Koenig: "Entscheidend ist, wie viel nachgepflanzt wird"

Hanns Koenig ist Managing Director, Central Europe bei Aurora Energy Research.
Bild: © Aurora Energy Research
Herr Koenig, wie hoch schätzen Sie das Potenzial, Holz vermehrt in der Produktion von Strom und Wärme einzusetzen?
Koenig: Holzförmige Biomasse in Kraftwerken, um Strom und Wärme zu produzieren, ist ein Nischenthema. Es wird sehr wahrscheinlich auch eins bleiben. Aber wir könnten Biomasse durchaus noch stärker in der Versorgung nutzen. Auch Europa schöpft seine Potenziale dahingehend nicht aus. Dabei gibt es die ersten Staaten, die positive Erfahrungen sammeln. In Großbritannien und Dänemark wurden einige Kohlekraftwerke auf Biomasse umgestellt, um die Kohleverstromung zu reduzieren. Insbesondere wenn die Biomasse in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eingesetzt wird, ist sie sehr effizient. Denn hierbei gewinnen die Energieversorger gleichzeitig Strom und Wärme.
Also sollten Energieversorger die Kohlekraftwerke so schnell wie möglich auf Biomasse umrüsten?
Koenig: Das kann man so eindeutig nicht sagen. Einerseits arbeitet die EU gerade die Renewable Energy Directive (RED) III aus, bei der erwogen wird, die Kriterien, was als nachhaltige Biomasse zählt, deutlich zu verschärfen, was die Verfügbarkeit reduzieren würde. Anderseits sehen wir, dass beispielsweise Fluggesellschaften und die Industrie sich für den Brennstoff sehr interessieren. Wasserstoff ist für diese Branchen in den momentanen Debatten teilweise unattraktiv. Es ist schwer kalkulierbar, wann es in ausreichendem Maße zur Verfügung steht und für wen er zuerst zugänglich ist. Außerdem kann aus Biomasse grünes Biokerosin und synthetische Kraftstoffe gewonnen werden, da sie den dafür benötigten Kohlenstoff bereits enthält. Weil in den angesprochenen Branchen oft die Alternativen fehlen, werden diese womöglich bereit sein, wesentlich mehr für die Biomasse zu zahlen.
Was leiten Sie daraus ab?
Koenig: Ich schätze, die nächsten zehn bis 15 Jahre wird Biomasse noch der Stromversorgung in einem ausreichenden Maße zur Verfügung stehen, wenn es nicht rechtlich eingeschränkt wird. Die Umrüstung von einzelnen Kohlekraftwerken kann dementsprechend spannend sein, um schneller aus dem fossilen Brennstoff auszusteigen. Zumal eine Umrüstung günstiger ist, als ein neues Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk zu bauen. Auch wenn diese Wasserstoff-ready sind, so ist dieser Brennstoff noch bei weitem nicht da.
Dementsprechend kann darüber nachgedacht werden, inwieweit man Biomasse als Überbrückung nutzt und regionale, aber auch überregionale Wertschöpfungsketten aufbaut, um sie sich langfristig zu sichern. Die umgerüsteten Kraftwerke könnten auch primär dafür eingesetzt werden, um Spitzen in der Residuallast auszugleichen. Längerfristig würde die Biomasse dann vermutlich in E-Fuels oder die Industrie gehen.
Aber wie nachhaltig ist ein Brennstoff, der dennoch CO2 ausstößt?
Koenig: Entscheidend ist, wie viel nachgepflanzt wird, wie viel CO2 dadurch wieder absorbiert wird und dazu haben die Forstwirte im Normalfall ohnehin einen Anreiz. Klar ist: Totes Holz im Wald stößt beim Zersetzungsprozess gewisse Mengen CO2 aus, aber nicht schlagartig, sondern über Jahre. Natürlich muss dieses in einem gewissen Maße im Wald verbleiben, um dem natürlichen Biotop Rechnung zu tragen. Die Insekten nutzen das Holz als Zuflucht. Aber wir haben durch den Borkenkäfer und die Stürme zu viel totes Holz. Wir müssen dieses herausholen, um damit Flächen zu schaffen, auf denen wir wieder gesunde Bäume anpflanzen. Obendrein erhöht es in seinem ausgetrockneten Zustand die Waldbrandgefahr. Es geht in meinen Augen also nicht um ein „entweder oder“: Gewisse Mengen Schadholz müssen im Wald bleiben, aber nicht alles. Die Kronen und kleineren Äste von Bäumen, die beispielsweise für die Bauindustrie gefällt werden, können ebenso verwertet werden.
Die Abschlussfrage: Worauf sollte sich die Politik Ihres Erachtens nun fokussieren?
Koenig: Die Wälder müssen resilienter gestaltet werden und hierfür muss stärker aufgeforstet werden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, woher die finanziellen Mittel für die Pflege und Aufforstung kommen sollen. Wenn die Waldbesitzer ihr Holz in geringerem Maße nutzen und verkaufen dürfen, müsste der Staat – also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – für den Umbau der deutschen Wälder aufkommen. Dann werden damit aber Mittel gebunden, die woanders eventuell besser aufgehoben wären. Die derzeitige Politik muss klug abwägen, was die Ziele sind und wie man diese am besten erreicht.
Das Interview führte Adrian Gun.