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EnviaM will bei Netzanschlüssen aufs Tempo drücken

Mit Rekordzubauwerten gilt das Einzugsgebiet der EnviaM-Gruppe als Vorzeigeregion. Dieser Erneuerbarenboom stellt den ostdeutschen Versorger allerdings vor große Herausforderungen und erfordert weiterhin Investitionen über dem Ebit.
08.05.2025

Trotz eines Ergebnisrückgangs im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich die EnviaM-Gruppe mit dem Geschäftsjahr 2024 zufrieden.

Von Artjom Maksimenko

Im abgelaufenen Jahr hat die EnviaM-Gruppe, die zum Energiekonzern Eon gehört, rund 434 Millionen Euro investiert und damit den Vorjahreswert um gut 75 Millionen übertroffen. Das Investitionstempo werde weiterhin hoch bleiben, kündigte Vorstandsvorsitzender, Stephan Lowis, bei der Vorstellung der Bilanzzahlen des Unternehmens.

Die Erneuerbarenzahlen 2024 sind beachtlich: rund 33.000 neu angeschlossene Anlagen mit einer Gesamtleistung von über 1.000 Megawatt (MW). Ein Zuwachs bei PV-Balkonanlagen um 104 Prozent. Insgesamt sind in dem Versorgungsgebiet 12.000 Megawatt (MW) an Erneuerbaren am Netz.

113 Prozent bedeuten in etwa das 1,1-Fache des Letztverbraucherabsatzes in der Region. Im bundesweiten Durchschnitt liegt diese Kennzahl bei etwa 55 Prozent. Der Hochlauf erneuerbarer Energien bedeute allerdings auch enorme Belastungen für das Stromnetz und entsprechende Investitionen, die bis 2030 mehr als drei Milliarden Euro erreichen sollen, ordnete Lowis die Zahlen ein. Ein Großteil dieser Investments fließe in den Ausbau und die Modernisierung des Verteilnetzes. Denn diese seien die "Kraftzentren der Transformation", so der Chef der EnviaM-Gruppe.

Hohe Investitionen

Für das Stromnetz einschließlich digitaler und intelligenter Netzlösungen sind für das laufende Jahr Investitionen von rund 565 Millionen Euro durch die Netztochter Mitnetz Strom eingeplant. Für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Dekarbonisierung veranschlagt das Gruppenunternehmen Envia Therm in den kommenden Jahren Investitionen von über 50 Millionen Euro. In Planung sei bereits die Umstellung von mindestens acht konventionellen Fernwärmeanlagen auf erneuerbare Brennstoffe, darunter das Heizwerk Vetschau, das von Braunkohlestaub auf Holzrestverwertung umsteigt.
Der Anteil der Erneuerbaren an der Wärmeerzeugung legte 2024 um 75 Prozent zu und machte mit rund 148 Gigawattstunden fast ein Fünftel der Gesamtwärmeproduktion aus.

Ausbautempo vs. Netzanschlüsse

Im vergangenen Jahr hatte EnviaM nach eigenen Angaben rund 230.000 Kundenanfragen bearbeitet, darunter zahlreiche Netzanschlussbegehren. Ergebnis: Lange Bearbeitungszeiten und sinkende Zufriedenheit. "Auch für uns ist dieser Zustand nicht zufriedenstellend", sagte Lowis.

Zur Beschleunigung dieser Prozesse habe das Unternehmen massiv in das Softwaresystem investiert. Das SAP-System wurde komplett ausgetauscht und ein neues installiert, um die Anschluss- und Abrechnungsprozesse dort zukunftsfähig zu machen. Dafür habe EnviaM einen  "hohen zweistelligen Millionenbetrag" investiert. Im Idealfall würde Lowis sich wünschen, dass die Rahmenbedingungen eine App zulassen, die die Anschlussprozesse maximal automatisieren und bei der Kunde im Selfservice vieles selbst beantragen könnte.

