Gemeinschaftserlebnis statt Social Media: Aha mit besonderen Azubi-Events

Aha besuchte mit seinen Azubis unter anderem den Amerikanischen Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer. Die 10.000 weißen Kreuze zeigen in Richtung Amerika.
Bild: © aha
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Gastbeitrag von
Thomas Schwarz,
Geschäftsführer
Abfallwirtschaft Region Hannover (Aha)
Jugendliche werden in ihrer Wahrnehmung und in ihrem Weltbild sehr stark von sozialen Medien geprägt. Einerseits ist das Format unterhaltsam, andererseits oft oberflächlich. Da ein Betrieb in der Ausbildung einen sehr direkten Draht zu den jungen Menschen hat, sind wir der Meinung: Das sollten wir nutzen.
Das haben wir bei Aha mit einem besonderen Ausbildungs-Event gemacht. Kurz zu den Rahmenbedingungen: Aha hat im Durchschnitt 34 Auszubildende in drei Ausbildungsgängen (Verwaltung, Umwelttechnologie, Kfz-Mechatronik), die über mehrere Standorte verteilt sind und in verschiedene Berufsschulen gehen.
Das Bewusstsein – wir sind die kommende Generation, die den Betrieb gestalten wird –, das "Wir" ist schwach ausgebildet. Deshalb entstand die Idee, etwas Gemeinsames zu machen, ein Erlebnis zu schaffen.
Mischung aus Historie und Gegenwart
Da ich in persönlichen Gesprächen festgestellt habe, dass der Ukrainekrieg viel Verunsicherung bei Jugendlichen verursacht hat, haben wir beschlossen, in jedem Ausbildungsjahr ein Workcamp anzubieten, das sich mit dem Thema Krieg und Frieden beschäftigt.
Wir haben daher mit dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge, der an Schulen viel pädagogische Erfahrung gesammelt hat und dessen Netzwerk sehr hilfreich bei der Organisation war, das Format Workcamp mit folgenden Themen organisiert:
- 2023: Belgien, mit dem Schwerpunkt Erster Weltkrieg,
- 2024: vor dem Hintergrund des 80. Jahrestags der Landung der Alliierten, der Zweite Weltkrieg im Westen und
- 2025: die Spuren des Zweiten Weltkriegs in Polen.
Wichtig für mich war eine ausgewogene Mischung aus Geschichte und Gegenwart. Deshalb organisierten wir im vergangenen Jahr auf dem Weg nach Caen (Frankreich) einen Besuch des Europäischen Parlaments in Brüssel (vor der Wahl zum Europäischen Parlament). Auf dem Weg nach Częstochowa, Wielun und Poznań (Polen) stand ein Besuch im deutschen Bundestag auf dem Programm (bei der Planung sind wir noch von einer regulären Wahl im September ausgegangen – dass die Wahl früher stattfinden würde, war nicht kalkulierbar).
Wichtig war mir auch, dass neben Gemeinschaftsaktivitäten und dem Kennenlernen der regionalen Küche (gemeinsames Abendessen und nicht nur Jugendherbergsverpflegung) ein Nachmittag zur freien Verfügung in der jeweiligen Stadt eingeplant wurde – damit auch der Spaß nicht zu kurz kommt.
Wenig Freiräume in Schulphasen
Wenn Sie sich nun die Frage stellen, warum sich ein Ausbildungsbetrieb um etwas kümmert, was eigentlich ein schulischer Bildungsauftrag ist: Das liegt nicht an meiner Skepsis gegenüber der Gleichung Bildung = Schulbildung oder meiner eigenen Erinnerung an die Schulzeit – es liegt an der Dichte der Lehrpläne und der Heterogenität der Inhalte in den verschiedenen Berufsbildern.
Sie ermöglicht wenig Raum für eine derartige Projektarbeit. Ohnehin ist es schwierig, die Termine für die Workcamps so zu legen, dass möglichst alle Auszubildenden daran teilnehmen können.
Allen drei Workcamps ist gemeinsam, dass die Erinnerungskultur veranschaulicht wird. Der Erste Weltkrieg ist in Belgien und Frankreich viel präsenter in der Gesellschaft. Wenn Jugendliche bei der "Last Post Ceremony" am Menen-Tor in Ypern einen Kranz niederlegen, im Wissen, dass das seit 1928 täglich wiederholt wird, dann ist das ein Erlebnis.
"Tolle europäische Erfahrung"
In der französischen Gemeinde Domfront, der Partnerstadt der Stadt Burgwedel in der Region Hannover, wurden sie herzlich vom Bürgermeister und weiteren Kommunalpolitikern empfangen, obwohl die Stadt im Zweiten Weltkrieg ungeheuer gelitten hat. Doch die Aussöhnung in Europa hat hier persönliche Züge gewonnen. Europäische Auszubildende haben auf dem wenige Kilometer entfernten Mont Saint Michel freien Eintritt – das ist schon eine tolle europäische Erfahrung.
Highlight in Wielun, dem Guernica Polens, war das Treffen in einer Schule mit Gleichaltrigen, die in der Neigungsgruppe Militär einen ganz anderen Umgang mit dem Thema Verteidigungsbereitschaft haben. Auch die zufällige Begegnung auf einem Stadtrundgang mit einem Hundertjährigen, der die Bombardierung persönlich erlebte, aber ohne Groll froh darüber war, dass sich deutsche Jugendliche dafür interessieren, wird allen lange in Erinnerung bleiben.
Wir haben nach jeder Reise den Teilnehmenden ein Erinnerungsalbum übergeben und stellen auch eine digitale Version zum Download bereit, weil die Diskussion mit der Familie und Freunden so lebhafter wird, und vielleicht erinnert sich der ein oder andere Teilnehmer in späteren Jahren noch gerne daran.
Herausforderungen der Organisation
Der Aufwand für die Workcamps ist durchaus erheblich. Die Kosten liegen bei 500 bis 1000 Euro pro Teilnehmenden – wo eine Unterbringung in einer Jugendherberge möglich ist, wird es günstiger. Viel Organisation erfordert die Terminfindung, weil Ausbildungslehrgänge nicht immer vorher feststehen und am Ende vielleicht nicht jeder teilnehmen kann.
Für unsere Auszubildenden, die nicht immer aus wohlhabenden, bildungsbürgerlichen Schichten kommen, war das Format, das eher an die der "Studiosus-Reisen" angelehnt ist, auch deshalb interessant, weil es eine unbekannte Erfahrung vermittelte. Vor allem aber habe ich beim Empfang der Rückkehrenden in müde, aber strahlende Gesichter gesehen, und das spricht für sich selbst.
Ich hoffe, dass das Projekt auch in den kommenden Jahren fortgeführt wird und in der kommunalen Familie Nachahmung findet.
Aha-Geschäftsführer Thomas Schwarz beendet 2025 seine neunjährige Dienstzeit bei dem Unternehmen.