Direktvermarkter Statkraft: "Wir wollen wieder wachsen, aber eher langsam und vorsichtig"
Herr Kohlenbach, in der ZfK-Direktvermarktungsübersicht 2019 umfasste das Statkraft-Portfolio noch fast 11.500 Megawatt (MW). Damit war Ihr Unternehmen mit weitem Abstand der Platzhirsch in Deutschland. Seitdem ist das Portfolio Ihres Unternehmens um knapp 40 Prozent geschrumpft – und aus Platz eins wurde Platz vier. Wie konnte das passieren?
Eines vorweg: Unser Ziel ist es nicht, Marktführer in der Direktvermarktung zu sein, sondern profitabel zu arbeiten und unseren Kunden faire und nachhaltige Angebote zu machen. Außerdem hatten wir vor 2021 noch eine ganz andere Welt.
Inwiefern?
Im Vergleich zu heute hatten wir nicht nur ein niedrigeres Marktwertniveau, sondern auch geringere Risiken. Durch die hohen Preisschwankungen hat sich das Risiko, das wir bei der Vermarktung erneuerbarer Energien tragen, vervielfacht. Da sind wir vorsichtiger geworden. Darüber hinaus ist auch das Dienstleistungsgeschäft Direktvermarktung viel komplexer geworden, wenn wir etwa an Redispatch denken – oder an den Paragraphen 31k Emissionsschutzgesetz.
Paragraph 31k Emissionsschutzgesetz?
In aller Kürze geht es darum, dass die Bundesregierung es Windkraftanlagenbetreibern mitten in der Energiekrise erlaubt hat, mehr Strom in der Nachtzeit zu produzieren, als dies ursprünglich in der Genehmigung vorgesehen war. Das hat dazu geführt, dass Windkraftanlagen ein anderes Profil bekommen haben.
Denn plötzlich wurde nachts, wenn der Bedarf ohnehin nicht groß und die Preise entsprechend niedrig sind, zusätzlich Strom produziert, der vermarktet werden musste. Gleichzeitig haben wir mit den Anlagenbetreibern in der Regel Referenzmarktwertverträge. Das heißt, wir müssen den Durchschnittsmarktwert bezahlen. Wenn sich das Profil hier folglich zu unseren Ungunsten verschiebt, haben wir höhere Kosten. Das alles muss man bei der Bewertung von Anlagen mit einkalkulieren. Und noch etwas hat sich deutlich verändert.
Nämlich?
Vor 2021 hatten wir im Erneuerbaren-Bereich noch mit einer Genehmigungsflaute zu tun. Es wurde nur wenig zugebaut. Da haben sich Direktvermarkter noch anders auf die Anlagen gestürzt, als wir das heute machen würden. Inzwischen wird wieder kräftig zugebaut. Zugleich haben wir die oben skizzierten Risiken insbesondere bei älteren Anlagen. Will sagen: Ja, unser Portfolio ist kleiner geworden. Wir wollen aber wieder wachsen, das aber eher langsam und vorsichtig.
Wie viele andere Wettbewerber hat Statkraft auf den extremen Preisanstieg in der Energiekrise mit der Einführung dynamischer Risikoprämien reagiert. Pro Megawattstunde wurde also kein fixer Wert mehr verlangt, sondern ein Entgelt, das sich am jeweiligen durchschnittlichen Monatsspotpreis misst. Haben Sie auch deswegen Anlagenbetreiber verloren?
Sicherlich mag das anfangs für Anlagenbetreiber etwas ungewohnt gewesen sein. Die dynamische Risikoprämie ist aber kein einseitiges Instrument. Fällt der Marktwert wie in den vergangenen Monaten, sinken auch für die Anlagenbetreiber die Kosten. Daher ist dies für beide Seiten eine ganz faire Lösung.
Als wir den ersten Teil unseres Portfolios inmitten stark steigender Großhandelspreise 2022 auf dynamische Prämien umgestellt haben, gab es aber natürlich Anlagenbetreiber, die das gespenstisch fanden und zu einem der wenigen Wettbewerber gegangen sind, die noch feste Entgelte anboten. Nicht wenige haben sich aber wenig später bei mir gemeldet und gesagt: "Hätte ich doch lieber das mit den dynamischen Risikoprämien gemacht".
Wäre für Sie eine Rückkehr zu festen Entgelten vorstellbar?
Nein. Für die breite Masse ist das nicht mehr vorstellbar. Zumal dynamische Risikoprämien ja noch einen weiteren Vorteil haben. Wir müssen Verträge nicht mehr jedes Jahr neu verhandeln. In Zeiten wachsender Portfolios wäre das auch kaum mehr ratsam. Insgesamt halte ich dynamische Risikoprämien für ein zukunftssicheres Modell.
