Deutschland

OVG Münster verfügt Rodungsstopp im Hambacher Wald

Wann RWE mit der Rodung des Hambacher Forstes beginnen wollte, wurde offiziell nie verlautbart. Jetzt verhängt das Oberverwaltungsgericht Münster einen Rodungsstopp. Mittlerweile gehört der Forst offenbar wieder den Braunkohle-Gegnern: Nach der Groß-Demo am Samstag soll die Polizei in Kürze abziehen.
07.10.2018

Die Aktivisten im Hambacher Forst hatten es sich in Baumhäusern gut eingerichtet.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst verfügt. Die Richter entsprachen damit am Freitag (5. Oktober) in einem Eilverfahren dem Antrag des Umweltverbandes BUND. Der Energiekonzern RWE will in den kommenden Monaten mehr als die Hälfte des verbliebenen alten Waldes fällen.

Der BUND hatte argumentiert, dass der Wald mit seinem Bechsteinfledermaus-Vorkommen die Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes habe und deshalb geschützt werden müsse. Das Gericht erklärte, die Unterlagen dazu umfassten mehrere Kisten, die Rechtsfragen seien so komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren beantworten könne. Die Rodung müsse vorerst gestoppt werden, damit keine «vollendete, nicht rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen» würden, teilte das Gericht mit.

RWE hält Rodung für "zwingend erforderlich"

Der Energiekonzern RWE will in den nächsten Monaten gut 100 von den bisher verbliebenen 200 Hektar des Waldes für den fortschreitenden Tagebau abholzen. RWE hält die Rodungen in den nächsten Monaten für «zwingend erforderlich». Eine vorübergehende Aussetzung der ab Oktober geplanten Abholzung würde die Stromerzeugung in den Kraftwerken in Frage stellen. Wegen des freiwilligen Verzichts auf Rodungen im vergangenen Jahr gebe es keinen zeitlichen Puffer mehr. Die Rodungssaison läuft von Anfang Oktober bis Ende März.

Die Bezirksregierung Arnsberg hatte im Frühjahr den sogenannten Hauptbetriebsplan für den Braunkohletagebau Hambach bis 2020 genehmigt, der auch die Rodungen genehmigt. Der BUND wollte das bis zu einer endgültigen Entscheidung per vorläufigem Rechtsschutz verhindern.

Nach Groß-Demo bauen Aktivisten neue Baumhäuser

Zehntausende haben unterdessen am vergangenen Samstag im Hambacher Forst den gerichtlich verfügten Rodungsstopp gefeiert und einen schnellen Kohleausstieg gefordert. Am gestrigen Sonntag  (7. Oktober) entstanden in dem Wald bei Köln schon wieder neue Baumhäuser. Gut 100 Braunkohle-Gegner waren mit Sägen und Bauen beschäftigt. Bis Dienstag hatte die Polizei mit Millionenaufwand 86 Baumhäuser abgebaut.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte für Montagmorgen den Abzug der Polizei aus dem Hambacher Forst an. «Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster ist die Rodung des Hambacher Forstes mindestens für die kommenden zwei Jahre vom Tisch», teilte er am Sonntag in Düsseldorf mit. «Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, dass im Wald Ruhe, Ordnung und Frieden einkehren.» Er hoffe sehr, dass die Umweltschützer dies nicht dazu nutzten, neue Baumhäuser und Barrikaden zu errichten.

Die Demonstration am Samstag war ursprünglich von den Sicherheitsbehörden verboten worden, das Verwaltungsgericht hatte diesen Entscheid am Freitag aber kurzfristig aufgehoben. Die Großkundgebung war nach Angaben von Umweltverbänden die bisher größte im Rheinischen Braunkohlerevier. Die Veranstalter sprachen von 50 000 Teilnehmern, die Polizei von 25 000 bis 30 000.

Greenpeace-Chef: "Rückenwind für Kohlekommission"

Die Gerichtsentscheidung sei «Rückenwind für die Arbeit in der Kohlekommission», sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser, der selbst Mitglied der Kommission ist. Diese soll bis Jahresende einen Fahrplan für ein Kohle-Aus festlegen - und gleichzeitig klären, wie sich mit konkreten Projekten und Ansiedlungen der Wegfall von Zehntausenden Jobs kompensieren lässt. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sagte, es gebe jetzt ein Zeitfenster für einen «großen gesellschaftlichen Kompromiss für den schnellen Kohleausstieg».

Aktivistengruppe kündigt neue Aktionen an

Die NRW-Grünen hielten am Sonntag einen Kleinen Parteitag am Rande des Hambacher Forstes ab. Landeschefin Mona Neubaur bezeichnete die Demo vom Vortag als ein «unübersehbares Signal für entschlossene Klimaschutzpolitik». Die Aktivistengruppe «Ende Gelände» kündigte für das letzte Oktober-Wochenende neue Aktionen an: Man werde dann «mit Tausenden Menschen wiederkommen und die Braunkohle-Infrastruktur rund um den Tagebau Hambach blockieren».

Umfrage: Konflikt schadet NRW-Landesregierung

Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Instituts Infratest dimap im Auftrag des WDR-Magazins «Westpol» sind 79 Prozent der Nordrhein-Westfalen gegen eine Abholzung des Hambacher Forstes. Der wochenlange Konflikt um den Wald hat der CDU von Innenminister Reul und Ministerpräsident Armin Laschet offenbar geschadet: Wenn jetzt Landtagswahl in NRW wäre, käme die CDU demnach nur noch auf 28 Prozent, ein Minus von sieben Punkten im Vergleich zur letzten Erhebung im Mai 2018. Die Grünen profitieren offenbar von der Debatte über Kohle und Klima: Sie könnten im größten Bundesland mit einem Stimmenanteil von 17 Prozent rechnen, ein Plus von fünf Punkten im Vergleich zum Mai. (dpa/al/hoe)