Karriere

Verdoppelt in fünf Jahren: Energiewende schafft über 370.000 Arbeitsplätze

Jedes 26. Stellenangebot steht im Zusammenhang mit dem Umbau der Energiebranche. Der Fachkräftemangel ist enorm. Besonders bei Stadtwerken gibt es attraktive Jobpotenziale.
06.03.2025

Der wichtigste Eckpfeiler beim Ausbau der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren war die Solarenergie, die viele neue Jobs schuf.

Von Boris Schlizio

Die flaue Konjunkturlage der vergangenen Jahre in Deutschland hat der Energiewende-Branche wenig anhaben können. 2019 wurden 173.000 Stellen für die Energiewende ausgeschrieben. Im vergangenen Jahr waren es 372.500 Stellen – und damit mehr als doppelt so viele. Die Jobs rund um die erneuerbaren Energien und die Jobs in der dazugehörigen Infrastruktur machen knapp vier Prozent von bundesweit fast zehn Millionen Stellen aus. 



Während die Gesamtzahl der Stellenangebote in Deutschland im vergangenen Jahr um 16 Prozent zurückging, sank die Zahl in der Energiewendebranche nur um acht Prozent. Dies zeigen die Ergebnisse einer Analyse von 60 Millionen Online-Stellenanzeigen des IW Köln für den Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung.

Genehmigungsrekord von Windkraftanlagen

"Während in der Industrie in großem Umfang Stellen abgebaut werden, entstehen im Bereich der Energiewende nach wie vor zusätzliche Jobs", sagt Jana Fingerhut, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann-Stiftung. "Mit Blick auf den Genehmigungsrekord von Windkraftanlagen im Jahr 2024 dürfte der Bedarf an Arbeitskräften für die Energiewende in den nächsten Jahren noch zunehmen."

Der wichtigste Eckpfeiler beim Ausbau der erneuerbaren Energien war in den vergangenen Jahren die Solarenergie. Die Zahl der ausgeschriebenen Jobs für diesen Bereich hat sich zwischen 2019 und 2024 von 41.500 auf 102.000 erhöht. Auch nach einem Rückgang von 2023 bis 2024 bleiben die Zahlen damit mehr als doppelt so hoch. 

Auf geringerem Niveau – aber immer noch um 70 Prozent – erhöhte sich die Zahl der Stellenangebote von 2019 bis 2024 in der Windenergie auf knapp 53.000. Die Windbranche trotzte damit sogar dem allgemeinen rezessionsbedingten Stellenrückgang im Jahr 2024.

Stadtwerke profitieren

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) erkennt einen deutlich positiven Beschäftigungstrend über alle Technologien und Sparten hinweg. Zwar unterscheidet die Studie nicht zwischen den Arbeitgebern, doch sieht Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des BEE, auf Anfrage der ZfK große Jobpotenziale bei den Stadtwerken. 

In den kommenden Jahren stünden dort bedeutende Projekte und Investitionen in die kommunale Wärmeplanung an. Bereits jetzt erzeugten mehrere Stadtwerke mit Power-to-Heat-Anlagen grüne Fernwärme. Zudem würden spannende Forschungsprojekte im Bereich Geothermie angestoßen. Dadurch entstünden neue und vielversprechende Jobs sowie eine steigende Nachfrage.

Energieinfrastruktur gestärkt

Der Boom der erneuerbaren Energien rückt auch die Energieinfrastruktur stärker ins Blickfeld. Insgesamt sind dort fast doppelt so viele Stellen ausgeschrieben, wie bei den erneuerbaren Energien selbst. Den Löwenanteil machen hier die Bereiche Netzinfrastruktur und Speicherung von Energie aus, den größten Sprung nach vorn macht die Wasserstoff-Branche. Die Zahl der in dieser Branche ausgeschriebenen Stellen hat sich in den vergangenen sechs Jahren fast verfünffacht.

"Ohne den Ausbau der Infrastruktur kommt die Energiewende nicht voran", sagt Gunvald Herdin, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann-Stiftung. "Das ist eine Frage der Resilienz, wenn wir uns noch stärker unabhängig machen wollen von Gas und Öl."

Engpässe ausgleichen

Am Ende zählt, wie die ausgeschriebenen Stellen besetzt werden. Laut der Bundesagentur für Arbeit gehören fünf der zehn Berufe, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien besonders wichtig sind, zu den Engpassberufen.

Betroffen sind Bauelektriker:innen, Fachkräfte für Sanitär, Heizung und Klima, Spezialist:innen für regenerative Energietechnik, Fachkräfte für elektrische Betriebstechnik und Dachdecker:innen. Im Bereich der Energieinfrastruktur gibt es sogar in sechs der zehn Top-Berufe Engpässe, hier werden zusätzlich Fachkräfte für den Rohrleitungsbau und Spezialist:innen und Expert:innen für Elektrotechnik dringend gesucht.

Neue Berufschancen

Mit Blick auf die Studienergebnisse betont Axthelm,  dass sich hier völlig neue Möglichkeiten für Menschen aus derzeit schwierigen Berufszweigen eröffnen. Die Botschaft nach außen lautet: "Die Branche nimmt auf!"

So ist der Anteil von Stellen, die auch Quereinsteiger:innen zulassen, im Bereich des Ausbaus der erneuerbaren Energien von 2019 bis 2024 von 2,4 auf 3,8 Prozent gewachsen. Am stärksten ist der Anteil auf dem Niveau der Helfer:innen von 3,8 auf 8,8 Prozent gestiegen. Bei den Fachkräften wuchs der Anteil von 3,8 auf 5,3 Prozent.

Ähnlich ist die Entwicklung im Bereich der Energieinfrastruktur. Hier stieg der Bedarf an Quereinsteiger:innen von 1,4 auf 2,9 Prozent. "Auf Dauer reicht das Ausweichen auf Quereinsteiger nicht aus. Wir brauchen eine verbesserte Berufsorientierung, mehr Ausbildung und (Teil-)Qualifizierung in den Engpassberufen und eine qualifizierte Zuwanderung", sagt Fingerhut.

Den Schwung nutzen

Wenn einige Unternehmen bereits eigene Berufsakademien anbieten, um die Qualifikation ihrer Mitarbeitenden zu fördern, ist das für Axthelm ein Schritt in die richtige Richtung.

Für ihn gilt es nun, das Potenzial der Energiewende tatsächlich auszuschöpfen. Neben einer verstärkten Weiterbildung hält er auch Stabilität und Planungssicherheit, eine weitere Entbürokratisierung sowie eine Stärkung des Industrie- und Produktionsstandorts für notwendig. 

Dabei setzt er auf eine langfristige Perspektive für die nächsten Jahre durch eine neue Bundesregierung. Dies mache die erneuerbaren Energien auch für ausländische Investoren attraktiv – und schaffe wiederum neue Jobs.