Blicken wir auf den Wettbewerb in der Direktvermarktung. Welche Trends beobachten Sie hier?
Mir sind vor allem zwei Entwicklungen aufgefallen. Zum einen sehen wir zunehmend Mineralölkonzerne, die deutsche Direktvermarkter kaufen, oder gleich selbst in den Markt einsteigen. Das ist insofern logisch, weil nach der vergangenen Weltklimakonferenz klarer denn je ist, dass es mit den konventionellen Energieträgern zu Ende gehen soll.
Für Mineralölkonzerne heißt das, dass sie sich immer mehr mit erneuerbaren Energien und auch mit dem Handel erneuerbarer Energien auseinandersetzen müssen, wenn sie im Energiemarkt bleiben wollen. Gut möglich, dass wir vor diesem Hintergrund strategische Angebote auf dem Markt gesehen haben, um das eigene Portfolio zu vergrößern.
Und die zweite Entwicklung?
Ein Teil der Angebote, die wir gesehen haben, ist sicher auf schlechte Daten oder Unvermögen zurückzuführen. Es gibt Beispiele, da boten Direktvermarkter Entgelte an, die umgerechnet acht Euro pro Megawattstunde günstiger waren als die unseren. Das kann man nicht nur auf strategische Erwägungen zurückführen. Da müssen Fehler passiert sein. Da muss die Komplexität der Direktvermarktung nicht komplett wahrgenommen worden sein.
Das Jahr 2022 war ein Boomjahr für Kurzfrist-PPAs. Das dürfte sich angesichts stark gesunkener Strompreise wieder geändert haben, oder?
Tatsächlich sind Kurzfrist-PPAs für Anlagenbetreiber inzwischen nur noch wenig attraktiv. Wenn der Unterschied zum Spotmarkt nur noch zwei bis drei Euro pro Megawattstunde beträgt, dürften die meisten Betreiber lieber Erlöse aus dem Spotmarkt mitnehmen und auf einen Preissprung an der Börse spekulieren. Aus meiner Sicht ist die große Kurzfrist-PPA-Welle fürs Erste wieder vorbei.
Wie wichtig sind für den Direktvermarkter Statkraft eigentlich bereits Batterien?
Wir wollen hier in Deutschland eine große Rolle spielen. Wir tun das bereits in Großbritannien, wo wir bei der Batterievermarktung Marktführer sind. Unsere Handelskollegen und Algorithmus-Entwickler sitzen übrigens bei uns in Düsseldorf. Wir haben das Know-how also nur zwei, drei Schreibtische entfernt von uns. Wir warten nur darauf, dass der oft angekündigte Hochlauf endlich auch in die Tat umgesetzt wird.
Wie sieht es bei Elektrolyseuren aus?
Auch hier befinden wir uns in der Planung. Wir entwickeln derzeit beispielsweise ein Pilotprojekt mit einer Kapazität von zehn Megawatt am niedersächsischen Standort Emden. Dieses soll 2026 in Betrieb gehen. Bis 2030 wollen wir hier bis zu 200 Megawatt an Elektrolysekapazität aufbauen.
Blicken wir auf den Gesamtmarkt: Wann werden Batterien und Elektrolyseure in der Direktvermarktung ihr Nischendasein beenden?
Bei Batterien dürfte es auf jeden Fall schneller gehen, zumal eine Batterien-Direktvermarktung aus unserer Sicht sofort rentabel wäre und uns auch dabei helfen würde, Ausgleichskosten zu sparen. Die Batterien müssen nur gebaut werden. Teilweise fehlen auch noch die regulatorischen Rahmenbedingungen. Bei den Elektrolyseuren dürfte es dagegen schon noch ein paar Jahre länger dauern. Da befinden wir uns noch ganz am Anfang des Markthochlaufs.
Das Interview führten Julian Korb und Andreas Baumer
Dieser Artikel ist Teil der ZfK-Winterserie zum Thema Direktvermarktung. In den nächsten Tagen erscheinen auf unseren Seiten eine aktualisierte, ausführliche Direktvermarktungsübersicht mit mehr als 40 Teilnehmern sowie weitere Analysen und Interviews. Zudem sind Listen führender Direktvermarkter in Einzeltechnologien geplant.
Hinweis: Sie sind Direktvermarkter, sind nicht von der ZfK angeschrieben worden, wollen aber in die neue Liste aufgenommen werden? Dann wenden Sie sich gern an den ZfK-Redakteur Andreas Baumer (a-baumer(at)zfk(dot)de).
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