"Dies wäre nicht nur ungerecht, sondern auch ungerechtfertigt."
Stephan Lowis, EnviaM-Gruppe

Kritisch äußerte sich Lowis zu den Plänen der Bundesnetzagentur, etwa bei der Überpüfung der Anreizregulierung (Nest-Prozess), speziell bei der Periodenverkürzung von fünf auf drei Jahre. Hinzukommen Übernahmen ganzer Kostenpakete, etwa von Redispatchkosten, in die Effizienzbenchmark der Unternehmen. "Dies wäre nicht nur ungerecht, sondern auch ungerechtfertigt", betonte Lowis. Das würde zu einer Schieflage führen, zwischen den Unternehmen mit einem hohen Erneuerbarenanteil und denen mit einem geringeren Anteil.

Positiv bewertete Lowis die Pläne der Bundesregierung, die Erneuerbarenerzeugung und den Netzausbau besser synchronisieren zu wollen. "Das muss geschehen, weil wir sonst immer weiter Ineffizienzen aufbauen."

Vertrieb schwächelt

Das Unternehmensergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) ordnete sich mit 353,3 Millionen Euro auf einem Ergebnisniveau der Vorkrisenjahre ein und liegt deutlich unter dem Ebit im Rekordjahr 2023 (453,5 Mio. Euro), das von zahlreichen Sondereffekten geprägt war. Unter dem Strich bezeichnete EnviaM das Ergebnis als Erfolg im schwierigen Marktumfeld.

2024 konnte die EnviaM-Gruppe ihren Gasabsatz weitgehend stabil bei 7,3 Milliarden kWh halten. Beim Stromabsatz gab es hingegen deutliche Rückgänge. Der Stromabsatz sank um fast 800 Millionen kWh auf 7,8 Milliarden kWh. Zum einen lag dies an einem Rückgang der Verbräuche um gut fünf Prozent, erläuterte Patrick Kather, EnviaM-Vorstand für Erzeugung und Vertrieb, auf ZfK-Nachfrage.

Zum anderen lag dies auch an einem deutlichen Rückgang bei der Kundenanzahl um rund 100.000 auf etwa 1,1 Millionen. Dies begründete er mit den Folgen der Energiebeschaffungskrise vor zwei Jahren: "Damals haben wir viele Kunden hinzugewonnen, weil zahlreiche Energiediscounter ihre Lieferverträge gekündigt haben." Nun würden diese Anbieter zurückkehren, "ohne Vorlasten, ohne Rucksäcke und mit maximalen Discountpreisen".

Trotz der wettbewerbsfähigen Angebote könne EnviaM da nicht mithalten und merke das auch an der Entwicklung der Kundenzahlen. Spätestens im laufenden Jahr werde sich die Kundenzahl aber stabilisieren. "Wir sind auch überzeugt, dass wir viele von diesen Kunden wiedergewinnen werden", fügte Kather hunzu. Diese Überzeugung schöpfe er aus dem positiven Kundenfeedback.

Das Gasnetz

Beim Thema Gasnetz erwartet Lowis, dass die neue Bundesregierung "keine 180-Grad-Drehung vollziehen wird und die Gasnetze sich weiterhin tendenziell auf dem Rückzug befinden". Wichtig dabei sei es, nicht von einem Rückbau, sondern von einer wirtschaftlich tragbaren Stilllegung der Gasnetze zu sprechen, betonte er auf ZfK-Nachfrage. Auch wenn die Statistik der neuen Gasnetzanschlüsse eine deutliche Sprache spreche, sei EnviaM weiterhin verpflichtet, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. So flossen auch 2024 über 43 Mio. Euro in die Gasnetze. "Da sind wir aber heute nicht und es bleibt ein sehr manueller Prozess", so Lowis. Weiterhin seien viele Maßnahmen rund um die Abrechnung, Installation und die Einhaltung der Eichanforderungen nur manuell umsetzbar.