Deutschland

Expertengremium setzt beim Wasserstoff auf Klasse statt Masse

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen spricht sich ausschließlich für grünen Wasserstoff aus. Dieser werde rar und teuer bleiben und sollte daher nur in ausgewählten Bereichen zum Einsatz kommen.
23.06.2021

v. l. Claudia Hornberg (Vorsitzende), Wolfgang Köck, Annette Elisabeth Töller, Julia Hertin (Geschäftsführerin), Josef Settele, Claudia Kemfert (stellvertretende Vorsitzende), Wolfgang Lucht, Christina Dornack

Wasserstoff kann eine wichtige Rolle für den Klimaschutz spielen, wird aber ein knapper und kostbarer Energieträger bleiben, ist der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) überzeugt. Er empfiehlt in einer aktuell veröffentlichten Stellungnahme, alle Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und Sonne zu konzentrieren. Auch übergangsweise sollte die Politik nicht auf fossil erzeugten Wasserstoff setzen, so das Gremium.

Nach Auffassung des SRU drohen falsche Weichenstellungen: Derzeit wird diskutiert, massiv in Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen zu investieren. Die Herstellung verursache jedoch signifikante Treibhausgasemissionen – auch wenn Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einer CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) hergestellt wird. Bei der CO2-Speicherung bestehen zudem Umwelt- und Gesundheitsrisiken, heißt es in einer Presseaussendung weiter. „Damit würde in Technologien und Infrastrukturen investiert, die in einer treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr haben“, sagt Claudia Kemfert. „Statt teurer Brückentechnologien brauchen wir Investitionen in die Zukunft.“ 

Nicht überall einsetzen

Eine zweite Fehlentwicklung drohe bei der Nutzung von Wasserstoff: Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, ist dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wenn grüner Strom direkt genutzt werden könne – wie durch das E-Auto im Straßenverkehr oder die Wärmepumpe in der Wärmeversorgung –, sei das in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher. Sinnvoll sei es, den Wasserstoff in Teilen der Industrie sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen.

Ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien sei notwendig, damit die Herstellung von grünem Wasserstoff keine Umweltprobleme wie Flächen- oder Wasserknappheit verschärfe. Das gelte insbesondere für Importe. Bevor grüner Wasserstoff in großen Mengen importiert werde, sollten die inländischen Potenziale genutzt werden. Dazu müssten zunächst die Wind- und Sonnenenergie in Deutschland massiv ausgebaut werden. „Beim Import muss sichergestellt werden, dass in den Herkunftsländern keine sozialen, ökologischen oder gesundheitlichen Probleme durch die Wasserstoffherstellung verschärft werden“, sagt Claudia Hornberg in der Mitteilung. „Der hohe Wasserverbrauch kann vor allem in trockenen Regionen gravierende Auswirkungen haben.“ 

Integrierte Planung

Die Infrastrukturen von Wasserstoff, Erdgas und Strom sollten integriert geplant werden, so das Gremium weiter. Grundlage dafür müssten die Klimaziele sein. In der nächsten Legislaturperiode sollten Ausstiegspfade für Erdgas und Erdöl festgeschrieben werden, um Fehlinvestitionen in fossile Technologien zu vermeiden und die notwendige Transformation in allen Sektoren einzuleiten. (amo)