Karriere

Gehaltsabrechnungen ins digitale Mitarbeiterpostfach – ist das erlaubt?

Die Entgeltrechnung muss nicht mehr postalisch zugeschickt werden. Dagegen hatte eine Mitarbeiterin geklagt. Wie das Gericht seine Entscheidung begründet hat, erläutert Nicole Elert von PwC im Gastbeitrag.
06.05.2025

Die Zugangsdaten zu einem Mitarbeiterpostfach sind wie ein Briefkastenschlüssel, urteilte das Arbeitsgericht.

 

Gastbeitrag von
Nicole Elert,
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partnerin der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG


Gemäß § 108 Absatz 1 Satz 1 GewO ist Arbeitnehmern bei Zahlung ihres Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform nach § 126b BGB zu erteilen. Im Kontext der Digitalisierung und Bürokratieentlastung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 28. Januar 2025 nun entschieden, dass ein Unternehmen diese Vorgabe auch dann erfüllte, wenn es die Entgeltabrechnung in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstelle.

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf die Abrechnung seines Entgelts sei eine sogenannte Holschuld des Arbeitnehmers. Es genügt, dass der Arbeitgeber die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstelle.

Allerdings habe das Unternehmen den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügten, Rechnung zu tragen. Dies kann zum Beispiel über einen stationären PC nebst Ausdruckmöglichkeiten im Gebäude des Unternehmens gewährleistet werden.

Worum ging es?

Der Arbeitgeber schloss eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs ab. Über dieses stellte er seinen Mitarbeitenden auch deren Entgeltabrechnung zur Verfügung.

Die klagende Arbeitnehmerin wandte sich dagegen und verlangte, ihr auch zukünftig die Entgeltabrechnungen postalisch zukommen zu lassen. Sie widersprach der Erteilung der Abrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach.

Die klagende Arbeitnehmerin machte unter anderem geltend, dass die Abrechnung nicht in ihren Machtbereich und ihr damit nicht gemäß § 130 BGB zugegangen sei beziehungsweise ihr zwar die Abrechnung zur Verfügung gestellt worden sei, sie aber keine Kenntnis von dieser erhalten habe. Ferner könne auch die Konzernbetriebsvereinbarung ihr fehlendes Einverständnis nicht ersetzen.

Auszug aus der Konzernbetriebsvereinbarung

Laut dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen vom 16. Januar 2024 sah § 3 der Konzernbetriebsvereinbarung in Auszügen vor: 
"Alle Personaldokumente, werden zukünftig über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach mehrsprachig bereitgestellt und können vom Mitarbeiter über einen Online-Zugriff auf dieses Postfach abgerufen werden. Nach einer Übergangsfrist von neun Monaten erfolgt kein Versand von Papierdokumenten mehr. Für den Login werden dem Arbeitnehmer die Zugangsdaten über den Anbieter zur Verfügung gestellt. Die Daten, die im digitalen Mitarbeiterpostfach vorhanden sind, stammen aus dem Entgeltabrechnungssystem ... . Es sind keine Mitarbeiterdaten im digitalen Mitarbeiterpostfach vorhanden, die eine Leistungs- und/oder Verhaltenskontrolle möglich machen. ... Im digitalen Mitarbeiterpostfach können Dokumente der Entgeltabrechnung eingestellt werden ... Alle Personaldokumente stehen mindestens zwölf Monate im Portal zur Verfügung. Optionale Dokumententypen stehen mindestens einen Monat im Portal zur Verfügung."

Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers?

Das Arbeitsgericht hatte die Klage der Arbeitnehmerin in der ersten Instanz mit Urteil vom 14. August 2023 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entgeltabrechnungen der Klägerin zugegangen seien, da sie mit Hilfe der Zugangsdaten Kenntnis von dem Inhalt des Mitarbeiterpostfachs erlangen könne.

Die Zugangsdaten seien insoweit mit einem Briefkastenschlüssel vergleichbar. Das BAG folgte 2025 laut seiner Presseerklärung der Entscheidung des Arbeitsgerichts aus 2023.

Rechtlich gestritten wurde in diesem Kontext über Fragen des Erfüllungsanspruches nach § 362 BGB im Kontext des § 108 GewO, der Textform im Sinne des § 126b BGB und ob ein digitales Mitarbeiterpostfach dieser genüge, über den Zugang nach § 130 BGB und möglichen Eingriffen in die Rechte des Einzelnen über die abgeschlossene Konzernbetriebsvereinbarung. Die zivilrechtlichen Aspekte hat das BAG wie oben ausgeführt beantwortet.

Den kollektivrechtlichen Aspekt – inwieweit die Konzernbetriebsvereinbarung das Einverständnis der Klägerin ersetzen konnte – entschied das BAG nicht. Es verwies insoweit die Entscheidung an das LAG unter dem Aspekt der Frage nach der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates zurück.

Unklarheit über Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Es merkte allerdings an: Während das LAG die Grenzen der Regelungsmacht des Konzernbetriebsrates dort sah, wo in die Rechtspositionen der Beschäftigten eingegriffen würde und der Erteilung der Gehaltsabrechnung ausschließlich eine individuelle Wirkung und keinen kollektiven Tatbestand zumaß, stellt das BAG klar, dass nach seiner Auffassung die – in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelte – digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer eingreifen würde.

Allerdings sei der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert, da bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen würde oder nicht.