"Müssen gewappnet sein": Spaniens Blackout treibt Reiche um

Katherina Reiche ist seit Dienstag Deutschlands neue Bundeswirtschaftsministerin.
Bild: © Hannes P. Albert/dpa
Von Andreas Baumer
Wirklich zufriedenstellende Erklärungen für den Blackout auf der Iberischen Halbinsel gibt es auch gut eine Woche später nicht. Den Vorwurf, dass erneuerbare Energien das Problem seien, wies EU-Energiekommissar Dan Jørgensen diese Woche allerdings vehement zurück. Es gebe keinen Grund, das zu glauben, sagte der Däne bei einer Pressekonferenz.
Er verwies auf Länder, die einen höheren Erneuerbaren-Anteil im Strommix aufwiesen, gleichzeitig aber deutlich weniger Stromausfälle pro Jahr hätten als die Iberische Halbinsel. Zugleich bedankte er sich bei den Regierungen von Spanien und Portugal für ihr aus seiner Sicht gelungenes Krisenmanagement.
Jørgensen erklärte, dass der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber Entso-E unabhängig von Portugal und Spanien den Vorfall untersuche. "Die Europäische Kommission verfolgt das sehr genau", ergänzte er.
Spaniens Regierungschef geißelt Kernkraft-"Hobby-Lobbyisten"
Am Mittwoch äußerte sich auch Deutschlands neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zu dem Vorfall. "Der Blackout auf der Iberischen Halbinsel hat gezeigt, wie verwundbar unser Stromsystem sein kann", sagte sie. "Wir müssen gewappnet sein." Vor ihrer Rückkehr in die Spitzenpolitik war Reiche Chefin der Westenergie gewesen. Deren Tochter Westnetz ist größter Verteilnetzbetreiber in Deutschland.
Währenddessen entbrannte im spanischen Abgeordnetenhaus einmal mehr eine Debatte über die Ursachen des Blackouts. Dabei nahm Ministerpräsident Pedro Sánchez von der moderat linken Partei PSOE die erneuerbaren Energien in Schutz. Er bezichtigte die rechtsgerichtete Opposition, die als eine der Konsequenzen aus dem Blackout eine Verlängerung der Kernkraftwerke über 2035 hinaus fordert, einer "gigantischen Manipulation". Diese seien "Hobby-Lobbyisten" der großen Kernkraftwerksbetreiber. Zugleich gab er zu, dass die Ursachenuntersuchung noch lange dauern könnte.
Oppositionsführer Alberto Feijóo von der konservativen PP konfrontierte Sánchez seinerseits damit, dass es allein in den vergangenen fünf Jahren von Netzbetreibern über das spanische Energiewendeministerium bis hin zur Internationalen Energieagentur insgesamt elf Warnungen gegeben habe. Er beschuldigte die Regierung, sich so sehr bemüht zu haben, als die Grünsten der Welt dazustehen, und Spanien in den Blackout geführt zu haben.
Warnung vor zwei Monaten
Der verantwortliche Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica warnte seine Investoren vor zwei Monaten im Geschäftsbericht, dass "schwerwiegende Erzeugungsausfälle" die Stromversorgung in Spanien wegen des hohen Anteils erneuerbarer Energien "erheblich" beeinträchtigen könnten. Vor allem kleinere Solaranlagen hätten demnach nur eine geringe Anpassungsfähigkeit an Störungen im Netz. Zudem sei das System durch weniger Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke weniger robust gegenüber unvorhergesehenen Sprüngen in der Netzspannung.
Wie andere europäische Länder befindet sich Spanien mitten in der Energiewende. Investierte Red Eléctrica im vergangenen Jahrzehnt laut der Zeitung "El País" noch jährlich 400 Millionen Euro, waren es im vergangenen Jahr bereits 1,1 Milliarden Euro – ein neuer Rekord. Dieses Jahr sollen es 1,4 Milliarden Euro werden.
Lag der jährliche Erneuerbaren-Anteil im spanischen Strommix 2015 laut der Plattform Energy-Charts noch bei 38 Prozent, waren es im vergangenen Jahr bereits 59 Prozent. Der Rest wurde 2024 von Kernenergie (22 Prozent) und von fossiler Energie, insbesondere von Gaskraftwerken (18 Prozent), gedeckt.
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