Deutschland

"Müssen vom Krisen- in den Transformations-Modus kommen"

"Entweder die Wende klappt mit uns oder sie wird nicht klappen": Der VKU hat im Krisenjahr 2022 weiter an Bedeutung gewonnen. Jetzt steht die Branche vor wichtigen Weichenstellungen.
06.03.2023

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing (li.) und VKU-Präsident Ulf Kämpfer leiten die Verbandstagung ein.

Mit einer guten Portion Stolz und einem gesunden Selbstbewusstsein hat der neue VKU-Präsident Ulf Kämpfer die VKU-Verbandstagung in Berlin eröffnet. „Wir als Branche und als Verband sind sehr gut durch das erste Krisenjahr gekommen. Wir haben Deutschland am Laufen gehalten. Das ist etwas Großartiges“, erklärte der Oberbürgermeister von Kiel unter dem Beifall der Anwesenden.

Über 1000 Teilnehmende haben sich zu der Leitveranstaaltung der Branche angemeldet – ein neuer Höchststand. Neben dem Kanzler, den beiden Vizekanzlern werden auch weitere Bundesminister und Oppositionsführer Friedrich Merz am Dienstag (7. März) mit der Kommunalwirtschaft diskutieren.

„Die Krise ist noch nicht vorbei. Hoffentlich können wir 2023 ein bisschen Luft holen, um die grundlegende Transformation wieder stärker in den Blick zu nehmen“, so Kämpfer.

Zentrale politische Weichenstellungen stehen bevor

Ob Strommarktdesign, Wärmewende oder das Aus des Verbrenner-Motors - In den kommenden zwei, drei Jahren stünden zentrale energiepolitische Weichenstellungen an, die die Branche für die nächsten Jahrzehnte prägen würden. Bei der Ausgestaltung der dazu notwendigen Strategien und Gesetze spiele der VKU eine maßgebliche Rolle.

Die Umsetzung der Klimaziele bis 2045 sei nicht nur geltendes Recht, sondern auch eine moralische Verpflichtung, betonte der VKU-Präsident. „Es lohnt sich um jedes Gramm CO2-Reduzierung, um jeden Monat oder jedes Jahr, in dem wir das früher hinbekommen, zu kämpfen.“.

Keine Unternehmensbranche sei hierfür besser aufgestellt als die Kommunalwirtschaft, die kurz- und langfristiges Denken miteinander versöhne. „Deshalb wiederhole ich noch Mal: Entweder mit uns klappt die Wende oder sie wird nicht klappen“.

"Was könnte cooler sein, als mit uns die Klimawende gemeinsam zu bewältigen"

Als größtes Problem bei der Umsetzung der Energiewende bezeichnete Kämpfer hierbei den Fachkräftemängel. Hier gelte es unter anderem Handwerksberufe attraktiver zu machen. Gerade mit Blick auf das Thema Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Arbeit habe die Branche viel zu bieten. „Was könnte cooler sein, als mit uns die Klimawende gemeinsam zu bewältigen.“

Auch beim Thema Digitalisierung ortete Kämpfer weiteren großen Nachholbedarf. Andere Länder, wie Estland oder Dänemark, seien hier zum Teil Jahre voraus. „Wir müssen schauen, dass wir da aufholen“.

Liebing: "Verband hat an Bedeutung gewonnen"

Für VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing war es nach zwei Coronajahren die erste Verbandstagung in Präsenz. Der Verband habe in der Energiekrise an Akzeptanz und Bedeutung gewonnen, versicherte er im Dialog mit Urs Kämpfer. „Wir waren niemals zuvor so oft eingebunden in politische Gespräche und Anhörungen im Bundestag“, betonte Liebing. Dass Bundeskabinett sei als Vorbereitung auf den Besuch des Kanzlers und zahlreicher Minister und Ministerinnen bei der Verbandstagung extra in Bad Meseberg noch einmal in Klausur gegangen, scherzte Liebing.

Nach seinem Eindruck ist die Branche im vergangenen Jahr noch Mal enger zusammengerückt. „Nun gilt es vom Krisen- in den Transformationsmodus zu kommen“, verdeutlichte er. Dazu gehörten mehr Tempo beim Ausbau der Eneuerbaren, der Stromnetze und der zusätzlich benötigten gesicherten Leistung.

VKU fordert Schutzschirm für Stadtwerke

Der VKU veröffentlichte anlässlich der Tagung einen 10-Punkte-Plan. Darin appelliert er unter anderem an die Bundesregierung, einen Schutzschirm für Stadtwerke aufzuspannen und jetzt zügig Investitionen in Infrastrukturen anzuschieben. Die sinkenden Preise hätten die Ausfallrisiken für Verkäufer erhöht, im außerbörslichen Handel seien noch höhere Sicherheiten zu hinterlegen. Das binde viel Liquidität, die am Ende für die notwendigen Investitionen in die Energiewende fehle, heißt es.

Kritik am Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz

Liebing erneuerte seine Kritik an den in der vergangenen Woche publik gewordenen Abstimmungsentwürfen zum Gebäudeenergiegesetz. „Neue Gasheizungen sollen ab dem kommenden Jahr verboten werden, ohne ausreichende Alternativen“, so Liebing.

Dass dabei die Lösungen, die mit Blick auf Wasserstofffähigkeit vorhanden seien, ausgeschlossen würden, sei mit dem immensen Handlungsbedarf bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors nicht in Einklang zu bringen. „Deshalb schauen wir mit ganz besonderem Interesse nach Brüssel, wo auf europäischer Ebene, das Unbundling von Gas- und Wasserstoffnetzen diskutiert wird."

Man brauche generell mehr Tempo, aber auch mehr Praxistauglichkeit bei der Gesetzgebung. In den kommenden Monaten seien hierzu zahlreiche Gesetze zu beraten, etwa zum Strommarktdesign, das Wärmegesetz für die kommunale Wärmeplanung, das Energieffizienzgesetz oder das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung oder weitere Beschleunigungsgesetze für PV.

"Mehr Investitionen in die Klimaresilienz der Wasserver- und der Abwasserentsorgung"

Das Augenmerk des Verbands liege aber auch auf der Nationalen Wasserstrategie, die in der kommenden Woche ins Bundeskabinett gehen soll. Gerade in dieser Branche zeigen sich die Folgen der Klimakrise immer deutlicher, von den letzten fünf Sommern etwa waren vier Dürresommer. „Wir brauchen mehr Kooperationen und mehr Investitionen in die Klimaresilienz der Wasserver- und Abwasserentsorgung.“

Es gehe aber auch um die Qualität des Wassers, deshalb spreche man auf europäischer Ebene über die Novellierung der Kommunalen Abwasserrichtlinie. „Die deutsche Abwasserwirtschaft erfüllt schon jetzt höchste Standards der Abwasserreinigung. Spurenstoffe und PFAS stellen uns aber wiederum vor völlig neue Herausforderungen.“ Eine erweiterte Herstellerverantwortung sei hier dringend geboten.

"Einweg-Kunststofffonds ist ein Meilenstein"

Das Verursacherprinzig sei aber auch ein zentrales Thema in der Abfallwirtschaft. Hier sei dem VKU mit der Einrichtung des Einweg-Kunststofffonds ein großer Erfolg gelungen. Das Gesetz war in der vergangenen Woche beschlossen worden. Über den Fonds werden 430 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, die für mehr Stadtsauberkeit eingesetzt werden können. „Dieser Fonds ist ein Meilenstein gegen die Plastikvermüllung, aber er kann nur ein erster Schritt sein.“ (hoe)