Tarifrunde 2025: Utopie oder Notwendigkeit? Gewerkschaften fordern acht Prozent

Mitarbeitende der Ver- und Entsorgungsunternehmen würden von den Tariferhöhungen deutlich profitieren. Dieses Bild wurde von Künstlicher Intelligenz generiert.
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Von Hanna Bolte
Die Tarifrunde 2025 für die Beschäftigten von Bund und Kommunen startet am 24. Januar. Die Gewerkschaft Verdi und die deutsche Interessenvertretung für Beamtinnen und Beamte (DBB) fordern acht Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro monatlich, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Für die Beamtinnen und Beamten des Bundes fordert der DBB eine Anpassung der Besoldung und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 39 Stunden. Zusätzlich sollen drei freie Tage und ein Extraurlaubstag für Gewerkschaftsmitglieder eingeführt werden.
"Meine-Zeit-Konto" im Fokus
Ein zentraler Punkt der Verhandlungen ist die Einführung eines flexiblen Arbeitszeitkontos, das sogenannte "Meine-Zeit-Konto". Auf dieses Konto könnten Beschäftigte Überstunden oder Gehaltserhöhungen buchen, um sie später in freie Tage oder Arbeitszeitverkürzung umzuwandeln. Ziel ist es, die Zeitsouveränität der Beschäftigten zu stärken, was laut DBB-Vize Volker Geyer dringend notwendig ist: "Bei der Arbeitszeitsouveränität hinken wir der Wirtschaft meilenweit hinterher."
Von dem Schritt würden ganz besonders Mitarbeitende in Bereichen wie Nahverkehr, Müllabfuhr und Kitas profitieren. Darüber hinaus hat die Bundestarifkommission öffentlicher Dienst (BTKöD) am 9. Oktober 2024 beschlossen, dass auch die Ausbildungsvergütungen und Entgelte für Praktikantinnen und Praktikanten um 200 Euro monatlich steigen sollen.
"Es braucht eine faire Einigung"
Innenministerin Nancy Faeser betont: "Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat unseres Staates. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten jeden Tag einen unentbehrlichen Dienst für unsere Gesellschaft. Sie sorgen dafür, dass unser Staat stark und handlungsfähig ist." Gleichzeitig müsse die angespannte Finanzlage berücksichtigt werden: "Jetzt geht es darum, dass wir gemeinsam mit den Gewerkschaften zu einer fairen Einigung kommen."
DerÖkonom Marcel Fratzscher vom Berliner DIW kritisiert in einem Interview mit der Tagesschau die Lohnforderung der Gewerkschaften. "Acht Prozent – das ist völlig utopisch und unverantwortlich. Die öffentlichen Haushalte sind überall auf Kante genäht. Das sieht man an Ländern wie Berlin, die kürzen beim Sozialen, bei der Daseinsvorsorge, bei Kunst und Kultur."
Verdeckte Folgekosten
Auch nach Einschätzung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) würden die Gesamtforderungen der Gewerkschaften für kommunale Arbeitgeber erhebliche Mehrkosten verursachen, die in der aktuellen finanziellen Situation der Kommunen nicht zu stemmen seien.
Zudem seien die Folgekosten der Forderungen bisher zu wenig berücksichtigt worden. So würde das geforderte "Meine-Zeit-Konto" zu einer spürbaren Reduzierung der verfügbaren Arbeitszeit im öffentlichen Dienst führen. Die dadurch entstehenden Lücken müssten durch Neueinstellungen kompensiert werden – angesichts des akuten Fachkräftemangels eine kaum zu bewältigende Aufgabe.
Jährliche Mehrkosten von über 1,5 Millionen Euro
Niklas Benrath, Hauptgeschäftsführer der VKA, sagt: "Die Forderungen der Gewerkschaften würden die kommunalen Versorgungsbetriebe mit Mehrkosten von jährlich über 1,5 Milliarden Euro belasten. Das entspricht einem Plus von fast elf Prozent. Eine Kostensteigerung von dieser Größenordnung ist in der aktuellen Situation nicht tragbar."
Bereits jetzt ständen die Stadtwerke vor enormen finanziellen Herausforderungen, nicht zuletzt durch die stark gestiegenen Energiepreise. Zusätzliche Personalkosten in dieser Größenordnung würden die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit vieler kommunaler Versorger ernsthaft gefährden und könnten letztlich zu steigenden Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen.
Akuter Handlungsbedarf
DBB-Vizechef Geyer hält die Umsetzung der geforderten Maßnahmen dagegen für zwingend erforderlich. "Die Beschäftigten des öffentlichen Diensts sind am Limit", so Geyer. Sie hätten immer mehr Aufgaben zu schultern und immer mehr Gesetze und Verordnungen auszuführen. "Hier noch eine Berichtspflicht, da noch eine Sonderaufgabe – so funktioniert das nicht."
Auch der Verdi-Vorsitzende Werneke sieht dringenden Handlungsbedarf. So heißt es auf der Verdi-Website, eine umfangreiche Befragung von mehr als 260.000 Teilnehmenden habe ergeben: 57 Prozent leiden unter hoher Belastung durch Arbeitsverdichtung.
"Die Umsetzung der Forderung würde den Unternehmen einen Vorteil bei der Rekrutierung der immer knapper werdenden Arbeitskräfte verschaffen", betont die Gewerkschaft auf Nachfrage der ZfK, was ihre Forderungen letztlich für die Stadtwerke bedeuten würden. "Gleichzeitig würden bessere Entgelt- und Arbeitsbedingungen dafür sorgen, dass mit der Arbeitszufriedenheit auch die Produktivität steigt und die Unternehmen insgesamt erfolgreicher agieren."
Verhandlungszeitplan steht
Geplant sind die Verhandlungen in drei Runden:
- 24. Januar: Auftaktveranstaltung und erste Verhandlungsrunde
- 17./18. Februar: zweite Verhandlungsrunde
- 14. bis 16. März: dritte Verhandlungsrunde
Die Ergebnisse gelten für die rund 132.000 Tarifbeschäftigten des Bundes und die mehr als 2,6 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber.