Geothermie: Erdgasquellen nachhaltig nachnutzen
Die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) hat in einer Studie untersucht, unter welchen technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen sich die Nachnutzung von Erdgasbohrungen lohnt. Bei der Geothermie sind die Investitionskosten der Bohrungen, die die Erdwärme in mehreren Kilometern Tiefe erschließen, der größte Kostentreiber. Da liegt es nahe, schon vorhandene Investitionen wie Bohrlöcher in versiegten Erdgasfelder zur Gewinnung von Erdwärme zu nutzen.
"Fossile Infrastrukturen zu grünen Energiequellen umzuwidmen, ist eine faszinierende Idee. Gerade wenn man bedenkt, wie viele Erdöl- und Erdgasbohrungen im Norddeutschen Becken schlummern", lässt sich Nora Koltzer vom Fraunhofer IEG, die Erstautorin der aktuellen Studie, zitieren. "Damit die Idee funktioniert, gilt es aber die spezifischen Unterschiede von Geothermie- zu Erdgasbohrung und der Energieträger Erdwärme und Gas zu beachten."
Kosten senken
Der chemische Energieträger Gas unterscheidet sich immens in seiner Energiedichte von der physikalischen Energieform Erdwärme. Das bedeutet, der Transport der Wärme lohnt sich nur ins direkte Umland der Energiequelle. "Doch trotz dieser Einschränkungen macht der Kostenvorteil der vorhandenen Bohrung einige Nutzungsfälle plausibel. Gemeinden, die alte Gas- oder Erdölbohrungen in den Gemeindegrenzen besitzen, sollten diese Nutzung in ihrer Wärmeplanung prüfen." Gerade im norddeutschen Becken mit seinen vielen Erdgasfelder in wird dies auf viele Gemeinden zutreffen.
Koltzer und ihr Team untersuchten zwei ehemalige Erdgas-Bohrungen der ExxonMobil Production Deutschland in Niedersachen, die zwei typischen geologischen Gegebenheiten repräsentierten: eine flache geologische Schichtung und einen aufsteigenden Salzdiapir, eine typische Salzlagerstätte. Die Bohrtiefen liegen bei 2,8 km bzw. 4,3 km, wo die Temperaturen von 114°C bzw. 139°C herrschen.
Um eine Geothermiebohrung entsprechender Dimension neu zu erstellen, muss man heutzutage mit Kosten von rund einer Millionen Euro pro Kilometer rechnen. Die beiden entsprechend ausgebauten Bohrungen hat Koltzer in detaillierte Computermodelle überführt, den Einbau verschiedener gängigen koaxialen tiefen Erdwärmesonden simuliert und die thermischen Leistungen über eine Lebensdauer von 30 Jahren abgeschätzt. Die berechneten Wärmeentzugsleistungen reichen von 200 bis 400 kW im Schnitt. Die Höchstwerte lagen bei bis zu 600 kW. Besonders abhängig ist die Leistung von der nutzbaren Tiefe der Bohrung und der Temperatur des Rücklaufs des Wärmenetzes.
Mit Erdgaspreisen konkurrenzfähig
Auch den konkreten Wärmebedarf in der Umgebung der Bohrlöcher hat das Team kartiert, passende Wärmenetze simuliert und die Wärmegestehungskosten berechnet. Die Produktionskosten für Wärme sind mit denen anderer erneuerbarer Energiequellen wie Biomasse vergleichbar und - abhängig von der Entfernung zwischen Quelle und Verbraucher - auch mit den aktuellen Erdgaspreisen konkurrenzfähig. Die Entfernung zwischen der Quelle und dem Verbraucher sollte nicht größer als 3 bis 5 km sein, um die Kosten für Pipelines zu minimieren und um Wärmeverluste des Transportmediums Wasser zu vermeiden.
Darüber hinaus ist es wichtig, Wärme mit einer Temperatur von mehr als 60 °C zu erzeugen, um sicherzustellen, dass für den Endverbraucher keine zusätzliche Technik wie etwa Wärmepumpen erforderlich ist. Gute Voraussetzungen bieten Bohrungen, die bis in mehre Kilometer Tiefe mit einem Rohrdurchmesser von 7 Zoll (17,78 cm) ausgekleidet sind. Die Sonden sind am leistungsfähigsten, wenn die Wärmeleitfähigkeit des umgebenden Gesteins 3 W/(m*K) nicht unterschreiten und ein Grundlastbetrieb mit Laufzeiten von über 8000 Stunden pro Jahr angestrebt wird. (amo)