Deutschland

Bayern ist immer mehr auf Stromimporte angewiesen

Die bayerische Energiebilanz ist defizitär. Bald gehen die beiden noch verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz. Eigentlich müsste das südlichste Bundesland die Erneuerbaren stark ausbauen – eigentlich.
06.06.2021

Immerhin strebt die bayerische Staatsregierung bis 2035 eine Verdoppelung der installierten Photovoltaik-Leistung an.

Die Zahlen sind eindeutig: Bayern kann in Zukunft seinen Energiebedarf immer weniger durch Eigenproduktion decken. Nach Angaben des bayerischen Wirtschaftsministeriums musste der Freistaat in den Jahren 2018 und 2019 im großen Umfang Strom importieren: 2018 waren es rund 12,8 Terawattstunden (TWh), 2019 10,8 TWh. Dies entspricht in beiden Jahren etwa 12,5 bis fast 15 Prozent des Gesamtverbrauchs. Neuere Zahlen lagen dem Ministerium auf Anfrage der dpa nicht vor.

Wenn Ende dieses Jahres der Atommeiler Gundremmingen im schwäbischen Landkreis Günzburg vom Netz geht und ein Jahr später der letzte noch verbliebene Reaktor mit Isar 2 unweit von Landshut, dürfte ab Anfang 2023 die bayerische Energiebilanz noch defizitärer ausfallen. Denn alleine Isar 2 produziert derzeit rund 12 Prozent des gesamten Stroms in Bayern (rund 11 TWh). Gundremmingen liefert jährlich mit 10 TWh nur knapp weniger. In Summe fehlen also rund 22 TWh, um den Energieverbrauch zu decken.

Fokus auf Solarenergie

Zwar setzt die bayerische Staatsregierung seit einiger Zeit vermehrt auf den Ausbau von erneuerbaren Energien – allen voran auf die Sonnenkraft, bei der bis 2035 mehr als eine Verdoppelung der installierten Leistung angestrebt wird. Doch eine Deckung der Energiebilanz wird auf absehbare Zeit kaum möglich sein.

Im Gegenteil: Bayern werde trotz des ambitionierten Ausbaus der erneuerbaren Energien zunehmend auf Stromimporte angewiesen sein, sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Ein Problem sieht das Ministerium in der wachsenden Abhängigkeit von Energielieferungen jedoch nicht. Der Import von Strom nach Bayern sei «im Hinblick auf die übergeordneten Ziele einer kostengünstigen und nachhaltigen Energieversorgung sinnvoll» und im Übrigen seit jeher Bestandteil des Stromversorgungssystems.

Grüne: 20 Prozent sind Obergrenze

Die Frage ist allerdings, wie groß die Abhängigkeit ist und was dies für Unsicherheiten auf lange Sicht mit sich bringt. Für den Chef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, sollte der Importanteil in jedem Fall nicht mehr als 20 Prozent des Gesamtverbrauchs betragen: «Volkswirtschaftlich gedacht ist Klimaschutzpolitik auch Standortpolitik. Wenn wir in Bayern unseren eigenen Strom produzieren, behalten wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze hier und unsere Unternehmen profitieren.»

In diesem Kontext ist auch die Entscheidung der CSU-geführten Regierung schwer zu verstehen, die Möglichkeiten der Windkraft nicht auszuschöpfen. Selbst die Freien Wähler als Koalitionspartner mussten inzwischen einsehen, dass bei der CSU derzeit nichts zu holen ist. Die seit 2014 geltende 10H-Regel erschwert den Zubau ebenso wie die Modernisierung alter Anlagen.

Klimaneutralität in Gefahr

Für viele Energieexperten ist es ein großer Fehler, im klimafreundlichen Energiemix der Zukunft nicht stärker auf Wind zu setzen – nur so könne das Regierungsziel einer klimaneutralen Energiebilanz ab 2040 realistisch erreicht werden.

«Wir brauchen in Bayern jetzt den kraftvollen Ausbau von Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme und Energiespeichern», betonte SPD-Landeschef Florian von Brunn. Ohne den Energiemix versage der Freistaat beim Klimaschutz «und es explodieren die Strompreise für Verbraucher und Industrie. Das kostet nicht nur Arbeitsplätze, es treibt auch die Lebenshaltungskosten nach oben.»

Stromverbrauch dürfte steigen

Generell dürfte der Energiebedarf in Bayern nämlich trotz vieler Einsparanstrengungen stetig weiter steigen, da etwa immer mehr Elektroautos, E-Bikes und E-Scooter an Steckdosen geladen werden. Prognosen wie die des Öko-Instituts in Freiburg schätzen die Stromnachfrage im Freistaat für 2035 auf zwischen 98 und 112 TWh.

Um diesen Bedarf zu decken und zugleich die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, kann das Land aber nicht einfach auf weitere Gaskraftwerke setzen. Denn dann würde das von Söder und Co genannte ambitionierte Ziel der bayerischen Klimaneutralität bis 2040 durch einen noch höheren Ausstoß von schädlichem Kohlendioxid in noch weitere Ferne rücken. (dpa/hp)