Deutschland

Milliarden-Programm für "saubere Luft" – erst 16 Mio. Euro abgerufen

Um die Stadtluft auch ohne Diesel-Fahrverbote sauberer zu bekommen, hat der Bund ein Förderprogramm für Kommunen aufgelegt. Eineinhalb Jahre später ist kaum etwas ausgezahlt. Die Städte berichten von "Anlaufschwierigkeiten".
05.05.2019

Mit einem Sofortprogramm für Kommunen werden etwa digitale Systeme zur Verkehrsleitung gegen Staus, die Nachrüstung von Diesel-Bussen oder die Anschaffung elektrischer Busse gefördert.

Von dem milliardenschweren "Sofortprogramm Saubere Luft" gegen Diesel-Abgase aus dem Jahr 2017 wurden nach Angaben der Bundesregierung bisher nur 15,6 Mio. Euro abgerufen. Allerdings seien 748,2 Mio. Euro an Fördermitteln bereits gebunden, also für Projekte verplant, teilte das Verkehrsministerium auf Anfrage der Grünen mit. Abrufen dürfen etwa Kommunen die Fördergelder erst, wenn sie ein Projekt abgeschlossen und die Rechnung vorgelegt haben.

Ende 2017 hatten die deutschen Autobauer 250 Mio. Euro in den neuen Fördertopf eingezahlt, der Rest kam vom Bund. Ziel war es, Fahrverbote in Städten zu vermeiden, deren Luft zu stark mit gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid (NO2) belastet ist. Vergangenen Dezember stockte der Bund die Mittel auf, nun umfasst das Programm 1,5 Mrd. Euro. Gefördert werden etwa digitale Systeme zur Verkehrsleitung gegen Staus, die Nachrüstung von Diesel-Bussen oder die Anschaffung elektrischer Busse.

Krischer: "Politisches Armutszeugnis"

Aus Sicht des Ministeriums lässt sich aus der geringen Summe abgerufener Fördergelder nicht auf den Erfolg des "Sofortprogramms Saubere Luft" schließen. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer dagegen sieht in der Zwischenbilanz ein "politisches Armutszeugnis". Das nicht ausgegebene Geld fehle im Bemühen, Fahrverbote zu verhindern. "Die vor zwei Jahren unter großem Tamtam beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung sind kurzfristig nutzlos", sagte er. "Es wird auch noch einige Jahre brauchen, bis wirklich nennenswerte Beträge abfließen."

Und wie sehen das die Kommunen, die das Programm nutzen dürfen – und sollen? Das Programm "läuft inzwischen nach einigen Anlaufschwierigkeiten, die es im vergangenen Jahr gab", sagte Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der dpa. Das Verkehrsministerium habe die Programme übersichtlicher angelegt. Probleme gebe es aber auch noch. So sei das "Antragsmanagement" der Städte wegen der Struktur der Förderung "über Gebühr belastet" gewesen, das werde noch "eine ganze Weile so bleiben."

Für die Umsetzung Geduld nötig

Dedy kritisierte auch, dass der Bund den Kreis der Städte, die das Recht auf Förderung haben, an die neuen NO2-Messwerte anpasse. Die gehen an vielen Orten von Jahr zu Jahr herunter. Wo der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel eingehalten wird, gibt es auch ohne Extraprogramme keine Fahrverbote für die älteren Diesel. "Wir hatten seinerzeit jedoch vereinbart, dass die 2016 von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städte auch zukünftig förderfähig bleiben", sagte er.

Für die Umsetzung ist aus Dedys Sicht ein wenig Geduld nötig: Ein solches Programm brauche in den Städten "Vorlauf, Planungen, politische Beschlüsse und finanzielle Absicherung im Haushalt".

Tempo bei "Mobilitätswende" beschleunigen

Auch der Städte- und Gemeindebund zeigte sich zufrieden: Man bewerte das Programm positiv, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der dpa. Die Fördermaßnahmen würden "mit hoher Priorität umgesetzt".

Beide Kommunenvertreter sehen aber beim Verkehr noch größere Aufgaben für die Städte – für die sie noch mehr Unterstützung brauchen: Das Tempo bei der "Mobilitätswende" müsse beschleunigt werden, forderte Landsberg. Dazu gehörten etwa alternative Antriebe bei Bussen und Pkw sowie der Ausbau von Rad- und Fußwegen. "Neben der Elektromobilität sollten auch weitere umweltfreundliche Antriebe wie Wasserstoff unterstützt werden."

Bedarf von 2 Mrd. Euro pro Jahr

Dedy sieht für die nachhaltige Mobilität einen Bedarf von 2 Mrd. Euro pro Jahr über "mindestens zehn Jahre" – unabhängig vom Programm für "saubere Luft". Bund, Länder und Kommunen müssten ihre Anstrengungen "deutlich intensivieren". (dpa/hil)