Deutschland

Das C02-Budget ist bereits verbraucht

Alle Jahre wieder, dieses Jahr schon eine Woche früher als 2017: Deutschland dürfte bis Mittwoch so viel Treibhausgas ausgestoßen haben, wie es gemäß "Paris" im Gesamtjahr emittieren darf.
28.03.2018

Das ist die Klimabilanz von Deutschland von 2015 bis 2018 aus der Studie "Zukunft Stromsystem – Kohleausstieg 2035" von Öko-Institut und Prognos vom Januar 2017. Die Hauptaussage: Die Bundesrepublik emittiert laufend 70 bis 76 Prozent mehr, als nach dem Klimaabkommen von Paris von 2015 nachhaltig wäre. Mittlerweile schätzt das Umweltbundesamt die Ist-Emissionen 2017 auf 905 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente.

Am Mittwoch hat die deutsche Gasbranche mit Aktionen den von ihr selbst ausgerufenen "CO2-Tag" begangen. Politik und Öffentlichkeit sollen darauf sensibilisiert werden, dass Deutschland sein vom Pariser Klimaabkommen heruntergerechnetes Jahresbudget für Treibhausgas-Emissionen bereits am 28. März verbraucht habe.

Zentrale klimapolitische Forderung der Gasbranche aus dem sich Jahr für Jahr weiter zurückschiebenden "CO2-Tag" ist, den Schwerpunkt von langfristigen Minderungszielen zu den "Quick wins", also den kurzfristig und kostengünstig erreichbaren Minderungsmaßnahmen zu verlagern, und zwar schnellstmöglich, damit Deutschland noch Chancen hat, Paris-konform zu werden. "Jedes eingesparte Gramm zählt, denn jede Zielverfehlung heute müssen wir morgen mit doppelter Anstrengung aufholen", so formuliert es nicht nur Jörg Bergmann, Chef des größten Ferngasnetzbetreibers Open Grid, in einer Pressemitteilung, so ähnlich schreibt es auch die Initiative Zukunft Erdgas und die EnBW-Tochter Erdgas Südwest.

(Braun-)Kohleausstieg, neue Heizkessel, CNG

Im Einzelnen werden bekannte Forderungen aus der Branche bekräftigt, etwa:

  • den Umstieg von der Braunkohle- auf Gas, der "sofort", so Erdgas Südwest, die CO2-Emissionen aus der Verstromung um 70 Prozent mindere,
  • eine wie auch immer geartete Förderung der Anschaffung neuer Gas-Brennwertheizungen, die "schlagartig" mindestens 30 Mio. Tonnen CO2 einsparen "könnte",
  • eine Förderung von Brennstoffzellenheizungen, die nochmal ein Effizienzgewinn wären,
  • eine weitergehende Förderung von Erdgas(CNG)- und Biomethan-Fahrzeugen, die bis zu 25 Prozent weniger CO2 pro Kilometer ausstoßen als Benziner, statt einseitiger Förderung der E-Mobilität.


Natürlich weiß noch niemand, ob der 28. März 2018 tatsächlich Deutschlands CO2-Tag 2018 ist. Der Tag stimmt eher ganz grob von der Tendenz her. Für den Treibhausgas-Ausstoß in diesem Jahr gibt es nicht einmal Schätzungen; erst am Dienstag veröffentlichte das Umweltbundesamt erste (rückwirkende) "Prognosen" für 2017. Demnach dürfte Deutschland im Vorjahr 905 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen haben.

Wie man auf die nationalen Jahresbudgets kommt

Und so berechnet sich das Jahresbudget: Rechnet man das globale CO2-Budget von 2015 bis 2050 von 890 Mrd. Tonnen, die maximal ausgestoßen werden dürfen, damit sich die Erdatmosphäre bis 2100 nicht um mehr als zwei Grad erwärmt, auf den Paris-Unterzeichnerstaat Deutschland herunter, liegt der nationale Deckel bei 9,9 Mrd. Tonnen, über 36 Jahre verteilt. Ergibt für 2017 anteilig 238 Mio. Tonnen – also lediglich 26 Prozent des tatsächlichen Ausstoßes. Das Missverhältnis hat sich in den jüngsten Jahren jeweils vergrößert, vor allem da die Jahresbudgets sinken: In diesem Jahr dürfen es nur noch rund 218 Mio. Tonnen sein, so Öko-Institut und Prognos 2017. Aber es fehlt strenggenommen noch die Ist-Vergleichszahl für dieses Jahr. Der "CO2-Tag" ist also Lackmustest, inwieweit ihr Erfinder, die Gasbranche, tatsächlich Aufmerksamkeit für ihre klimapolitischen Botschaften gewinnt. (geo)