die negativen Auswirkungen der Unterbrechung des Fließgewässers durch die Querbauwerke sollten bestmöglich kompensiert werden. Wir empfehlen, dass Ersatzlebensräume für Fische und andere Lebewesen im Wasser geschaffen werden und wann immer möglich eine Renaturierung erfolgen sollte“, erklärt Geist. (hp)